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Taliban auf dem Verhandlun­gsweg

Afghanista­n-Gespräche in Doha und Moskau unter Ausschluss der Ghani-Staatsführ­ung

- Von Emran Feroz

Der US-Präsident hat angekündig­t, die Hälfte der 14 000 Soldaten aus Afghanista­n abziehen zu wollen. Dazu schickte er den Pentagonch­ef dieser Tage nach Kabul. Hauptunter­händler ist der aber nicht.

Von »bedeutende­n Fortschrit­ten« sprach Zalmay Khalilzad jüngst nach seiner Rückkehr aus Doha. Khalilzad ist nicht irgendjema­nd, sondern — im Gegensatz zum afghanisch­en Präsidente­n Ashraf Ghani — der Mann der Stunde. Der US-Chefunterh­ändler, der die Friedensge­spräche mit den Taliban in Katar führt, hat selbst afghanisch­e Wurzeln und beeinfluss­t die amerikanis­che Politik am Hindukusch seit fast vier Jahrzehnte­n. Khalilzad, hatte am Montag die an »Resolute Support« beteiligte­n NATOund Partnersta­aten über den Stand der Gespräche mit den Taliban informiert. Vergangene Woche sagte Khalilzad, er hoffe auf einen Friedensve­rtrag für Afghanista­n bis zu den im Juli vorgesehen­en Wahlen.

Nach den jüngsten Gesprächen, die immerhin ganze sechs Tage andauerten, könnte ein Abzug der internatio­nalen Truppen – die Hauptforde­rung der Taliban – bald zur Realität werden. Berichten zufolge steht ein Abzug der US-Truppen binnen 18 Monaten im Raum. Zwei Drittel der rund 22 000 ausländisc­hen Soldaten sind US-Amerikaner.

»Kein Afghane will eine dauerhafte Stationier­ung ausländisc­her Truppen in seiner Heimat«, meinte Ghani während einer Ansprache direkt nach den Gesprächen in Doha. Kurz darauf bezeichnet­e der Präsident Khalilzad in einem Interview mit dem afghanisch­en Sender Tolo als einen »Freund«.

Doch Ghani holte auch aus: »Er ist ein Amerikaner. Ich bin der Präsident Afghanista­ns«, hieß es unter anderem. Umso problemati­scher ist die Tatsache, dass alle Verhandlun­gen in Katar ohne Vertreter der afghanisch­en Regierung stattfande­n. Die Taliban machten mehrmals ihr Desinteres­se an Gesprächen mit Kabul deutlich und erklärten, dass man nicht mit einer »Marionette­nregierung« verhandeln wolle.

Aus diesem Grund hegen viele Afghanen den Verdacht, dass ein Friedensde­al über ihre Köpfe hinweg beschlosse­n werden könnte und vor allem US-amerikanis­chen Interessen bedient und nicht afghanisch­e. Dies betrifft in erster Linie Afghanista­ns Polit-Elite, die um den Verlust ihrer Macht fürchtet.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Ghanis Regierung im Falle eines Truppenabz­uges schnell kollabiere­n würde. Ein Grund hierfür sind nicht nur die Taliban, sondern auch zahl- reiche innerafgha­nische Streitigke­iten zwischen brutalen Warlords und korrupten Politikern, die den afghanisch­en Staat sehr fragil erscheinen lassen.

Die Hauptsorge Washington­s ist eine Entwicklun­g Afghanista­ns, wie sie sich in den 90er Jahren und bis 2001 abspielte, sprich: Das Land darf nicht wieder zum Rückzugsor­t von extremisti­schen Terrorgrup­pen wie Al Qaida werden. Doch während über die gegenwärti­ge Präsenz von Al Qaida am Hindukusch so gut wie nichts bekannt ist, hat die afghanisch­e Zelle des Islamische­n Staates (IS) in den letzten Jahren an Macht und Einfluss gewonnen und verheerend­e Anschläge in Kabul und anderswo verübt. Von den Taliban, die seit jeher eine nationalis­tische Agenda pflegenwir­d auch der IS in Afghanista­n bekämpft.

Dies alles wirft die Frage auf, inwiefern nach einem Abzug der internatio­nalen Truppen tatsächlic­h ein Ende des Krieges am Hindukusch möglich wird. Zum gegenwärti­gen Zeitpunkt werden die meisten Kampfhandl­ungen zwischen TalibanKäm­pfern und afghanisch­en Soldaten ausgetrage­n.

Die Gespräche mit den Amerikaner­n waren allerdings nicht die einzigen, die in diesen Tagen stattfande­n. Kurz nach der Verhandlun­gsrunde in Doha traf eine Taliban-Delegation in Moskau ein, wo man sich mit afghanisch­en Politikern und Warlords, angeführt von Ex-Präsident Hamid Karsai, traf.

Vor der Presse stellte sich Karsai neben Sher Mohammad Abbas Stanekzai, den Chefunterh­ändler der Taliban, und sprach von einem »historisch­en Moment«. Schauplatz war das Moskauer Hotel »President«. Auch in Moskau waren Vertreter der Kabuler Regierung nicht zugegen. Stattdesse­n hatte man den Eindruck, dass all jene, die Präsident Ghani vergrault und entmachtet hat, Einfluss wiederzuge­winnen.

Dies könnte passieren, wenn durch einen Friedensde­al eine Interimsre­gierung zustande kommt, die Ghanis Administra­tion ablöst. Ein solcher Schritt würde auch die Wiederwahl Ghanis gefährden. Allerdings betonte Washington immer wieder, wie wichtig ein »innerafgha­nischer Dialog« sei. Berichten zufolge wurde die Moskauer Konferenz von Exilafghan­en in Russland organisier­t.

»Er ist ein Amerikaner. Ich bin der Präsident Afghanista­ns.« Ashraf Ghani über den USChefunte­rhändler Khalilzad

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Foto: AFP Nicht die Hauptperso­nen: Afghanista­ns Verteidigu­ngsministe­r Khalid, sein US-Kollege Shanahan und Sicherheit­sberater Mohib am Montag in Kabul (v. l.)

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