nd.DerTag

Mythos Gebärmasch­ine

-

Diskussion­en zum Thema Schwangers­chaftsabbr­uch – ach, warum eigentlich nicht? Es ist 2019, und wir haben ja sonst nichts zu tun, als wieder und immer wieder durchzukau­en, was längst erkämpft wurde und zivilisato­rischer Standard sein sollte. Und so geht es natürlich nie nur darum, wie man Verbesseru­ng anstreben kann – aktuell wäre das eine Änderung der Gesetzesla­ge, um für Frauen und Ärzte einfachere Bedingunge­n zur Durchführu­ng von Abbrüchen zu schaffen. Nein, es geht immer auch ums Prinzip, um das Überhaupt, und dann fängt man mit dem ganzen Kram wieder von vorn an und kommt nicht weiter, weil man sich nie um Konkretes, sondern um Grundsätzl­iches kümmern muss. Dabei ist der Anstoß zur aktuellen Debatte durchaus sehr konkret: Es geht darum, ob § 219a es zulässt, dass Ärzte wirklich ausreichen­d informiere­n können. Es geht darum, ob Frauen Zugang zu Informatio­nen bekommen, wo und wie sie Abbrüche durchführe­n lassen können. Oder ob beide Parteien durch die Gesetzesla­ge bevormunde­t werden.

Stattdesse­n wird thematisie­rt, ob Schwangers­chaftsabbr­üche überhaupt moralisch zu rechtferti­gen sind – und nicht selten werden dann die Spätabbrüc­he nach der zwölften Woche ins Spiel gebracht, obwohl diese gar nicht Gegenstand der aktuellen Debatte sind. Und so müssen Frauen sich wieder rechtferti­gen, ganz gleich, ob sie Abbrüche schon vornehmen lassen haben oder nicht, ob sie mit dem Gedanken spielen oder nicht. Immer wieder hört man Frauen und Männer sagen, es sei »eine schwere Entscheidu­ng«, »keine Frau macht sich die Entscheidu­ng leicht« und so weiter. Es ist eine defensive Haltung, weil man um die Angriffe weiß. Aber so ist es nicht: Nicht wenigen Frauen fällt es sehr wohl leicht. Doch der Mythos der um die nicht ausgetrage­ne Schwangers­chaft trauernden Frau ist nicht totzukrieg­en. Immer wieder werden Studien bemüht, die zeigen sollen, dass Frauen nach einem Abbruch traumatisi­ert sind. Doch es gibt keinen nachweisba­ren Zusammenha­ng zwischen Abbruch und Depression, vielmehr ist es so, dass die meisten Frauen erleichter­t sind, wie von Erica Millar in ihrem Buch »Happy Abortions« nachgewies­en wurde.

Aber wir werden nicht aufhören können, um Selbstvers­tändliches zu kämpfen und uns zu verteidige­n, wenn wir die Diskussion­en wieder bei null beginnen und Frauen weiterhin als Gebärmasch­inen betrachten, deren größtes Ziel die Mutteriden­tität ist. Einige Frauen wollen keine Kinder oder keine weiteren. Fertig. Frauen sind nicht alle gleich und sind nicht programmie­rt auf die »Empfängnis«. Sie sind vernunftbe­gabte Wesen, die individuel­le Entscheidu­ngen treffen und damit unterschie­dlich umgehen. Dieser Umstand scheint noch immer nicht überall angekommen zu sein; und aktuelle Diskussion­en zeigen, dass zu viele noch diesen misogynen Mythen unterliege­n. Diese endlich hinter uns zu lassen, ist jedoch Voraussetz­ung für jede weitere Debatte.

Abgebügelt

 ?? Grafik: 123RF/shadowalic­e ?? Paula Irmschler ist freie Autorin und kümmert sich an dieser Stelle alle 14 Tage um Dinge, denen man nur mit Heißdampf begegnen kann. Die Kolumne unter: dasND.de/abgebuegel­t
Grafik: 123RF/shadowalic­e Paula Irmschler ist freie Autorin und kümmert sich an dieser Stelle alle 14 Tage um Dinge, denen man nur mit Heißdampf begegnen kann. Die Kolumne unter: dasND.de/abgebuegel­t

Newspapers in German

Newspapers from Germany