Kommunen pochen auf Klarheit
Präsident des Städtebundes will rasche Entscheidung, ab wann Straßenbeiträge wegfallen
Mit der Forderung nach einer schnellen Entscheidung über die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge hat sich der neue Präsident des Städte- und Gemeindebundes beim Ministerpräsidenten vorgestellt.
Beim Thema Abschaffung der Straßenausbaubeiträge wird es immer unterschiedliche Ansichten geben, eine Lösung ist noch nicht in Sicht. »Diskussionen kommen so oder so«, sagte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) vor dem Antrittsbesuch des neuen Präsidenten des Städteund Gemeindebundes Brandenburgs, Oliver Hermann (parteilos) in der Potsdamer Staatskanzlei. Die beiden trafen sich am Dienstagnachmittag.
Wenn die Anlieger den Beitrag nicht mehr entrichteten, müsse es der Steuerzahler tun, gab Woidke zu bedenken. Er schilderte seinen eigenen, ganz persönlichen Fall. Er wohne am Ende einer Sackgasse, sei quasi der einzige Nutzer dieser Straße. »Wenn es so ist, ist es dann richtig, die Allgemeinheit zahlen zu lassen?« In Brandenburg gelte eine strikte Konnexität, das heißt, wenn der Landtag den Menschen die Beiträge erlasse, dann müsse der Landeshaushalt auch die entstehende Kostenlücke füllen.
Nachdem sich SPD und LINKE lange Zeit dagegen gesträubt hatten, die Anliegerbeiträge für den Straßenausbau zur Diskussion zu stellen, änderten sie ihre Position, als eine Volksinitiative zur Abschaffung dieser Gebühren Anfang Januar im Landtag mehr als 108 000 Unterschriften übergab. Nun gilt es für die Regierungsparteien, einen Weg zu finden, diese Gebühren auf eine Art und Weise abzuschaffen, dass dies eine weitgehende gesellschaftliche Akzeptanz findet. Die SPD hat angekündigt, im Februar ein Konzept vorzulegen.
Der neue Präsident des Gemeindebundes, hauptberuflich Bürgermeister von Wittenberge (Prignitz), mahnte dringend die rasche Herstellung von Rechtssicherheit in dieser Frage an. Wenn dies auf die lange Bank geschoben werde, drohe Baustopp, drohe Stillstand. Die Kommunen bräuchten bezogen auf die Geldquellen Sicherheit. Fehle die, bleibe ihnen nichts anderes übrig, als die geplanten Baumaßnahmen vorerst abzublasen. Zu den wichtigsten Fragen gehöre die Stichtagsregelung, das heißt, eine verbindliche Festlegung, von wann an die Gebührenfreiheit für den Bürger bestehe. Er schlug dafür rückwirkend den 1. Januar 2018 vor.
Zunächst hatte sich der Städte- und Gemeindebund entschieden gegen diese Abschaffung gewehrt. Geschäftsführer Jens Graf nannte die Neuorientierung der LINKEN in dieser Frage gar »absoluten Populismus«. Die diskutierte Übernahme von Kosten in Höhe von 25 Millionen Euro jährlich durch das Land reiche jedenfalls bei weitem nicht aus, unterstrich er. »Da gehört eine Null heran.« Der Städte- und Gemeindebund hatte Berechnungen vorgelegt, wonach sich der Investitionsbedarf für die kommunalen Straßen in Brandenburg auf rund 2,77 Milliarden Euro beläuft.
Woidke wies darauf hin, dass beim genannten Stichtag 1. Januar 2018 sich jene, die noch 2017 die Gebühren für ihre Straßenerneuerung zahlen mussten, benachteiligt fühlen würden. Hier zu schlichten, »wird nicht ganz einfach sein«, mutmaßte er. Ein Baustopp sei ebenfalls inakzeptabel. Die Gegner der Straßenausbaugebühren hatten angemahnt, dass eine Reihe von Bundesländern mit dieser Forderung gegenüber den Bürgern schon Schluss gemacht und die Gebühren abgeschafft haben. Der Ministerpräsident forderte auf, sehr genau hinzusehen. Denn in verschiedenen Fällen handle es sich wohl um eine »vermeintliche« Abschaffung.
Ein Erörterungsgegenstand zwischen dem Land und seinen Kommunen bleiben auch die Abwasser- anschlussbeiträge, um die es lange Unsicherheit gegeben hat. Damit ungerechtfertigte Geldforderungen gegenüber den Bürgern rückerstattet werden können, hat das Land den zuständigen Zweckverbänden einen 40Millionen-Topf angeboten und die Kredite daraus 20 Jahre lang rückzahl- und tilgungsfrei gestellt. Laut Woidke wird von dieser Möglichkeit immer stärker Gebrauch gemacht.
Er verwies auf die Verbesserung der Gemeindefinanzierung durch die Regierungskoalition. Im Raum stehe das Thema der Teilentschuldung von kreisfreien Städten wie Cottbus, Frankfurt (Oder) und Brandenburg/Havel. Gemeindebundpräsident Hermann kündigte eine kritische Begleitung der Regierungsarbeit an. Man werde aber auch nicht zu allem Nein sagen. Als Beispiel für eine gelungene Zusammenarbeit nannte er das kürzlich geänderte Gesetz für den Brandund Katastrophenschutz. Hier sei die Handschrift des Bundes erkennbar.
In November kam das Land den Kommunen ein weiteres Mal entgegen und kündigte eine finanziellen Besserstellung von »Grundfunktionalen Schwerpunkten« mit jährlich 100 000 Euro extra an. Weiterhin sollen kommunale Abgeordnete künftig mit einer Entschädigung für Kinderbetreuung rechnen können. Dies sei ein Beitrag, um das »kommunale Ehrenamt zu stärken«, hieß es zur Begründung seitens der LINKEN. Wenn junge Frauen sich in die Vertretungen wählen lassen wollen, dann »muss diese Frage geklärt sein«.
Unter andrem soll den Fraktionen in den Kommunalvertretungen mehr Spielraum beim Einsatz ihrer Fraktionsmittel zugestanden werden, ferner die Einstellung von hauptamtlichen Mitarbeiter insbesondere in Kreistagen. Bestandteil des Programms zugunsten der kommunalen Abgeordneten ist ebenfalls eine »Musterregelung zur Reisekostenentschädigung«. Angeregt wird, die Qualifizierungsmaßnahmen als Bildungsfreistellung anzuerkennen. Hintergrund ist die Erfahrung, dass es bei den vergangenen Kommunalwahlen Regionen gab, wo sich schon nicht mehr genügend Bewerber um die kommunalen Mandate gegeben hatte.
Im vergangenen Oktober hatten die Spitzenvertreter des Städte- und Gemeindebundes die Landesregierung aufgefordert, sich in ihrer Planung »von der Berlin-Zentriertheit zu verabschieden« und in der Landesplanung die Vielseitigkeit und Differenziertheit anzuerkennen. Es ginge nicht an, dass die Großstadt Cottbus in der Landesplanung als »ländlicher Raum« aufgeführt werde.