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Stephan Kaufmann hasst Politikerf­reundschaf­ten

Stephan Kaufmann über Freundscha­ft

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Freundscha­ft ist eine feine Sache. In Umfragen zu Bedingunge­n der Lebenszufr­iedenheit rangiert sie weit vorne, zusammen mit Familie, Gesundheit und finanziell­er Sicherheit. Freundscha­ft zwischen Menschen beruht auf Zuneigung, auf gemeinsame­n Interessen, sie beinhaltet meist ein gewisses Maß an Empathie und Uneigennüt­zigkeit. Auch Politiker sprechen gern von Freundscha­ft – zwischen Staaten. Und das ist eine eher unangenehm­e Sache.

Das »britische Volk« sei unser »Freund auf der anderen Seite des Kanals«, schrieben jüngst prominente Politiker fast aller deutscher Parteien in einem offenen Brief. »Vom Grunde unseres Herzens möchten wir, dass Großbritan­nien (in der EU) bleibt.« Im Falle eines Brexit hätte das Land »immer Freunde in Deutschlan­d«. Der sentimenta­le Text operiert mit einem Gefühl, das gerade nicht auf persönlich­er Bekanntsch­aft oder individuel­len Vorzügen beruhen soll, sondern ausgerechn­et auf einer dem Menschen gänzlich äußerliche­n Eigenschaf­t: seiner Nationalit­ät. Sie allein soll die Herzen bewegen: Wir mögen die Briten, weil sie Briten sind. Die Zuneigung stiftet der Pass.

Mit Frankreich hat die Bundesregi­erung nun sogar einen neuen »Freundscha­ftsvertrag« geschlosse­n. »Freundscha­ft« suggeriert Gemeinsamk­eit. Davon scheint es zwischen Berlin und Paris allerdings nicht allzu viel zu geben, sonst wäre kein Vertrag nötig, mit dem man sich zur Gemeinsamk­eit quasi verpflicht­et, indem man sie in Rechtsform gießt.

EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker lobte den Vertrag, da »unter Streit zwischen Deutschen und Franzosen die Nachbarn oft sehr gelitten« hätten und die »deutsch-französisc­he Freundscha­ft Garant für eine friedliche Zukunft in Europa« sei. Bundesauße­nminister Heiko Maas erinnerte an »die lange von Feindschaf­t geprägte Geschichte« der beiden Staaten.

Wir lernen: Die erneuerte Freundscha­ft beruht auf einer partiellen Interessen­identität, zu deren Wohle die Staaten darauf verzichten, wie früher übereinand­er herzufalle­n, wobei die Gründe dafür, übereinand­er herfallen zu wollen, durch den Freundscha­ftsvertrag nicht beseitigt werden, sondern nur eine neue Verlaufsfo­rm bekommen. Die Substanz der Interessen­identität besteht im Wesentlich­en aus einem gemeinsame­n Feind: Die Kooperatio­n ist wichtig, um gegen andere Weltmächte zu bestehen, weswegen Inhalt des Freundscha­ftsvertrag­s vor allem die gemeinsame Aufrüstung ist.

So viel Freundscha­ft ist schon herzerwärm­end.

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