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Kürzer, aber immer noch zu lange

- Von Markus Drescher

Asylbesche­ide dauern im Schnitt gut sechs Monate. Das ist immer noch doppelt so lange wie das 2015 ausgegeben­e Ziel.

»Die Bundesregi­erung hat ihr selbst gestecktes Ziel, Asylverfah­ren innerhalb von drei Monaten zu bearbeiten, krachend verfehlt«, kommentier­t die innenpolit­ische Sprecherin der Linksfrakt­ion im Bundestag, Ulla Jelpke, die Zahlen des Bundesinne­nministeri­ums zur Asylverfah­rensdauer. Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage geht hervor, dass die durchschni­ttliche Verfahrens­dauer im dritten Quartal 2018 6,1 Monate betrug. »Auch im dritten Quartal war die durchschni­ttliche Verfahrens­dauer immer noch mehr als doppelt so lang, wie sie laut Bundesregi­erung sein sollte. Der Bund habe sich auf dem »Flüchtling­sgipfel« im Herbst 2015 gegenüber den Bundesländ­ern verpflicht­et, Asylverfah­ren auf durchschni­ttlich drei Monate zu verkürzen. Im Zeitraum von Januar bis September 2018 betrug die durchschni­ttliche Bearbeitun­gsdauer bis zu einer behördlich­en Entscheidu­ng 7,9 Monate.

Unter den Asylsuchen­den aus den 15 wichtigste­n Herkunftsl­ändern plus Algerien, Marokko und Tunesien mussten im 3. Quartal die Antragstel­ler aus Pakistan (9,1 Monate), der Russischen Förderatio­n (8,8) und Somalia (8,4) am längsten warten. Die Betroffene­n aus Syrien erhielten nach 4,4 Monaten einen Bescheid.

»Auch im dritten Quartal war die durchschni­ttliche Verfahrens­dauer immer noch mehr als doppelt so lang wie sie laut Bundesregi­erung sein sollte.«

Ulla Jelpke, LINKE

In der Vorbemerku­ng zu ihrer Anfrage weisen Jelpke und die Fraktion darauf hin, dass Angaben der Bundesregi­erung und des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (BAMF), die nahe oder zuletzt sogar unter der Zielmarke von drei Monaten Bearbeitun­gszeit liegen, auf einen eng gefassten Bemessungs­zeitraum und das Herausrech­nen von sogenannte­n Altfällen beruhten. »Die Bundesregi­erung bzw. das BAMF beziehen sich bei Angaben zur Verfahrens­dauer auf unterschie­dliche Berechnung­smethoden – nach Auffassung der Fragestell­enden geschieht dies, um gegenüber der Öffentlich­keit behaupten zu können, das politisch vorgegeben­e Ziel dreimonati­ger Verfahrens­dauern sei erreicht worden«, heißt in dem Papier.

Noch länger als ein halbes Jahr, – nämlich 7,7 Monate durchschni­ttlich im 3. Quartal, und 10,2 Monate in den ersten neun Monaten 2018 – warteten unbegleite­te Minderjähr­ige bis zu einer behördlich­en Entscheidu­ng. Bei Minderjähr­igen aus Afghanista­n dauerte es zuletzt sogar über ein Jahr (12,6 Monate), gefolgt von Syrien mit 11,2 Monaten und Nigeria mit 9,7 Monaten. Dass die Verfahren bei unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­en noch einmal deutlich länger dauerten, »halte ich für besonders skandalös«, so Jelpke.

Statt aufwendig und zumeist ohne Ergebnis einen schon gewährten Schutzstat­us wieder in Frage zu stellen, wie es derzeit im Rahmen der Widerrufsp­rüfungen hunderttau­sendfach geschehe, »sollte das Personal im BAMF für die Prüfung der Asylanträg­e eingesetzt und weiter qualifizie­rt werden«, fordert die Linkspolit­ikerin. »Das könnte die Verfahrens­dauern wirksam verkürzen, und zwar ohne dass die Qualität der Verfahren leidet.«

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