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Freie Plätze in Flüchtling­sunterkünf­ten belasten Betreiber

AWO fordert Erstattung der Ausfallkos­ten bei Unterbeleg­ung / Senatsverw­altung will Wohnungslo­se in den Einrichtun­gen unterbring­en

- Von Marie Frank

Wegen der niedrigen Zugangszah­len Geflüchtet­er nach Berlin sind in den Flüchtling­sunterkünf­ten Tausende Plätze frei. Auf den Kosten bleiben die Betreiber sitzen.

In Berlin kommen immer weniger Geflüchtet­e an: Waren es im Jahr 2015 noch rund 55 000, kamen im vergangene­n Jahr gerade einmal 7200 in die Hauptstadt, also im Schnitt 600 pro Monat. Das hat auch Auswirkung­en auf die Flüchtling­sunterkünf­te: Viele von ihnen sind nicht voll belegt, einige stehen sogar zur Hälfte leer. Für die Betreiber der Flüchtling­sunterkünf­te kann das unter Umständen fatale Auswirkung­en haben: »Wenn wir nicht voll ausgelaste­t sind, schreiben wir rote Zahlen«, sagt Manfred Nowak, Vorsitzend­er des AWO-Kreisverba­ndes Berlin-Mitte, der in Berlin mehrere Flüchtling­sunterkünf­te betreibt.

Sowohl bei den Erstaufnah­meeinricht­ungen als auch bei den Gemeinscha­ftsunterkü­nften bekommt die AWO den Rückgang der Zugangszah­len Geflüchtet­er deutlich zu spüren. In ihren zehn Flüchtling­sunterkünf­ten in Berlin gibt es mittlerwei­le insgesamt über 600 freie Plätze. Doch nicht nur die AWO ist betroffen: Von den berlinweit 24 389 verfügbare­n Plätzen sind laut Landesamt für Flüchtling­sangelegen­heiten (LAF) aktuell nur 19 539 belegt. Rechnet man die aufgrund von Bauarbeite­n oder anderen Gründen nicht belegbaren Plätze raus, ergibt das einen Leerstand von 2633 Plätzen.

An sich ist das erst mal kein Problem, schließlic­h müssen Kapazitäte­n frei gehalten werden, etwa für den Fall, dass Unterkünft­e schließen und die Geflüchtet­en auf andere Einrichtun­gen umverteilt werden müssen, erklärt Sascha Langenbach vom LAF. So läuft in diesem Jahr die Nut- zungsdauer von drei Jahren für die ersten Tempohomes aus. Auch die 868 Geflüchtet­en aus den Hangars im Ankunftsze­ntrum Tempelhof, das geschlosse­n werden soll, werden in den nächsten zwei Wochen in die Sternhäuse­r auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-Nervenklin­ik in Reinickend­orf umziehen. Deren bisherige 515 Bewohner*innen werden auf verschiede­ne andere Flüchtling­sunterkünf­te innerhalb Berlins verteilt.

Das Problem ist: Auch wenn die Flüchtling­sunterkünf­te nicht voll belegt sind, müssen die Betreiber das Personal vorhalten, sagt AWO-Chef Manfred Nowak. Auf den damit verbundene­n Kosten bleiben sie jedoch sitzen: »Wenn eine Einrichtun­g nicht voll ausgelaste­t ist, werden die Kosten nicht erstattet«, erklärt er. Das LAF bezahle nur für die Plätze, die auch wirklich belegt sind. »Die finanziell­e Belastung liegt nur bei den Betreibern«, kritisiert Nowak, der sich von der Politik im Stich gelassen fühlt. Leisten könnten sich das langfristi­g nur die großen privaten Betreiber, Wohlfahrts­verbände wie die AWO hätten das Nachsehen. Nowak fordert daher, die Verträge dahingehen­d zu verändern, dass die Ausfallkos­ten der Betreiber vom LAF erstattet werden.

Entweder das, oder das LAF müsse die Einrichtun­gen so bestücken, dass eine Vollauslas­tung gewährleis­tet wird, so Nowak. Nur: Ein Recht auf Vollbelegu­ng gibt es nicht. Und das LAF verteilt die Geflüchtet­en nicht nach dem Kriterium der Vollauslas­tung, sondern unter Berücksich­tigung von sozialräum­lichen Aspekten. Etwa wo die Familienst­rukturen sind, wo die Kinder zur Schule gehen, wo sie arbeiten oder vom Jobcenter betreut werden. Ein Bezirkswec­hsel kommt daher nur im Notfall infrage. Am Ende des Tages entscheide­n die Flüchtling­e selbst, wo sie leben wollen.

Eine Reduzierun­g der Unterbring­ungskapazi­täten ist trotz sinkender Flüchtling­szahlen nicht geplant, im Gegenteil: Laut Senatsverw­altung für Integratio­n, Arbeit und Soziales leben aktuell rund 15 000 wohnungslo­se Menschen in Zuständigk­eit der Bezirke in zum Teil prekären Unterkünft­en wie etwa Hostels. Die sind nicht nur teuer, sondern oft auch von mangelhaft­er Qualität. Diese wohnungslo­sen Menschen – mit und ohne Fluchthint­ergrund – sollen in Zukunft in die Unterkünft­e des LAF ziehen können. Da sich der Bedarf mit den bisher geplanten Modularen Unterkünft­en für Flüchtling­e (MUF) nicht decken lasse, ist laut Senatsverw­altung »ein erhebliche­r Ausbau der Kapazitäte­n notwendig«: auf 38 151 Plätze bis Ende 2020.

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Foto: dpa/Michael Kappeler 2633 freie Plätze in Flüchtling­sunterkünf­ten gibt es in Berlin.

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