Ines Wallrodt Befristete Jobs und flexible Arbeitszeiten
Union koppelt Beschränkung von Befristungen an flexiblere Arbeit.
Millionen Beschäftigte leiden unter prekären Arbeitsbedingungen wie befristeten Jobs. Die Einschränkung sachgrundloser Befristungen gehört deshalb zu den wichtigsten Versprechen der SPD in dieser Legislatur. Bis zu 800 000 Arbeitsverträge könnten von der geplanten Änderung erfasst werden, sagt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Sie würde besonders jungen Arbeitnehmern zugute kommen. »Bei den unter 35-Jährigen haben fast 20 Prozent einen befristeten Arbeitsvertrag«, sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD, Kerstin Tack, dem »nd«. Anfang Februar wollte Arbeitsminister Hubertus Heil eigentlich seinen Referentenentwurf vorstellen, der Befristungen einschränkt. Doch nun grätscht die Union dazwischen und könnte den Sozialdemokraten ausgerechnet das Vorhaben vermasseln, das ihnen bei Gewerkschaften und Beschäftigten Punkte bringen sollte.
Die Union will ihre Zustimmung zum Befristungsgesetz daran knüpfen, dass sie eines ihrer Wunschprojekte durchsetzt: eine Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes. Beide Vorhaben – beschränkte Befristungen und flexiblere Arbeitszeiten – stehen im Koalitionsvertrag. Konkrete Pläne liegen bisher aber nur für die Einschränkung von Befristungen vor. Für das im Koalitionsvertrag festgelegte Ziel, eine Flexibilisierung der Höchstarbeitszeit in tarifgebundenen Betrieben zu ermöglichen, gibt es bisher keine ausgearbeitete Vorlage. Das Befristungsgesetz dürfte sich dadurch zumindest verzögern. Das Arbeitsministerium will derzeit keinen konkreten Zeitplan mehr dafür nennen.
Offenbar befürchtet man in der Union, der Arbeitsminister könnte die geplanten »Experimentierräume« für flexiblere Arbeitszeiten aussitzen. Tatsächlich hat Heil bislang wenig Ambitionen gezeigt, das Vorhaben voranzutreiben. Während Unionspolitiker keine Gelegenheit ausließen, an die »nötige Flexibilisierung der starren Arbeitszeitvorgaben« zu erinnern, fiel bei den Sozialdemokraten allenfalls auf, dass sie nicht darüber sprachen.
»Für uns ist ganz klar, dass beide Themen zusammen gedacht werden müssen und dass sie unter die Überprüfung gestellt werden müssen, wie sich die wirtschaftliche Situation weiter entwickelt«, versprach CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer Ende Januar der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und kündigte an, beides zusammen im Koalitionsausschuss diskutieren zu wollen. Der nächste Termin für das Treffen der Parteiund Fraktionsvorsitzenden von CDU, CSU und SPD ist für den 13. Februar angesetzt.
Die Arbeitszeitflexibilisierung wollen die Unternehmervertreter, gegen die Begrenzung von befristeten Arbeitsverträgen machen sie jedoch seit Wochen mobil. Den Unternehmen sei bereits viel Flexibilität genommen worden, klagen sie, etwa durch Einführung der befristeten Teilzeit. Es sei deshalb höchste Zeit, auch der Wirtschaft einen Wunsch zu erfüllen und beim Arbeitszeitgesetz Regelungen zur Höchstarbeitszeit und zu Ruhezeiten »flexibler« zu gestalten.
Der DGB warnt hingegen vor einem »Kuhhandel auf dem Rücken der Beschäftigten«. »Die sachgrundlose Befristung gehört ohne Wenn und Aber abgeschafft«, fordert Bundesvorstandsmitglied Annelie Buntenbach gegenüber dem »nd«. Die vom Heil-Ministerium geplante Regelung geht allerdings längst nicht so weit. Der Koalitionskompromiss sieht eine Beschränkung solcher Verträge auf 2,5 Prozent der Belegschaft vor, in Betrieben mit mehr als 75 Beschäftigten. Damit würden solche Verträge nicht abgeschafft, ihre Zahl aber immerhin halbiert.
Nun soll, wenn es nach der Union geht, diese Reform noch mit Aufweichungen in der Arbeitszeitregulierung verkoppelt werden. Laut Koalitionsvertrag soll bislang lediglich tarifgebundenen Unternehmen erlaubt werden, mittels Betriebs- und Dienstvereinbarungen mit der Höchstarbeitszeit zu experimentieren. Die Idee geht auf die SPD zurück. Andrea Nahles hatte in ihrer Zeit als Arbeitsministerin die Stimmen einzelner Betriebsräte aufgegriffen, die stark genug sind oder zu sein glauben, auf diesem Wege Verbesserungen für die Beschäftigten durchzusetzen.
Die SPD-Linke Tack äußert sich nicht direkt zu Kramp-Karrenbauers Vorstoß, legt aber Wert auf die Feststellung, der Koalitionsvertrag habe der Forderung der Arbeitgeberverbände nicht entsprochen, wegen der Digitalisierung und Vernetzung der Arbeitswelt das Arbeitszeitgesetz zur Verkürzung der Ruhe- und Ausweitung der Höchstarbeitszeiten zu ändern. Bei der Linkspartei sorgt das Vorgehen der Union für Empörung. Fraktionsvize Susanne Ferschl sieht darin einen »Erpressungsversuch« und mahnt die SPD: »Das Arbeitszeitgesetz ist ein Schutzgesetz und darf dem vermeintlichen Koalitionsfrieden nicht geopfert werden.«
Auch der DGB will lieber gar nicht am Gesetz rühren. »Die Aufweichung des Acht-Stunden-Tags lehnen wir entschieden ab«, sagt Buntenbach und erinnert daran, dass schon heute diese Grenze für viele Beschäftigte nur auf dem Papier stehe. Jahr für Jahr würden knapp zwei Milliarden Überstunden geleistet, davon eine Milliarde unbezahlt. »Deshalb brauchen wir auch bei mobiler Arbeit oder »Home Office« Regeln zur Einhaltung des Acht-Stunden-Tags und keine Experimente zu einer noch stärkeren Ausweitung der Arbeitszeiten«, so Buntenbach.