Tim Zülch Ein Start-up plant eine Surfanlage in Berlin
Wer in Berlin wohnt, muss künftig kein Flugticket mehr buchen, um surfen zu können.
Eirik Randow ist 29 Jahre alt, hat schulterlange blonde Locken, kräftige Oberarme und kommt ins Schwärmen, wenn er über das Projekt spricht, das er und drei Mitstreiter bald umsetzen wollen. Die Pläne der Studienabsolventen wirken fast utopisch: Eine riesige Wasserfläche in der Form eines Baseballfeldes mit künstlichen Wellen zum Surfen und einer flexiblen Dachkonstruktion, die sich bei Bedarf öffnen und schließen lässt. »Etwa hundert Surfer könnten hier gleichzeitig surfen«, schwärmt Randow, der das Projekt maßgeblich angeschoben hat. Über sechs Hektar Fläche sucht das Start-up Surf Era, das die vier Surfverrückten gegründet haben, für das Projekt momentan in und um Berlin. Außerdem seien sie auf der Suche nach einem Geldgeber, der bereit ist, 40 Millionen Euro zu investieren.
Randow hat seine Hausaufgaben gemacht: Wenn man mit ihm spricht, scheint es, als braucht Berlin nichts dringender als einen Wellenpark. »Surfen ist mehr als ein Sport, es ist ein Lifestyle, und die Leute identifizieren sich damit«, sagt Randow. Die Zahlen geben ihm teilweise recht. So hat das Allensbacher Institut herausgefunden, dass die Zahl der Menschen, die wenigstens »ab und zu« surfen, zunimmt. Waren es 2014 noch 2 Prozent sind es mittlerweile fast 2,5 Prozent der befragten Personen – keine riesige Steigerung, aber wenn man bedenkt, dass es in Deutschland nur eine Handvoll Wellenreitspots gibt, sind insgesamt 400 000 Surfer doch eine ganze Menge.
Dass das Surfen im Kommen sei, merke man auch an den international angesagten Wellenreitspots, berichtet Randow. »An vielen Spots sind die Kapazitäten erschöpft und es herrscht bereits Überfüllung. Die Folge ist, dass beispielsweise Verletzungen zunehmen.« Da wolle er einhaken und die Mög- lichkeit schaffen, dass die steigende Zahl von Surfern ihren Sport auch in Wohnortnähe ausüben können. Schließlich sei es »ökologischer, hier zu surfen, als haufenweise Treibstoff zu verbrauchen, um an die angesagten Surfspots zu reisen«.
Damit die Rechnung aufgeht, wollen die Junginvestoren versuchen, ihren künstlichen Surfspot klimaneutral zu betreiben. Randow geht sogar davon aus, dass man durch die Nutzung von Solar- und Erdwärme mehr Energie erzeugen könne, als gebraucht werde. Dafür erstelle sein Mitstreiter und studierter Ingenieur Marvin Thams gerade ein Konzept.
Einen Schub für das Wellenreiten gibt es aktuell, da der Sport olympische Disziplin geworden ist und es 2020 bei den Olympischen Spielen in Tokio einen Surfwettbewerb geben wird. Eine Entscheidung, die in der Surfcommunity nicht auf ungeteilte Zustimmung stößt. »Das Risiko ist der Ausverkauf der Sportart«, gab beispielsweise Philipp Kuretzky, Präsident des Deutschen Wellenreitverbands, im Deutschlandfunk zu bedenken. Sponsoren dürften »nicht zu viel Einfluss bekommen«, um zu vermeiden, dass »sich dadurch der Sport zu sehr verändert«. Das »Surfers Mag« veröffentlichte sogar eine Liste mit zehn Gründen, wieso Wellenreiten nicht olympisch werden sollte.
Im Berliner Bezirk Lichtenberg allerdings spekuliert man auf den Schub, den die Olym- pia-Anerkennung bringen wird. Bereits im Frühjahr soll direkt an der Landsberger Allee und in der Nähe des Sportforums eine kleinere Surfhalle mit Namen Wellenwerk eröffnet werden. Die Betreiber schauen zuversichtlich auf Surfen als olympischen Sport und erwarten, dass im »Wellenwerk auch Wettbewerbe auf lokaler, nationaler sowie internationaler Ebene stattfinden«.
Auch in Lichtenberg ist ein junges Team aus Surffreunden für die geplante Halle am Werk und die Rahmenkoordinaten schon wesentlich klarer: Knapp zehn Meter breit und 18 Meter lang wird hier das Becken sein, wofür momentan eine alte Lagerhalle umgebaut wird. Auch hier soll der Betrieb klimaneutral mit Ökostrom stattfinden und durch ein »Wärmerückgewinnungssystem« Energie gespart werden. Neben einer angesagten Cocktailbar namens Velvet wird das Restaurant RosaLisbert von Robert Havemann von den Arminiushallen in Moabit nach der Eröffnung hierhin umziehen. »Das Wellenwerk ist voll und ganz auf den Komfort seiner Besucher ausgerichtet«, schreiben die Macher in einer Pressemitteilung.
Europaweit gibt es momentan eine Reihe solcher Initiativen für Wellenparks. Marktführer sind das spanische Unternehmen Wavegarden rund um den spanischen Erfinder José Manuel Odriozola und das Unternehmen Citywave aus dem Münchner Vorort Martinsried, das hauptsächlich Surfbecken mit Wellenbreiten zwischen 7,5 und 16 Metern anbietet. In München und in Osnabrück sind Citywave-Anlage bereits in Betrieb. Dabei wird eine stehende Welle erzeugt, die bis zu 1,60 Meter hoch werden kann. Wavegarden bietet deutlich andere Dimensionen. In Wales beispielsweise wurde 2015 der erste öffentliche Wavegarden mit 50 mal 100 Metern Ausmaß eröffnet und zieht jährlich 150 000 Besucher an. In der Nähe der nie- dersächsischen Stadt Stade ist die Eröffnung eines Waveparks im Jahr 2022 geplant.
Die Frage, ob Berlin wirklich eine künstliche Wellenreitanlage braucht, beantwortet Randow differenziert. Ihm gehe es nicht darum, den Ozean zu ersetzen, sondern ihn »harmonisch zu ergänzen«. Auf keinen Fall wolle er mit seinem Projekt in Konflikt mit dem notwendigen sozialen Wohnungsbau treten. Darum verfolge man die Realisierung auf einem Grundstück am Stadtrand, »auf dem nicht gebaut werden kann«, so Randow. Die genaue Lage will er noch nicht preisgeben, nur soviel: »Es befindet sich im Südosten in der Nähe der Stadtgrenze.«
»Surfen ist mehr als ein Sport, es ist ein Lifestyle, und die Leute identifizieren sich damit.« Eirik Randow, Surf Era