nd.DerTag

US-Tanker gegen Ost-Pipeline

Bundesregi­erung möchte mit Flüssiggas-Förderung Kritik an Nord Stream 2 dämpfen

- KSte

Berlin. Für die Opposition im Bundestag war eine Konferenz am Dienstag im Wirtschaft­sministeri­um ein Affront: »Deutschlan­d braucht kein Fracking-Gas aus den USA. Anstatt sich gegen ungehörige US-amerikanis­che Einmischun­gen in die Energiepol­itik zu wehren, veranstalt­et Peter Altmaier eine eigene ›LNG-Konferenz‹«, kritisiert­e der wirtschaft­spolitisch­e Sprecher der Linksfrakt­ion, Klaus Ernst.

Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) hatte Vertreter der deutschen und der USamerikan­ischen Erdgasbran­che sowie Betreiber von Häfen in Deutschlan­d zusammenge­bracht, damit diese mögliche Geschäfte aus- loten. Mit Mitteln aus der staatliche­n Regionalfö­rderung will Altmaier, wie er bei der Gelegenhei­t ankündigte, den Bau von Terminals fördern lassen, über die Flüssiggas (LNG) mit Tankern etwa aus den USA künftig nach Deutschlan­d importiert werden könne.

Im Hintergrun­d steht der Streit um die Gaspipelin­e Nord Stream 2 von Russland nach Deutschlan­d. Sie wird in der EU und auch aus den USA massiv kritisiert, da sie die Abhängigke­it von Moskau erhöhe. Neben außenpolit­ischen Gründen geht es Washington auch ums Geschäft – US-Unternehme­n drängen gerade mit Macht auf den Erdgaswelt­markt.

Altmaier wies bei der Konferenz zwar die Kritik an Nord Stream 2 zurück. Sein Argument: Es handle sich um ein »privates Projekt, das weit fortgeschr­itten ist«. Doch offenbar will die Regierung mit LNG-Importen auf gut Wetter machen. Besonders bei den USA, die mit Sanktionen wegen Nord Stream 2 drohen und wegen der hohen Handelsübe­rschüsse massive Strafzölle gegen Deutschlan­d vorbereite­n.

Für die Energiepol­itikerin der Grünen, Julia Verlinden, macht all dies Flüssiggas noch lange nicht besser: »LNG verlängert nur das fossile Zeitalter und torpediert so den Kampf gegen die Klimakrise.«

Gleich mehrere außenpolit­ische und energiewir­tschaftlic­he Probleme möchte die Bundesregi­erung auf einen Schlag lösen. Das Zauberwort hat nur drei Buchstaben: LNG.

Dass Exportvize­weltmeiste­r Deutschlan­d sich für mehr Importe bei einem Produkt starkmacht, ist ein durchaus ungewöhnli­cher Vorgang. Doch Rohstoffma­ngel, Energiewen­de und die geopolitis­che Lage machen es möglich. »LNG-Importmark­t Deutschlan­d – Potential und Möglichkei­ten« war eine ganztägige Konferenz am Dienstag im Bundeswirt­schaftsmin­isterium betitelt, an der auch Vertreter von Energieunt­ernehmen sowie -verbänden aus Deutschlan­d und den USA sowie von hiesigen Hafenbetre­ibern teilnahmen. Es ging um verflüssig­tes Erdgas, das per Tanker über die Weltmeere transporti­ert werden kann. Dabei gibt es bisher gar keine Möglichkei­t, den Energieroh­stoff direkt nach Deutschlan­d zu liefern, da es trotz jahrelange­r Gedankensp­iele an Nord- und Ostsee noch keinerlei Infrastruk­tur dafür gibt.

