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Salut, Beate Klarsfeld!

Die Antifaschi­stin und Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld wird heute 80 Jahre alt

- Von Gesine Lötzsch

Eine kompromiss­lose Antifaschi­stin wird 80. Ein Gruß nach Paris.

Internatio­nal bekannt wurde sie durch eine Ohrfeige. Beate Klarsfeld hatte während des CDU-Parteitags in Berlin am 7. November 1968 das Podium bestiegen und Bundeskanz­ler Kiesinger, der unter Ribbentrop als stellvertr­etender Leiter der rundfunkpo­litischen Abteilung unter anderem für die Verbindung zum Reichsprop­agandamini­sterium von Joseph Goebbels zuständig war, geohrfeigt und »Nazi, Nazi, Nazi!« gerufen. Dafür wurde sie zu einer Gefängniss­trafe verurteilt, die 1969 zu vier Monaten auf Bewährung umgewandel­t wurde. Heinrich Böll schickte ihr nach der Aktion 50 rote Rosen. Günter Grass hingegen meinte, es habe kein »Anlass bestanden, Beate Klarsfeld Rosen zu schicken«. Böll schickte noch einen Strauß Rosen und schrieb: »Ich war diese Blumen Beate Klarsfeld schuldig: … weil ich’s mir selbst schuldig war, als Person, als einer, der soeben 3 x 17 alt geworden ist und der 15 Jahre und ein Monat alt war, als der bürgerlich­e Politiker von Papen Hitler zur Macht verhalf.«

Als junge Frau war sie nach Paris gegangen. 1963 heiratete sie Serge Klarsfeld, dessen Vater im KZ Auschwitz ermordet wurde. Diese Ehe veränderte ihr Leben. Zusammen mit Serge spürte sie unbehellig­t lebende Nazi- und Kriegsverb­recher auf, belegte mit detaillier­ten Dokumentat­ionen deren Verbrechen am jüdischen Volk und den Völkern des deutschokk­upierten Europas, klagte zum Beispiel Kurt Lischka, Alois Brunner, Klaus Barbie, Ernst Ehlers und Kurt Asche an.

1971 versuchte sie gemeinsam mit ihrem Mann, den für die Deportatio­n von 76 000 Menschen aus Frankreich verantwort­lichen Kurt Lischka aus Deutschlan­d zu entführen, damit er sich vor der französisc­hen Justiz verantwort­e. Am 4. Juli 1987 wurde der auf ihre Initiative gefasste Kriegsverb­recher Klaus Barbie verurteilt. 1991 kämpfte sie um die Auslieferu­ng des in Syrien lebenden Eichmann-Stellvertr­eters Alois Brunner, der für die Ermordung von 130 000 Juden in deutschen Konzentrat­ionslagern verantwort­lich zeichnete. Im Jahr 2001 wurde Brunner durch die Bemühungen der Klarsfelds von einem französisc­hen Gericht in Abwesenhei­t zu lebenslang­er Haft verurteilt.

Beate Klarsfeld hat in ihrem Leben mehr für die gerechte Bestrafung von Nazi-Kriegsverb­rechern getan als die gesamte bundesdeut­sche Justiz zusammen. Für ihren Kampf wurde sie weltweit ausgezeich­net. 1984 ehrte sie der französisc­he Präsident François Mitterrand als »Ritter der Ehrenlegio­n«. Nur in Deutschlan­d tat man sich schwer, den Kampf von Beate anzuerkenn­en und zu würdigen. Für ihre Lebensleis­tung hatte ich sie für das Bundesverd­ienstkreuz vorgeschla­gen. Doch das damals von Guido Westerwell­e (FDP) geleitete Auswärtige Amt, das für die Verleihung an im Ausland lebende deutsche Staatsange­hörige zuständig ist, lehnte 2009 diesen Antrag ab.

In der Amtszeit von Joseph Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) als Außenminis­ter (1998 bis 2005) war die Verleihung schon einmal abgelehnt worden. Erst 2015 wurde den Klarsfelds das Bundesverd­ienstkreuz 1. Klasse verliehen.

2012 hat DIE LINKE Beate Klarsfeld für das Amt der Bundespräs­identin vorgeschla­gen. Sie sagte sofort zu. Sie hatte keine Angst vor der Springer-Presse. Die kannte sie schon aus den 1960er Jahren. 44 Jahre später warfen ihr die Journalist­en von Springer vor, dass sie mit den DDRBehörde­n zusammenge­arbeitet habe. Sie parierte diesen Angriff sehr gelassen. Sie sagte öffentlich, dass sie auch gern mit den BRD-Behörden zu- sammengear­beitet hätte, um Naziund Kriegsverb­recher zu enttarnen, doch die wären nicht an dieser Kooperatio­n interessie­rt gewesen.

Beate Klarsfeld wurde bekanntlic­h nicht Bundespräs­identin, aber bekam mehr Stimmen als unsere Fraktion Mitglieder hatte. Noch wichtiger war, dass eine ausgewiese­ne Antifaschi­stin, die weltweite Anerkennun­g genießt, im Deutschen Bundestag zur Wahl als Bundespräs­identin stand und die politische­n Enkel Kiesingers das nicht verhindern konnten.

Es ist für mich unmöglich, das Leben von Beate Klarsfeld in einem Geburtstag­sgruß zusammenzu­fassen. Die Klarsfelds haben auf 624 Seiten ihre Erinnerung­en aufgeschri­eben. Eine lohnende Lektüre!

Für mich ist Beate Klarsfeld ein Vorbild. Ich bin immer wieder beeindruck­t, mit welcher Energie und Entschloss­enheit sie über 50 Jahre zwei ganz konkrete Ziele verfolgte: Sie hat unter Einsatz ihres Lebens Kriegsverb­recher weltweit gejagt, damit sie vor ein Gericht gestellt werden konnten. Und sie ist immer noch unterwegs, wenn es darum geht, an die jüdischen Opfer des Faschismus zu erinnern.

Wenn ich mit jungen Menschen über Politik rede und sie mir erklären, dass sie diese Welt doch nicht ändern können, dann erzähle ich ihnen von Beate Klarsfeld. Wenn mir Genossinne­n und Genossen erzählen, dass sie sich mit 70 Jahren aus der Politik zurückzieh­en wollen, dann erzähle ich ihnen, dass Beate Klarsfeld gerade dabei ist, eine Ausstellun­g des Künstlers und Auschwitz-Überlebend­en David Olère nach Deutschlan­d zu holen.

Beate Klarsfeld wird auch dieses Jahr wieder am 10. Mai beim »Lesen gegen das Vergessen« auf dem Berliner Bebelplatz dabei sein. Dort kann man sie treffen und sich wundern, wie bescheiden, freundlich und bodenständ­ig diese großartige Frau geblieben ist. Herzlichen Glückwunsc­h, liebe Beate! 50 rote Rosen werden Dich heute in Paris erreichen.

Die Autorin ist Politikeri­n der Linksparte­i und Abgeordnet­e des Deutschen Bundestage­s.

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Foto: imago/Thomas Imo
 ?? Foto: imago/Ipon ?? Beate Klarsfeld 2018 beim Gedenken an die 1919 ermordeten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin-Friedrichs­felde.
Foto: imago/Ipon Beate Klarsfeld 2018 beim Gedenken an die 1919 ermordeten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin-Friedrichs­felde.

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