Susanne Kilimann Auf Safari in Simbabwe
Simbabwe gehört zu den schönsten Ländern des afrikanischen Kontinents. Nach den Schrecken der Mugabe-Herrschaft kommen auch die Touristen zurück. Ein besonderes Projekt zeigt, wie auch Safari-Tourismus Menschen und Tieren helfen kann.
Noch steht die Sonne tief am Horizont, und auf den Blättern der Akazien funkelt der Morgentau. Vogelschreie dringen durch die noch nachtkühle Luft. Die Reifen unseres Jeeps pflügen sich durch den sandigen Boden. Nach kurzer Fahrt lassen wir das Buschland hinter uns, biegen in ein Waldgebiet, wo die Blätter uralter Zambesi-TeakBäume ein dichtes Dach bilden. »Willkommen im Schlafzimmer der Elefanten«, sagt Mark Butcher, unser Ranger. »Hier, im Schutz der Bäume, verbringen die Tiere die Nacht.«
Nur wenige Minuten später taucht der erste große graue Rücken auf. Es raschelt und knackt. Große und kleine Rüssel machen sich im Gehölz zu schaffen. Elefantenkühe und ihre Jungen reißen die belaubten Äste ab, zermalmen Rinde, Holz und Laub mit ihrem Maul. »Schaut mal, wie friedlich sie mit den Ohren fächeln«, sagt Butcher. »Das ist ein gutes Zeichen. Ein Elefant, der Gefahr wittert, stellt die Ohren auf. Die hier aber sind gerade völlig entspannt.«
Dass heute rund 40 000 Elefanten im Hwange Nationalpark leben und nur wenige Dutzend Tiere pro Jahr Opfer von Wilderern werden, ist eine erfreuliche Entwicklung, an der auch Butcher einen Anteil hat. Als er vor rund 30 Jahren als Ranger angefangen hat, war Wilderei noch ein massives Problem in dem Gebiet, das bereits seit 1930 Nationalparkstatus hat. »Mir ist schnell klar geworden, dass harte Strafen allein keine Lösung sind«, sagt der weiße Simbabwer, der geboren ist, als das Land noch Rhodesien hieß und britische Kronkolonie war. »Längst nicht alle, die Elefanten töten, tun das, weil sie mit Elfenbein das große Geld machen wollen. Es geht schlicht und einfach um Existenznöte«, fährt Butcher fort und erklärt, dass weit mehr als 90 Prozent der Menschen im Land vom Geldverkehr abgeschnitten sind, weil es keine Arbeitsplätze gibt.
Die meisten Simbabwer bestreiten ihren Lebensunterhalt als Selbstversorger – halten etwas Vieh, bauen Mais und Bohnen für den Eigenbedarf an an. »Und genau das ist die Wurzel des Problems. Denn wenn ein Löwe deine Ziege reißt, ein Elefant dein Maisfeld zertrampelt, dann betrachtest du die Tiere als Feinde, die du töten musst, weil sie deine Lebensgrundlage zerstören, weil deine Familie hungern muss.«
Die Idee, dass sanfter Tourismus den Menschen im Ngamo-Land, am Rande des Nationalparks, neue Perspektiven öffnen und so auch Wildtiere nachhaltig schützen könnte, hat den Ranger nicht mehr losgelassen. Um Mitstreiter zu finden, musste er viel Überzeugungsarbeit leisten. »Damals, vor über 20 Jahren, wusste hier niemand, was Tourismus ist und schon gar nicht, welchen Nutzen er bringen könnte.«
Schließlich konnte der Butcher Johnson Ncube für seine Idee gewinnen, einen jungen Schwarzen, der damals gerade das Amt des Dorfoberhauptes von seinem Vater übernommen hatte. Ncube beriet sich mit seinen Leuten, und schließlich verpachtete man einen Teil des Gemeindelandes. Auf dem Pachtland wurden Unterkünfte gebaut, Lodges aus Bambus und Zeltplanen, in denen es Safari-Touristen an nichts mangelt, weder an bequemen Kolonialstil-Himmelbetten noch an komfortablen Bädern, an hervorragenden Speisen und auch nicht an ausgezeichnetem südafrikanischem Wein.
Als Investoren hat Butcher Simbabwer ins Boot geholt, die es als Unternehmer in Großbritannien zu Vermögen gebracht haben. Das Projekt hat man »Imvelo« genannt – in der Ngamo-Sprache heißt das Natur. Die Pacht kommt seither den Dorfbewohnern zugute, fließt unter anderem in die Gemeindeschule, wo 6- bis -14-Jährige unterrichtet werden und ein kostenloses Mittagessen bekommen.
»Weil die Eltern nun von der Tourismusinitiative Zuschüsse zum staatlich verordneten Schulgeld bekommen, ist die Zahl der Schulabbrecher deutlich gesunken«, sagt Johnson Ncube, der inzwischen 65-jährige »Älteste« des Dorfes, und fügt stolz hinzu: »Einige unserer jungen Leute, in der Mehrzahl Mädchen, studieren heute.« Noch wichtiger aber sei, dass inzwischen fast jede Familie jemanden hat, der bei Imvelo arbeitet – in der Küche, im Service oder als Ranger, der mit Gästen auf Safari geht. »Wenn jetzt mal ein Elefant irgendeiner Familie die Ernte zertrampelt, können sich die Leute auf dem Markt in der Stadt Mais und Bohnen kaufen«, sagt Ncube.
Eine ungetrübte Erfolgsstory ist das Imvelo-Projekt dennoch nicht. Unter der despotischen Herrschaft des Dauerpräsidenten Robert Mugabe, der einst als Hoffnungsträger nach der Befreiung von der Kolonialmacht angetreten war, kam es im Jahr 2000 zu gewaltsamen Enteignungen weißer Farmer. Viele Angehörige der weißen Minderheit verließen das Land und die zahlungskräftigen Touristen, vor allem britische, blieben jahrelang fern.
Seitdem Mugabe 2017 abgesetzt wurde, steigen die Buchungszahlen wieder. Butcher stimmt das optimistisch. »Vielleicht werden meine kleinen Töchter dieses Paradies auch ihren Kindern noch zeigen können«, sagt er, als wir später am Tag noch einmal in unserem iErd-Versteck am Wasserloch stehen – ganz nah bei planschenden Elefanten.