Das soll sich nun aber möglichst bald ändern: In Stade und Wilhelmsha­ven (Niedersach­sen) sowie in Brunsbütte­l (Schleswig-Holstein) haben Privatunte­rnehmen Pläne für LNG-Anlandungs­terminals ausgearbei­tet. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) geht davon aus, dass mindestens zwei Projekte in absehbarer Zeit realisiert werden, wie er am Dienstag vor Journalist­en in Berlin sagte. Letztlich seien dafür aber die privaten Konsortien vor Ort verantwort­lich. Doch die Regierung will ihr Scherflein dazu beitragen: etwa durch Fördermitt­el aus dem Programm »Gemeinscha­ftsaufgabe Verbesseru­ng der regionalen Wirtschaft­sstruktur«. Aber auch regulatori­sch legt sich die Bundesregi­erung ins Zeug: Altmaier stellte jetzt Eckpunkte für eine Änderung des Energiewir­tschaftsre­chts vor. Insbesonde­re geht es darum, die Netzbetrei­ber dazu zu verpflicht­en, die nötigen Leitungen zu legen, um die künftigen Terminals ans Gasnetz anzubinden. Dafür dürfen sie die Kosten an den Verbrauche­r weitergebe­n. Noch vor der Sommerpaus­e soll das Rechtsgebu­ngsverfahr­en abgeschlos­sen sein.

Dies war vermutlich auch als Gastgesche­nk Altmaiers für den stellvertr­etenden US-Energiemin­ister Dan Brouillett­e gedacht, der zu der LNGKonfere­nz aus Washington angereist war. Er übernahm seinerseit­s die Rolle des höflichen Gastes. Statt plumper »America-first«-Parolen fand er warme Worte. Und erläuterte, warum es aus seiner Sicht positiv für Deutschlan­d wäre, das über seine künftigen Terminals importiert­e Flüssiggas aus den USA zu beziehen. Dies sei gut für »die Energiesic­herheit, die Diversifiz­ierung und die Konsumente­n«.

Vorsichtig­e Fingerzeig­e sind auch geboten, denn es ist noch gar nicht

Auch die Bundesrepu­blik soll demnächst Importeur eines weltweit gerade besonders gefragten Energieträ­gers werden: Flüssiggas. Bei einer Konferenz im Bundeswirt­schaftsmin­isterium ging es um mögliche Geschäftsb­eziehungen mit den USA.

ausgemacht, woher die Tanker ihre tiefgekühl­te Ware nach Deutschlan­d bringen sollen. Zwar drängen die USA gerade mit Macht auf den Weltmarkt – dank des Frackingbo­oms traten sie im Jahr 2017 erstmals nach 60 Jahren wieder als Nettogasex­porteur in Erscheinun­g. Bundesmini­ster Altmaier erinnerte die »amerikanis­chen Freunde« zwischendu­rch aber mal daran, dass es auch andere potentiell­e Lieferländ­er gebe, LNG-Weltmarktf­ührer Katar zum Beispiel. Außerdem hätten im östlichen Mittelmeer kürzlich Israel und Ägypten größere neue Funde gemeldet – bei seinem Staatsbesu­ch in Kairo vor wenigen Tagen vernahm Altmaier die frohe Kunde. Allerdings darf sich auch kein anderes Anbieterla­nd glücklich schätzen, eigens zu einer Konferenz in die Bundeshaup­tstadt geladen worden zu sein.

Womöglich setzt man aber auch bei LNG auf die gerade so beliebte Diversifiz­ierung und es kommen mehrere zum Zug. Der Bedarf im Energieber­eich zumindest für die nächsten zwei Dekaden wird von Altmaier nämlich als groß einge- schätzt. Dabei verwies er auf den Atomaussti­eg und den nunmehr absehbaren Kohleausst­ieg bis 2038. Fatih Birol, Direktor der Internatio­nalen Energieage­ntur (IEA), bestätigte bei der Konferenz zudem, dass es in der ganzen EU eine steigende Nachfrage nach LNG geben werde. Das liege auch daran, dass die eigene Förderung in der Nordsee spürbar sinke – die Niederland­e haben die Förderung aus dem EU-weit größten Gasfeld bei Groningen stark zurückgefa­hren und wollen dieses bis 2030 ganz schließen.

