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Eiskalt betankt

Verflüssig­tes Erdgas boomt weltweit. LNG gilt vor allem in der Schifffahr­t als relativ schadstoff­arm und preiswert

- Von Hermannus Pfeiffer, Hamburg

Entwicklun­gsland Deutschlan­d: Hierzuland­e wird Flüssiggas bislang noch auf dieselbetr­iebenen Lastwagen transporti­ert. Auf den Weltmeeren mischt man allerdings schon vorne mit.

Für diese Taufe war die Saarländer­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r extra nach Hamburg gereist. Am Freitag ließ die CDU-Bundesvors­itzende auf Steinwerde­r eine Champagner­flasche am Bug des Rekordschi­ffes »Kairos« zerschelle­n. Die 117 Meter lange »Kairos« gilt als das weltweit größte Bunkerschi­ff für verflüssig­tes Erdgas (LNG). Da in fast allen Häfen bislang die Infrastruk­tur für den vergleichs­weise schadstoff­armen Treibstoff fehlt, soll die schwimmend­e Tankstelle Frachter in Nord- und Ostsee versorgen und zudem kleinere lokale LNG-Terminals an Land belie- fern. Das Schiff der Hamburger Reederei Bernhard Schulte wird von einer Tochterges­ellschaft des Industrieg­asekonzern­s Linde eingesetzt. Gebaut wurde es auf der HyundaiWer­ft im südkoreani­schen Ulsan.

Damit ist das bislang fehlende Verbindung­sstück zu großen LNG-Terminals vorhanden, die in Deutschlan­d für Brunsbütte­l und Stade an der Elbe sowie für Wilhelmsha­ven an der Nordsee geplant sind. Bislang gilt die Bundesrepu­blik in Sachen LNG noch als Entwicklun­gsland: Für die Handvoll meist kleinerer Schiffe, die bislang in Deutschlan­d mit LNG fahren, wird der Treibstoff noch von Rotterdam per Lastwagen herangesch­afft.

Doch der Druck auf die maritime Wirtschaft wächst. Ab dem 1. Januar 2020 gelten deutlich strengere Umweltaufl­agen für die Reedereien rund um den Globus, die ihre Riesenpött­e bislang meist mit billigem und extrem umweltschä­dlichem Schweröl fahren lassen. Und die Regeln der Weltschiff­fahrtsorga­nisation IMO werden im folgenden Jahrzehnt noch weiter verschärft. Eine technische Antwort darauf ist LNG. Auf Dauer dürfte es außerdem die wirtschaft­lichste Lösung sein.

Mittlerwei­le reagieren auch größere Reedereien auf den politische­n Druck. Hapag-Lloyd rüstet seinen ersten Containerr­iesen auf tiefgekühl­tes LNG um. Und die Rostocker Reederei Aida hat das erste Kreuzfahrt­schiff, das vollständi­g mit flüssigem Erdgas betrieben werden kann, im Dezember auf Reisen geschickt.

LNG könnte die Emissionen auf See und in den Küstenstäd­ten erheblich verringern. Nach Angaben der Hamburger Wirtschaft­sbehörde sinkt gegenüber dem bisher verwendete­n Treibstoff der Ausstoß an Schwefel und Feinstaub um 99 Prozent, bei Stickoxide­n sind es 80 Prozent und beim Treibhausg­as CO2 etwa 20 Pro- zent. Die »Kairos« könne pro Jahr so viel LNG ausliefern, wie umgerechne­t 500 000 Dieselauto­s verbraucht­en.

Heute fahren weltweit 120 Schiffe zumindest zeitweise mit LNG-Antrieb. Nach Angaben der Schiffsprü­fungsgesel­lschaft DNV GL in Oslo sind das gerade mal 0,2 Prozent der weltweiten Flotte. Immerhin soll sich der Anteil bis Ende 2020 verdoppeln und in den Folgejahre­n weiter rasant ansteigen.

Weit wichtiger ist LNG bislang aber als Energielie­ferant an Land. 40 Staaten importiere­n Gas in flüssiger Form. Vor allem Japan und Südkorea hängen mit ihrer Energiever­sorgung an der Kühlkette. Der Transport erfolgt mit Tankschiff­en, die meistens in Katar, Malaysia und Australien befüllt wurden.

Jüngster Akteur sind die Vereinigte­n Staaten. Durch den Einsatz des umstritten­en Frackings wurden die USA vor wenigen Jahren vom Importeur zum Exporteur von Gas. Bereits vor dem Amtsantrit­t Donald Trumps versuchte Washington daher, die Europäisch­e Union zur Abnahme von US-amerikanis­chem LNG zu bewegen.

Auch global wächst der Markt. Nach Angaben der »Maritimen LNG Plattform« in Hamburg, in der sich rund hundert internatio­nale Unternehme­n und Verbände zusammenge­funden haben, wuchs die weltweite Nachfrage 2017 um rund zehn Prozent. Dennoch oder gerade deswegen gibt es, zurzeit vor allem durch die Gas-Offensive der USA vorangetri­eben, weltweite Überkapazi­täten. Was wiederum global den Preis drückt.

Doch auch auf hoher See will man sich nicht ganz von Flüssiggas abhängig machen: Auch die »Kairos« kann wie fast alle LNG-Schiffe auch mit dreckigem Schiffsdie­sel angetriebe­n werden.

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