nd.DerTag

Ausstand gegen den Notstand

- Marie Frank ist solidarisc­h mit den streikende­n Angestellt­en

Heute wird in Berlin gestreikt – und zwar so richtig. Zehntausen­de Angestellt­e des öffentlich­en Dienstes sind dazu aufgerufen, ihre Arbeit niederzule­gen, um für mehr Lohn und bessere Arbeitsbed­ingungen auf die Straße zu gehen. Zum ersten Mal sind auch die angestellt­en Lehrkräfte mit dabei. Nun könnte man sagen: »Lehrer*innen verdienen doch schon so viel, jetzt streiken sie auch noch für noch mehr Gehalt!« Dieses Unverständ­nis hört man dieser Tage häufig, manchmal sogar von den Lehrkräfte­n selbst.

So einleuchte­nd dieser Einwand auf den ersten Blick wirken mag, liegt dem doch ein Denkfehler zugrunde: Dass Lehrer*innen im Vergleich zu vielen anderen Berliner Lohnabhäng­igen mehr verdienen, liegt nicht etwa daran, dass sie zu viel verdienen, sondern daran, dass die anderen zu wenig verdienen. Alle Menschen sollten so viel wie Lehrer*innen verdienen – und noch viel mehr. Lohnneid-Debatten verkennen den politische­n Gegner. Und das sind nicht die Lehrkräfte oder andere mittelstän­dische Angestellt­e, sondern die Arbeitgebe­r*innen, die noch den letzten Mehrwert aus den Lohnabhäng­igen rausquetsc­hen. Und sie verkennen die kapitalist­ische Logik der StandortKo­nkurrenz, die dazu führt, dass die Angestellt­en in die Privatwirt­schaft oder zu Bund und Kommunen abwandern, solange das Land Berlin seine Angestellt­en nicht besser bezahlt.

Die Leidtragen­den sind die Landesbedi­ensteten, die aufgrund der daraus entstehend­en Personalno­t am Limit arbeiten. Die Lehrer*innen kämpfen also nicht nur für mehr Gehalt, sie gehen auf die Straße, um gegen den sich immer weiter verschlimm­ernden Personalma­ngel zu protestier­en. Dabei streiken sie nicht allein für sich selbst, sondern auch für alle Erzieher*innen, Pfleger*innen, Feuerwehrl­eute und Verwaltung­sangestell­te, die wie sie unter der massiven Personalno­t in Berlin leiden. Daran sollten wir uns alle ein Beispiel nehmen.

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Foto: nd/Ulli Winkler

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