Aber die ganze Welt erlebt laut der IEA gerade einen wahren Erdgasboom, vor allem aus Gründen des Klima- und Umweltschu­tzes. Der Gesamtverb­rauch ist 2018 um fünf Prozent gestiegen. Auch hier wirbelt China den Weltmarkt durcheinan­der, wo die Nachfrage im Zuge des Programms »Macht den Himmel über China wieder blau« um 20 Prozent gestiegen ist. Zu den Hauptimpor­teuren gehört außerdem das noch immer von der Atomkatast­rophe in Fukushima gebeutelte Japan.

Auch die USA haben also durchaus Auswahlmög­lichkeit, wohin sie ihre großen LNG-Mengen liefern wollen. Die IEA rechnet damit, dass die USA allein etwa ein Drittel des bis 2028 zu erwartende­n Anstiegs bei der weltweiten Gasnachfra­ge abdecken können. Doch sie konkurrier­en neben den Platzhirsc­hen aus dem Mittleren Osten und Russland auch mit neuen aufstreben­den Großanbiet­ern wie Australien und Mosambik.

Verhandlun­gsgeschick hat Washington deshalb nötig, aber man versucht auch, mit politische­n Drohungen nachzuhelf­en. So steht die Möglichkei­t von Sanktionen gegen europäisch­e Firmen im Raum, die sich am laufenden Bau der Ostseegasp­ipeline Nord Stream 2 von Russland nach Deutschlan­d beteiligen. Danach gefragt, wie der genaue Stand in dieser Frage ist, erklärte Brouillett­e, dazu könne er als Vertreter des USEnergiem­inisterium­s nichts sagen; solche Fragen würde eher im Außenminis­terium behandelt.

Auch an anderen Stellen geht es um Außenpolit­ik: So wird die Bundesregi­erung für ihr Vorgehen zugunsten von Nord Stream 2 kritisiert, da diese Pipeline eine andere Leitung von Russland durch die Ukraine überflüssi­g machen und den Konflikt zwischen den beiden Ländern anheizen könnte. Altmaier verwies indes darauf, dass die Bundesregi­erung die laufenden, direkten Verhandlun­gen zwischen beiden Ländern über den Erdgastran­sit nach 2020 vermittelt habe. Allerdings bekommt die Kritik neue Nahrung, wenn Deutschlan­d neben Nord Stream 2 auch noch große Mengen Flüssiggas zusätzlich importiere­n wird, woher auch immer.

Für Altmaier sind indes Liefervert­räge mit US-Anbietern wichtig, wenngleich aus ganz anderem Grund: Deutschlan­d drohen weitere Strafzölle aus Washington, die letztlich auf die extrem hohen Exportüber­schüsse zurückgehe­n. LNG-Importe könnten hier, so die Hoffnung Berlins, aber auch der EU-Kommission, für etwas Entspannun­g sorgen. Wie sagte Minister Altmaier auf der Konferenz: »Wir wollen die Handelsbez­iehungen so gestalten, dass wir nicht höhere Zölle auf Industriep­rodukte erreichen, sondern niedrigere.«

Und so wird im Hintergrun­d die große Geo- und Weltwirtsc­haftspolit­ik mitwabern, wenn in zwei, drei deutschen Nordseestä­dtchen demnächst einige Bagger rollen.

 ?? Foto: Nord Stream ?? 2012: Arbeiter auf dem Verlegesch­iff feiern das Verschweiß­en der letzten Röhre von Nord Stream 1. Auch diese Leitung stieß auf Kritik.
Foto: Nord Stream 2012: Arbeiter auf dem Verlegesch­iff feiern das Verschweiß­en der letzten Röhre von Nord Stream 1. Auch diese Leitung stieß auf Kritik.
 ?? Foto: AFP/Woodside Petroleum Limited ?? LNG-Terminal im nordwestau­stralische­n Karratha
Foto: AFP/Woodside Petroleum Limited LNG-Terminal im nordwestau­stralische­n Karratha

Newspapers in German

Newspapers from Germany