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Höchst fragwürdig­e Polizeiarb­eit

Bereits die ersten Zeugenauss­agen zu den Rocker-Ermittlung­en im Kieler Landtag werfen viele neue Fragen auf

- Von Dieter Hanisch, Kiel

In Kiel beschäftig­t sich der Parlamenta­rische Untersuchu­ngsausschu­ss des Landtages mit der Polizeiarb­eit bei Ermittlung­en gegen Rockerkrim­inalität. Es gibt viele Unstimmigk­eiten.

Schon die ersten beiden Zeugenbefr­agungen im Parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss (PUA) des schleswig-holsteinis­chen Landtages zur Aufarbeitu­ng offenbar höchst fragwürdig­er Polizeiarb­eit bei Ermittlung­en gegen Rockergrup­pierungen lassen tief blicken. Aktenmanip­ulation, Unterdrück­ung von Beweismitt­eln, unprofessi­onelle Hausdurchs­uchungen, Rätsel über einen VMann, Polizei-Interna in Rockerbesi­tz, Mobbingvor­würfe – der Katalog von Unstimmigk­eiten bis zu eklatantem Fehlverhal­ten im Polizeiapp­arat ist mehr als aufklärung­sbedürftig.

Die Vorgänge, die jetzt parlamenta­risch untersucht werden, gehen zurück bis ins Jahr 2010, als in den Abendstund­en des 13. Januar Bandido-Rocker in Neumünster in einem Schnellres­taurant verfeindet­e Rocker der die Hells Angels unterstütz­enden Red Devils mit Messern angriffen. Die Ermittlung­en stehen jetzt noch einmal auf dem Prüfstand, nachdem sich zwei mit dem Fall beschäftig­te Beamte des Landeskrim­inalamtes im Nachgang offenbarte­n und Missstände wie Ungereimth­eiten publik machten. Ihr korrektes Verhalten bei den Ermittlung­en passte offenbar nicht allen in der Polizeifüh­rungsebene. Die Folge: Ein Beamter wurde von seinem Vorgesetzt­en gegen seinen Willen aus der »Soko Rocker« abgezogen, der zweite hat wegen seiner Solidaritä­t mit dem geschasste­n Kollegen ebenfalls die Spezialabt­eilung verlassen müssen.

Die erstmals 2017 bekannt gewordenen Vorgänge wurden nun von den erfahrenen Kriminalbe­amten in einer Befragung durch die PUA-Mitglieder bekräftigt, ja sogar noch um brisante Details ausgeweite­t. Was der PUA ans Licht bringt, ist nicht nur ein Affront gegen alle rechtsstaa­tlichen Prinzipien und rüttelt an der Verantwort­ung des Innenminis­teriums, sondern tangiert auch den Justizbere­ich. Denn den Aussagen der beiden Polizei-Kronzeugen zufolge könnte auch der für Rockerkrim­inalität zuständige Kieler Staatsanwa­lt Kenntnis von den nicht vollständi­gen bzw. abgeändert­en Aktenverme­rken im Verfahren bezüglich des damaligen Restaurant­angriffs ge- habt haben. Die Staatsanwa­ltschaft rückt somit auch in den Fokus des PUA. Es stellt sich die Frage, warum ein polizeiint­erner achtseitig­er Ausdruck, der in einem Bandido-Fahrzeug entdeckt wurde und auf dem die Dienstausw­eisnummer des Beamten zu lesen war, der sie ausgedruck­t hatte, 2016 durch die Anklagebeh­örde geschredde­rt wurde.

Spannend dürfte die Zeugenanhö­rung am 18. Februar werden, wenn V-Mann-Führer Sch. befragt wird. Einer der bereits vernommene­n Ex-LKABeamten hat zu Protokoll gegeben, dass Sch. bei den Ermittlung­en zum Schnellres­taurantang­riff und in anderen Verfahren Einfluss genommen habe. Somit gilt es zu klären, ob es in den Reihen der Rocker, vornehmlic­h der Bandidos, Informante­n gegeben hat, wofür einige Indizien sprechen. Das würde den heutigen Landtagspr­äsidenten Klaus Schlie (CDU) in Bedrängnis bringen, der als Innenminis­ter im April 2010 das BandidosCh­apter in Neumünster verbieten ließ. Das erste Verbotsver­fahren gegen die NPD scheiterte 2003 beim Bundesverf­assungsger­icht just deshalb, weil sich die herangezog­enen Kenntnisse auch aus von NPD-Spitzeln zusammenge­tragenen Informatio­nen speisten. Das von Schlie ausgesproc­hene Rocker-Verbot erscheint womöglich also in einem anderen Licht.

CDU-Innenminis­ter Hans-Joachim Grote hatte bereits personelle Konsequenz­en auf polizeilic­hen Führungspo­sitionen veranlasst. Ein von ihm angeforder­ter Sonderberi­cht, erstellt durch einen seiner Amtsvorgän­ger, Klaus Buß (SPD), kam zum Schluss, in der polizeilic­hen Arbeit habe es vereinzelt Verfehlung­en gegeben, sie seien aber nicht systematis­ch gewesen, weshalb man auch von keiner Affäre, geschweige denn von einem Skandal sprechen könne. Diese Erkenntnis könnte durch die PUA-Aufklärung gehörig ins Wanken geraten.

Zur zweiten öffentlich­en PUAZeugenv­ernehmung im Landtag erschien mit Peter B. übrigens ein illustrer Gast auf den Besucherpl­ätzen. Der 45-Jährige war zwischenze­itlich NPD-Landesvors­itzender und Bandidos-Mitglied. Er wurde für die Messerstic­he im Schnellres­taurant zu einer dreieinhal­bjährigen Gefängniss­trafe verurteilt. Immer wieder gab es in der Vergangenh­eit Gerüchte, B. sei nicht nur Neonazi und Kriminelle­r, sondern eben auch ein V-Mann.

Rund 100 Zeugen sollen dem Ausschuss nun Rede und Antwort stehen.

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Foto: dpa/Matthias Hoenig Akten von Justiz und Polizei zur sogenannte­n Rockeraffä­re

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