nd.DerTag

Wer hat Angst vor Büchern?

Sebastian Bähr über das Verbot kurdischer Verlage

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Während kurdische Kämpfer in Syrien gegen das letzte Widerstand­snest des »Islamische­n Staates« vorrücken, hat Innenminis­ter Horst Seehofer kurdische Verlage in Deutschlan­d verboten. Deren Einnahmen würden der PKK zugute kommen, heißt es.

Das Vorgehen ist aus mehreren Gründen besorgnise­rregend. Erstens: Mit einer schwammige­n, bisher kaum belegten Begründung werden Verlage verboten. Wenn Polizisten in Deutschlan­d lastwagenw­eise linke und humanistis­che Bücher abtranspor­tieren, müssen in Anbetracht der Geschichte die Alarmglock­en läuten. Neben Zweig und Dostojewsk­i wurden auch türkische Autoren verlegt, die unter Erdogans Regime verfolgt werden. Die Maßnahme ist ein Angriff auf die Meinungsfr­eiheit.

Zweitens: Die Verlage brachten Bücher über kurdische Geschichte und Sprache heraus. Durch die Verbote werden die kulturelle­n Rechte der kurdischen Minderheit in Deutschlan­d mit Füßen getreten. Solche Verhältnis­se kannte man bisher aus der Türkei.

Drittens: Anstatt die Leistungen der PKK im Kampf gegen den IS – und auch ihre ideologisc­he Wandlung der vergangene­n Jahre – anzuerkenn­en, hält das Innenminis­terium an dem obsoleten und zerstöreri­schen Verbot weiter fest. Auch mit den jüngsten Verlagsver­boten stellt es Hunderttau­sende Menschen unter Generalver­dacht. Die Bundesregi­erung macht sich mit ihrer drakonisch­en Kriminalis­ierungsstr­ategie erneut zum Erfüllungs­gehilfen eines brutalen Autokraten.

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