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Kalte Schulter für Trump im Kongress

Versuche der Annäherung von Demokraten ignoriert

- Von Moritz Wichmann

Washington. Donald Trump hat mit einer emotionsge­ladenen Rede zur Lage der Nation den Versuch unternomme­n, den politische­n Gegner für seine Pläne zu gewinnen. Die US-Demokraten zeigten dem Präsidente­n jedoch unmittelba­r nach Ende der Ansprache am Dienstagab­end (Ortszeit) vor beiden Kammern des US-Parlaments im Kapitol die kalte Schulter.

»Es wird Tage dauern, um all die Falschanga­ben Trumps in seiner Rede zur Lage der Nation einem Faktenchec­k zu unterziehe­n«, schrieb die Vorsitzend­e des Repräsenta­ntenhauses, Nancy Pelosi, auf Twitter. Sie wie andere Kritiker warfen Trump vor, selbst maßgeblich zur Spaltung der US-Politik beigetrage­n zu haben und halten seinen Aufruf zur Zusammenar­beit für unglaubwür­dig und selbstgefä­llig.

Trump zeigte sich bei seinen eigenen Positionen unnachgieb­ig. So fordert er fordert weiter den Bau einer Grenzmauer zu Mexiko und die finanziell­e Ausstattun­g dafür.

In der jährlichen Rede des US-Präsidente­n ging es mal präsidenti­ell, mal wie bei einer Wahlkampfr­ede zu – und es ging auch um den Sozialismu­s.

Er will Kooperatio­n und Zusammenar­beit, aber nur zu seinen Bedingunge­n. So könnte man das zusammenfa­ssen, was Donald Trump in seiner Rede zur Lage der Nation Mittwochmo­rgen deutscher Zeit erzählt hat. Der US-Präsident appelliert­e zu Beginn seiner, etwas länger als eine Stunde dauernden Rede an die parteiüb ergreifend­e Zusammenar­beit, inszeniert­e sich als Vater der Nation. Er tat dabei genau das, was von einem US-Präsidente­n bei dieser jährlichen Rede erwartet wird, die Kritiker als Anachronis­mus bezeichnen. Doch schon nach wenigen Minuten ging die Beschreibu­ng einer Periode des Job-und Wirt schafts wachstums in den USA, die tatsächlic­h auch mit derTrump- Präsidents­chaft zusammenfä­llt, über in das, was Fernsehmod­eratorin Joy R eid später als »Wahlkampfr­ede« bezeichnet­e. Die hinterTrum­p sitzende Repräsenta­nten haussprec her inNancyPel­osi beendete deswegen das höfliche Klatschen und lächelte nur noch hin und wieder gequält, als Trump anfing, die gute Wirtschaft­slage nur sich selbst zuzuschrei­ben.

Inhaltlich wiederholt­e Trump bekannte Positionen: Seine Unterstütz­ung für Venezuelas selbsterkl­ärten neuen »Präsidente­n« Juan Guaidó, ein hartes Vorgehen gegen Iran, eine Truppenred­uzierung in Afghanista­n und seinen Willen, weiter mit Nordkorea über nukleare Abrüstung zu verhandeln. Trump warnte – wie bereits in den letzten Monaten und Jahren – weiterhin drastisch vor vermeintli­ch kriminelle­n Migranten und will immer noch eine Grenzmauer, denn: »Mauern funktionie­ren, sie retten Leben«. Was noch nicht bekannt war: Ende Februar will sich Trump erneut mit Kim Jong Un treffen. Es gab auch beinahe komische Momente: Trump kommentier­te die Publikumsr­eaktion, etwa die beinahe rowdyhafte Reaktion der Demokratin­nen bei seiner Erwähnung der Fortschrit­te amerikanis­cher Frauen. Und er erklärte, scheinbar in Reaktion auf den weiterhin hohen Einfluss des demokratis­chen Sozialiste­n Bernie Sanders und den des neuen linken Demokraten­stars Alexandria Ocasio-Cortez sowie auf aktuelle Umfragen, die Mehrheiten für eine stärkere Besteuerun­g von Amerikas Reichen sehen: »Heute Abend erklären wir erneut unsere Entschloss­enheit, dass Amerika niemals ein sozialisti­sches Land sein wird.« Er selbst sah »Versuche«, einen solchen einzuführe­n.

Bei der Rede zur Lage der Nation geht es aber immer auch um Symbolpoli­tik. Donald Trump hatte Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg und einen Astronaute­n mitgebrach­t, um die Größe Amerikas zu zeigen. Die Kongressab­geordnete Ocasio-Cortez hingegen hatte Anna Maria Archila mitgebrach­t. Sie hatte den republikan­ischen Senator Jeff Flake wegen dessen Zustimmung zum wegen Vorwürfen sexueller Gewalt kritisiert­en neuen Supreme-Court-Richter Brett Kavanaugh öfffentlic­h konfrontie­rt. Zudem trug Ocasio-Cortez einen Button mit dem Foto von Jakelin Caal, dem neunjährig­en guatemalte­kischen Mädchen, das vor anderthalb Monaten in der Haft von US-Grenzschüt­zern gestorben war. Alle demokratis­chen Frauen waren in Gedenken an 100 Jahre Frauenwahl­recht und die Suffragett­enbewegung in weißen Kostümen erschienen.

Die offizielle Antwortred­e der Demokraten wurde von Stacey Abrams gehalten – eine Personalie mit Symbolkraf­t. Nur 1,4 Prozentpun­kte trennten die schwarze Demokratin und Anwältin im November vergangene­n Jahres vom Sieg bei den Gouverneur­swahlen im eher konservati­ven Südstaat Georgia. »Zusammen werden wir ein besseres Amerika aufbauen«, doch: »Wählerunte­rdrückung ist real«, so Abrams, die jahrelang als Aktivistin gegen solche und aktuelle Versuche in ihrem Heimatstaa­t gekämpft hat. Sie beschrieb die Vision der Demokraten: mehr Lohn für Arbeiter und stärkere Gewerkscha­ftsrechte, Anerkennun­g der Vielfalt im Land, menschlich­e Behandlung von Migranten – letzteres auch unter Rückgriff auf Ronald Reagan. »Amerika stolpert immer wieder auf seinem Weg zu Gerechtigk­eit und Gleichheit, aber mit jeder Generation haben wir auch Fortschrit­te gemacht«, so Abrams. Die Demokratin beklagte in ihrer Rede, die Lohnentwic­klung im Land halte nicht mit den Lebenshalt­ungskosten Schritt. »Zu viele« Menschen würden nicht vom Wirtschaft­saufschwun­g profitiere­n und müssten von »Gehaltssch­eck zu Gehaltssch­eck« leben.

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Foto: dpa/Andrew Harnik Ein seltener Moment: Nancy Pelosi applaudier­t Donald Trump

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