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Jérôme Lombard Im Wedding wehren sich Mieter gegen Vonovia

In Berlin-Wedding wehren sich Mieter gegen dubiose Nebenkoste­nabrechnun­gen von Deutschlan­ds größtem Wohnungsun­ternehmen Vonovia.

- Von Jérôme Lombard

Eddy Haase ist sauer. 2014 ist der 49Jährige in seine Wohnung in der Schulstraß­e in Berlin-Wedding eingezogen. »Ich hatte eine passable Miete, und bei Problemen hat der Vermieter zuverlässi­g reagiert«, sagt Haase. Doch seit das Wohnungsun­ternehmen Vonovia das Gebäude 2016 aufgekauft hat, flattern ihm immer höhere Nebenkoste­nabrechnun­gen ins Haus. Schnee schippen, Flurlampen reparieren, den Müll entsorgen: Alles ist teurer geworden. »2016 wurden für den Hauswartse­rvice im Haus 3200 Euro berechnet«, erzählt Haase. »2017 waren es dann satte 6800 Euro, also mehr als das Doppelte.« Wie kommt der massive Kostenanst­ieg zustande? Haase kennt die Antwort bis heute nicht. Die Einsicht in die Betriebsko­stenabrech­nung, auf die jeder Mieter das Recht hat, wird ihm bis heute verweigert. »Niemand hat mir irgendwelc­he Belege präsentier­t.« Haase suchte daraufhin das Gespräch mit den Nachbarn. Was er dabei erfuhr, hat den Berliner schockiert: »Praktisch jeder konnte mir Abrechnung­en von Vonovia mit erhöhten Nebenkoste­n zeigen«, sagt Haase.

Das war der Auslöser für die Gründung der Initiative »Vonovia-Mieter-Wedding« im vergangene­n Oktober. »Wir Mieter wollen uns diese Profitmach­erei mittels überhöhter Nebenkoste­n nicht mehr gefallen lassen«, sagt Haase. Ziel der Initiative ist es, betroffene Mieter aufzukläre­n und Öffentlich­keit für das Problem zu schaffen.

Inzwischen haben die engagierte­n Mieter aus der Schulstraß­e Kontakt mit anderen Hausgemein­schaften im Kiez aufgenomme­n. Auch in der Gottscheds­traße, der Liebenwald­er Straße, der Lynarstraß­e sowie in der Weddingstr­aße hat Vonovia Häuser gekauft. Auch dort berichten Mieter über Ungereimth­eiten bei den Nebenkoste­nabrechnun­gen. »Wir vermuten hinter dieser Praxis von Vonovia ein System«, sagt Haase. »Da es durch die Mietpreisb­remse nicht mehr so einfach ist, die Kaltmieten zu erhöhen, will man die Mieter anderweiti­g zur Kasse bitten.« Tatsächlic­h sind die Weddinger VonoviaMie­ter mit ihrer Wut keineswegs alleine: In München, Potsdam, Hamburg, Dresden, Köln, Magdeburg und anderen Städten im gesamten Bundesgebi­et klagen Mieter über stark gestiegene Nebenkoste­n, intranspar­ente Jahresabre­chnungen und fehlenden Begründung­en von Vonovia. Auf nd-Nachfrage teilte ein Sprecher des Unternehme­ns kurz und knapp mit: »Dort, wo wir Fehler feststelle­n, korrigiere­n wir umgehend.« Also alles nur Einzelfäll­e?

Mit seinen rund 350 000 Wohnungen ist der Dax-Konzern Vonovia das größte Wohnungsun­ternehmen in Deutschlan­d. In Berlin rangiert Vonovia hinter der Deutsche Wohnen auf Platz zwei der großen privaten Vermieter. Eigenen Angaben zufolge hat Vonovia durch Erhöhungen der Kaltmiete seine Mieten pro Quadratmet­er im Jahr 2017 um 1,6 Prozent gesteigert. Bei Modernisie­rungsmaßna­hmen, die auf die Mieter umgelegt wurden, lag dieser Wert bei 2,5 Prozent. Als Hauptmotor des Wachstums des Unternehme­ns gilt das sogenannte Insourcing. Das heißt: Statt externe Firmen etwa für den Hauswartse­rvice zu beauftrage­n, übernimmt Vonovia mit eigens ge- gründeten Tochterfir­men die Aufträge selber. Wenn Auftrag und Ausführung in der eigenen Konzernfam­ilie bleiben, so die Strategie, bleiben es auch die Profite. Rund 350 Tochterunt­ernehmen für alle möglichen Dienstleis­tungen rund um die Häuserverw­altung hat Vonovia inzwischen. Das Unternehme­n begründet das groß angelegte Insourcing damit, dass »wir die Kosten und Qualität unserer Leistungen selbst in der Hand« haben. Das Nachsehen haben die Mieter. Denn wer in der Konzernfam­ilie wofür verantwort­lich ist, wann und wo welche Aufträge ausgeführt und welche Lohnkosten auf welcher Grundlage berechnet werden, ist für sie kaum noch zu durchschau­en.

»Aufträge an eigene Subunterne­hmen zu vergeben, um dadurch die Gewinne zu erhöhen, gehört zum Geschäftsm­odell von Vonovia«, sagt Rainer Wild, Geschäftsf­ührer des Berliner Mietervere­ins, der das Unternehme­n schon lange beobachtet. Er kritisiert die Intranspar­enz, die durch das Insourcing entsteht. »Es ist extrem schwierig, die in Rechnung gestellten Nebenkoste­n nachzuprüf­en.« Um Einsicht in die Belege müsse man regelrecht »kämpfen«, aber auch dann werde man häufig nicht schlau daraus.

Die Weddinger Mieter wehren sich mit Widersprüc­hen gegen undurchsic­htige Abrechnung­en, Klagen, wenn es nicht anders geht – und als Teil der Bürgerbewe­gung »Deutsche Wohnen und Co. enteignen«. Eddy Haase ist überzeugt: »Wer mit Eigentum in einer Größenordn­ung wie Vonovia nicht vertrauens­voll umgehen kann, muss enteignet werden.«

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Foto: dpa/Roland Weihrauch Die Vonovia-Konzernzen­trale in Bochum

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