Birthe Berghöfer Schweden hat wieder einen Ministerpräsidenten
Mehr als vier Monate nach den Wahlen wird der Sozialdemokrat Stefan Löfven Regierungschef. Zuvor hatte er die Linkspartei düpiert.
Es hat 131 Tage gedauert, doch nun hat Schweden eine neue Regierung. Am Freitag wurde Stefan Löfven, sozialdemokratischer Regierungschef auch des Vorgängerkabinetts, vom Parlament zum neuen Ministerpräsidenten gewählt: mit 115 Ja-Stimmen und 77 Enthaltungen, die als Zustimmung gezählt werden. 153 der Abgeordneten stimmten gegen Löfven, dessen Partei erneut gemeinsam mit der grünen Miljöpartiet eine Minderheitsregierung bilden wird.
»Ein Herbst wie kein anderer in der schwedischen Politik«, kommentierte Parlamentspräsident Andreas Norlén bereits am Mittwoch die Regierungsbildung der vergangenen vier Monate. Diese war tatsächlich ungewöhnlich lang und bis zuletzt überaus turbulent: Jonas Sjöstedt, Chef der Linkspartei, kündigte an, gegen Löfven stimmen zu wollen und damit die Regierungsvereinbarung doch noch zu kippen. Grund für seinen Ärger war eine Übereinkunft zwischen Sozialdemokraten, Grünen, Zentrumspartei und Liberalen, in der man sich auf zentrale Punkte der kommenden vier Jahre einigte. Neben deutlich wirtschaftsliberalen »Reformen« von Arbeits- und Wohnungsmarkt heißt es dort unter anderem, dass die Linkspartei »keinen Einfluss auf die politische Ausrichtung in Schweden« haben solle – ein Schlag ins Gesicht für die bis dato engen Partner der Sozialdemokraten. »Wir sind überrascht und enttäuscht darüber, wie weit nach rechts Stefan Löfven mit seiner Vereinbarung gegangen ist«, äußerte Sjöstedt am Mittwoch seinen Unmut. Es sei klar, dass alle Parteien im Reichstag politischen Einfluss hätten, versicherte Löfven daraufhin und erhielt dann doch ein Okay von Sjöstedt, der allerdings noch eine Drohung mitschickte: »Wir werden Löfven per Misstrauensvotum absetzen, sollte seine Regierung über die Grenzen unserer Partei, zum Beispiel mit vom Markt regulierten Mieten, hinausgehen.«
Die regierungsbildende Einigung der höchst unterschiedlichen Parteien war vor allem durch einen gemeinsamen Willen möglich geworden: den Einfluss der rechten Schwedendemokraten zu isolieren. »Schweden bekommt eine starke Regierung, die unabhängig ist von den Schwedendemokraten«, betonte Löfven nach seiner Wahl. In Nordeu- ropa ist Schweden damit weiterhin das letzte Kernland, in dem Rechte weder mitregieren noch die Regierung tolerieren.
Insgesamt bleibt Löfven für viele der Akteure dennoch nur das geringste Übel. Die »beste von zwei schlechten Möglichkeiten« nannte Annie Lööf von der Zentrumspartei die neue Regierung. Sie hatte noch im September versprochen, Löfven als Regierungschef abzuwählen. Doch jede andere Regierungsoption wäre von der Unterstützung der Schwedendemokraten abhängig gewesen. Als Alternative standen nur Neuwahlen im Raum. Mit dem Ergebnis von Freitag wurde nun die »Allianz des bürgerlichen Lagers« – der Block aus Moderaten, Christdemokraten, Liberalen und Zentrum – aufgelöst, zumindest für die kommenden vier Jahre. »Das ist eine absurde Regierungsbildung«, kritisierte Moderatenchef Ulf Kristersson. Seine Partei würde ein eventuelles Misstrauensvotum der Linkspartei durchaus unterstützen.
In jedem Fall sind stürmische Jahre zu erwarten. Und zu ersten handfesten Konflikten könnte es bereits in den nun folgenden Verhandlungen über einen Haushalt kommen.