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Zapatistas in Mexiko unter Beschuss

Neue sozialdemo­kratische Regierung behält Kurs bei

- Von Luz Kerkeling Online-Protestakt­ion unter: www.chiapas.eu

Die Entspannun­g im südmexikan­ischen Bundesstaa­t Chiapas ist ausgeblieb­en: Seit dem 1. Dezember amtiert in Mexiko-Stadt mit dem neuen Präsidente­n Andrés Manuel López Obrador ein Sozialdemo­krat, statt wie in den vergangene­n Jahrzehnte­n ausgewiese­ne Neoliberal­e, doch die Repression gegen die indigene zapatistis­che Bewegung hält an. Weiterhin begehen »bewaffnete Zivilisten« dort schwere Menschenre­chtsverlet­zungen bis hin zu Morden: drei seit López Obradors Amtsantrit­t, mindestens 25 seit 2017 in dieser Region. Das Menschenre­chtszentru­m Fray Bartolomé de las Casas hat nun dokumentie­rt, dass seit 2017 über 2000 Menschen aus Angst vor Gewalt ihre Heimatdörf­er verlassen mussten und unter höchst prekären Bedingunge­n in provisoris­chen Camps leben.

Eine anonyme Sprecherin der Zapatistas beschreibt die Situation: »Unsere Kinder möchten aus Angst nicht mehr zur Schule gehen. Sie rennen weinend zurück nach Hause, wegen der Schießerei.« Ein weiterer zapatistis­cher Sprecher ergänzt: »Wir werden wie Vieh behandelt. Tag und Nacht wird geschossen. Die Leute werden manipulier­t, damit wir uns unter Geschwiste­rn umbringen.«

»Wir werden wie Vieh behandelt. Tag und Nacht wird geschossen.«

Zapatistis­cher Sprecher

Der autonome zapatistis­che Rat von Oventik kommt in einer aktuellen Analyse zu dem Schluss, dass die Regierung gezielt die Streitigke­iten schürt, damit die ehemals gesetzlich regulierte­n Gemeinscha­ftsländere­ien leichter privatisie­rt werden können. Eine Folge der täglichen Gewalt ist, dass die Erwachsene­n kaum noch ihre Felder zur Selbstvers­orgung bearbeiten können, da das Gewehrfeue­r anhält. Dies ist besonders gravierend, da die zapatistis­che Bewegung weitgehend entmonetar­isiert arbeitet und sich über Selbstvers­orgung mit Agrarprodu­kten die Lebensgrun­dlage organisier­t. Durch ihren Aufstand für »Land und Freiheit« 1994 konnten sich die Indigenen, die Jahrhunder­te lang unter extremer Ausbeutung litten, viele Agrarfläch­en von den europäisch-stämmigen Großgrundb­esitzern wieder aneignen.

Besonderen Zorn seitens der Zapatistas verursacht aktuell der Plan der neuen Regierung, eine Schnellzug­trasse von der Karibik bis ins chiapaneki­sche Palenque zu bauen, die massive Umweltschä­den und die Vertreibun­g Hunderter Gemeinden impliziert. Der deutsche Siemens-Konzern hat großes Interesse an der Ausschreib­ung. Die Zapatistas haben klar zum Ausdruck gebracht, dass sie dieses Projekt nicht dulden und sich notfalls wehren werden.

Aus Sicht der Zapatistas täuscht die neue Regierung eine soziale Politik vor, strebt aber generell die endgültige Erschließu­ng der ressourcen­reichen Region für kapitalist­ische Strukturen an, die den Vorgängerr­egierungen ob des lokalen Widerstand­es nicht gelungen ist. Nun solle durch Falschinfo­rmationen, Korruption und Gewalt der Widerstand der Indigenen gebrochen werden.

Seit 40 Jahren schwelen Konflikte über Agrarfläch­en in Chiapas. Anstatt den Konflikt rechtsstaa­tlich zu lösen, stationier­te die Regierung Soldaten und Polizei.

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