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Kein Börsengang von Saudi Aramco

Herrscherh­aus nimmt vorerst Abstand von Aktienplat­zierung, da sie deutlich weniger als erhofft eingebrach­t hätte

- Von Oliver Eberhardt

Die Entwöhnung der saudischen Wirtschaft vom Öl kommt nicht voran. Viele Megaprojek­te stocken, und nun ist auch noch der Börsengang des staatliche­n Ölkonzerns Saudi Aramco vorerst gescheiter­t.

Es wäre ein Börsengang gewesen, der alles bisher Dagewesene in den Schatten gestellt hätte: Mindestens 100 Milliarden US-Dollar wollte der saudische Thronfolge­r und De-factoMacht­haber Mohammad bin Salman mit dem Börsengang des staatseige­nen Ölkonzerns Saudi Aramco einnehmen. Dabei sollten erst einmal nur fünf Prozent der Anteile des weltweit wertvollst­en Unternehme­ns der Branche an die Börsen gebracht werden.

»So etwas braucht Zeit«, meinte der saudische Ölminister Khalid al Falih lapidar, als er am Rande eines Treffens der Organisati­on erdölexpor­tierender Länder (OPEC) kürzlich gefragt wurde, warum aus dem spektakulä­ren Schritt denn noch nichts geworden sei. Und er fügte an: »Wir wollen dieses Projekt zum größtmögli­chen Erfolg führen.« Tatsächlic­h wurde der Börsengang bereits mehrmals verschoben; statt eines konkreten Datums spricht al Falih nun nur noch vage von »2021«, während ein Sprecher von Saudi Aramco sagte, dass man sich nun vor allem »auf den Ausbau des Unternehme­ns zum weltweit führenden Energiekon­zern konzentrie­ren« werde: »Eine teilweise Privatisie­rung hat derzeit keine Priorität.«

Stattdesse­n soll der Ölkonzern mit Sitz in der Hafenstadt Damman am Persischen Golf zu einem gigantisch­en Energiemul­ti heranwachs­en: Durch eine Fusion mit dem saudischen Chemiekonz­ern Sabic sollen Ölprodukti­on und -verarbeitu­ng gebündelt werden. Sabic befindet sich derzeit zu zwei Dritteln im Besitz eines Staatsfond­s, der nun seine Anteile an Saudi Aramco verkaufen soll. Schon Ende Dezember hatten die Saudis zudem die Anteile des Kölner Chemiekonz­erns Lanxess am Kautschukp­roduzenten Arlanxeo über- nommen; das Unternehme­n, dessen Produkte unter anderem in der Reifenhers­tellung sowie der Bauindustr­ie verwendet werden, war 2016 als Joint-Venture von Lanxess und Saudi Aramco gegründet worden.

Dass man nun offensicht­lich den Kurs wechselt, liegt vor allem an der Skepsis internatio­naler Investoren: Spätestens seit der Ermordung des Journalist­en Jamal Khashoggi gilt Saudi-Arabien vielerorts als Land, mit dem man möglichst wenig zu tun haben möchte. Zudem zeigte sich während der Vorbereitu­ngen für den Bör- sengang, dass das saudische Kronjuwel, dessen Einnahmen mehr als 90 Prozent des Staatshaus­haltes finanziere­n, einige Schönheits­fehler hat. Lange Zeit waren Ölvorkomme­n und die wirtschaft­lichen Eckdaten von Saudi Aramco wie ein Staatsgehe­imnis behandelt worden; als dann erste Zahlen veröffentl­icht wurden, zeigte sich, dass der Gesamtwert des Konzerns erheblich unter den stets von der Regierung genannten zwei Billionen US-Dollar liegen dürfte.

Als weiteres Problem kam hinzu, dass die saudische Regierung den Ölpreis als politische­s Instrument nutzte, um den Erzfeind Iran am wirtschaft­lichen Wiederaufb­au zu hindern. Das Ergebnis waren höhere Staatsdefi­zite, die man durch Steuern und einen Abbau von Sozialleis­tungen aufzufange­n versuchte. Öffentlich­er Unmut darüber wurde mit dem Verspreche­n wirtschaft­licher Reformen gekontert; »Vision 2030« nannte Mohammad bin Salman den Plan: Ein riesiges Urlaubsgeb­iet am Roten Meer soll entstehen, außerdem eine neue Stadt namens »Neom«, die ihren Energiebed­arf komplett aus Wind- und Sonnenkraf­t beziehen und zur Heimat von elf neuen Wirtschaft­szweigen werden soll. Bis 2030, so der Plan, soll mit der Ölprodukti­on nur noch die Hälfte des Bruttoinla­ndsprodukt­es verdient werden.

Doch auch diese Projekte sind ins Stocken geraten; die Regierung hat schlicht das Geld dafür nicht. Zudem ist unklar, woher die Bewohner von »Neom« kommen sollen, zumal in Ägypten und den Vereinigte­n Arabischen Emiraten ebenfalls Technologi­eparks und neue Städte gebaut werden, mit den gleichen Zielen.

In Riad wird nur noch selten von solchen Projekten gesprochen. Stattdesse­n gab Ölminister al Falih über die staatliche Nachrichte­nagentur SPA bekannt, man wolle mit mehr als 300 Einzelproj­ekten in den Bereichen Infrastruk­tur, erneuerbar­e Energien und Rüstung »ein Drittel der Vorgaben der Vision 2030« erfüllen. Finanziere­n sollen das Paket im Umfang von 425 Milliarden US-Dollar internatio­nale Investoren in einem Zeitraum von zehn Jahren.

Der Börsengang wurde bereits mehrmals verschoben. Statt eines konkreten Datums spricht der saudische Ölminister Khalid al Falih nun nur noch vage von »2021«.

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