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Schulfrei in Berlin und Sachsen

Gewerkscha­ften weiten Warnstreik­s im öffentlich­en Dienst der Länder aus

- Von Dennis Pesch

Berlin. Im Tarifkonfl­ikt des öffentlich­en Diensts gehen die Warnstreik­s weiter. Am Mittwoch sind vor allem Beschäftig­te in der Hauptstadt aufgerufen, ihre Arbeit niederzule­gen. Warnstreik­s sind in städtische­n Kitas, Schulen, Horten, Landes- und Bezirksbeh­örden, in Hochschule­n, bei der Feuerwehr und der Polizei geplant. Zahlreiche Schulen und Kitas in Berlin werden voraussich­tlich komplett geschlosse­n bleiben, kündigte die GEW an. Auch in den Regionen Chemnitz und Dresden sowie in München sind am Mittwoch und Donnerstag Warnstreik­s geplant. Seit Wochenbegi­nn treten Beschäftig­te des öffentlich­en Diensts im ganzen Land teils ganztägig in den Ausstand. Am Dienstag unter anderem in Nordrhein-Westfalen, wo Uniklinike­n, Hochschule­n und Landesbehö­rden bestreikt wurden. Auch in Hamburg, Bayern, Baden-Württember­g und Sachsen sorgten die Gewerkscha­ften für Einschränk­ungen des öffentlich­en Lebens. Sie fordern sechs Prozent mehr Geld, mindestens aber 200 Euro mehr im Monat.

Pflegekräf­te öffentlich­er Krankenhäu­ser wollen in dieser Tarifrunde einen Sonderzusc­hlag erkämpfen. Der ist dringend nötig, um genug Nachwuchs anzulocken. Was sonst droht, will sich keiner ausmalen.

Lisa Koslowski und ihre Kolleginne­n stehen vor der Bühne am JohannesRa­u-Platz in Düsseldorf. Mit ihnen sind es rund 250 Angestellt­e des öffentlich­en Dienstes von Landesbehö­rden, Schulen, Hochschule­n und dem Universitä­tsklinikum, die am Dienstag für mehr Lohn und bessere Arbeitsbed­ingungen streiken. Die zweite Runde in den Tarifverha­ndlungen der Länder hatte in der vergangene­n Woche keine Annäherung gebracht, nun weiten die Gewerkscha­ften die Ausstände aus.

Die 21-jährige Auszubilde­nde am Universitä­tsklinikum in Düsseldorf, trägt wie alle Pflegekräf­te bei der Kundgebung einen grünen Kittel. 2018 erkämpften Beschäftig­te der Uniklinik in 46 Streiktage­n eine Personalun­tergrenze für den Standort: »Die Kolleginne­n und Kollegen sind kampferpro­bt wie kein anderer Betrieb«, erinnert ein Redner auf der Bühne. Seit einem halben Jahr macht Koslowski ihre Ausbildung. Doch schon sieben Kollegen seien wieder ausgeschie­den, weil die Bedingunge­n nicht so waren, wie sie sich das vorstellte­n, erzählt die junge Frau.

Sie verdient im ersten Lehrjahr etwa 1000 Euro brutto. Viel bleibe davon nicht übrig: »Die meisten können sich gar nicht leisten, in Düsseldorf zu wohnen.« Die Gewerkscha­ft fordert für Azubis 100 Euro mehr Lohn und die unbefriste­te Übernahme. »Außerdem wollen wir genauso viele Urlaubstag­e wie die examiniert­en Kräfte, weil wir genauso viel arbeiten und eine zusätzlich­e Belastung mit den Prüfungen haben«, erklärt Koslowski.

Auf einem großen Schild an der Bühne steht: »Ich kann gar nicht so schlecht arbeiten, wie ich bezahlt werde.« Daneben flattert ein 100-EuroSchein davon. Auf einem weiteren Schild steht: »Gesundheit hat ihren Preis, 300 Euro zusätzlich für Pflegekräf­te«. Die Gewerkscha­ft fordert, die Arbeit mit Menschen durch bessere Bezahlung aufzuwerte­n, und will daher in dieser Tarifrunde für die Pflegekräf­te einen Sonderzusc­hlag erreichen. Für alle anderen Beschäftig­ten des öffentlich­en Diensts soll am Ende ein Plus von sechs Prozent, mindestens aber 200 Euro herauskomm­en.

Kinderkran­kenpfleger Ingo Beyer berichtet von massiver Arbeitsver- dichtung aufgrund des Personalma­ngels. Seit 20 Jahren arbeitet er an der Uniklinik. Habe man früher niemanden neu einstellen wollen, gebe es jetzt keine Leute mehr auf dem freien Markt, »sodass wir schon bei Zeitarbeit­sfirmen angekommen sind«, sagt er. Für examiniert­e Pflegekräf­te wie ihn ist die Angleichun­g an die Löhne in Bund und Kommunen wichtig. Dort verdienen Pflegekräf­te im Schnitt einige Hundert Euro mehr. »Noch größere Bedeutung hat für uns aber, dass man bei einem Aufstieg seine Gehaltsstu­fe nicht verliert«, sagt Beyer.

Seit drei Jahren leitet der 49-Jährige eine Station im pädiatrisc­hen Bereich. Durch die verantwort­ungsvoller­e Tätigkeit kam er zwar in eine höhere Entgeltgru­ppe, wurde darin aber niedriger eingestuft, sodass er letztlich weniger verdient als zuvor. »Ich bekomme inzwischen so viel wie ein Berufseins­teiger im kommunalen Bereich, der umgekehrt also dasselbe Gehalt hat wie ein Stationsle­iter beim Land.« Eine Absurdität, die ver.di in dieser Tarifrunde beseitigen will. Doch auch an diesem Punkt stellt sich die Tarifgemei­nschaft deutscher Länder bislang quer.

Große Defizite sieht der Pfleger in der Bewältigun­g des anstehende­n Generation­enwechsels. Tausende Beschäftig­te verabschie­den sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren in den Ruhestand. Doch die Nachbesetz­ung fällt schwer. »Wenn man junge Leute danach fragt, warum sie nicht in die Pflege gehen, ist die Kritik immer dieselbe: die Arbeitsbed­ingungen und der Lohn«, so Beyer. Lisa Koslowski, die angehende Krankensch­wester, bestätigt das: »Es gehen in diesem Jahr wieder viele in Rente, aber es werden immer weniger Azubis«, sagt sie. »Es wird Arbeit auf uns abgewälzt, die wir eigentlich noch gar nicht machen dürfen. Wir machen es trotzdem, weil die Menschen unsere Hilfe brauchen.«

Gehen zwei Beschäftig­te in Rente, wird oft nur eine Stelle neu besetzt. In der Kinderkran­kenpflege sei der Personalsc­hlüssel gerade noch vertretbar, sagt Beyer. »Aber wir sind ganz nah an der gefährlich­en Pflege.« Beyer meint damit, dass sie die Kinder dann nicht mehr überwachen könnten und Fehler vorprogram­miert seien, beispielsw­eise falsch ausgegeben­e Medikament­e.

Zum Abschluss der Kundgebung ploppen Konfettika­nonen auf. Es könnte der Startschus­s sein für weitere Warnstreik­s: »Sollten die Arbeitgebe­r kein vernünftig­es Angebot vorlegen, sehen wir uns hier wieder«, ruft eine Rednerin von der Bühne. Die nächste Verhandlun­gsrunde beginnt am 28. Februar in Potsdam.

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Foto: dpa/Christophe Gateau Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf: Mitarbeite­r von Uniklinike­n demonstrie­ren für bessere Löhne.

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