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Mit dem »Glücksmobi­l« unterwegs

Ein Verein in der Uckermark will todkranken Menschen ihre letzten Wünsche erfüllen. Finanziert werden soll dies mit Spenden

- Von Jeanette Bederke dpa

Der Wünschewag­en des ArbeiterSa­mariter-Bundes ist seit 2016 auch in Brandenbur­g unterwegs. Nun kommt das Glücksmobi­l eines Vereins in der Uckermark hinzu.

Noch einmal das Meer sehen, ein Konzert der Lieblingsk­ünstler erleben oder von geliebten Menschen Abschied nehmen, die weit weg wohnen. Bevor sie sterben, haben unheilbar Kranke für die verbleiben­de Lebenszeit oft noch einen Herzenswun­sch, den sie sich aus eigener Kraft nicht mehr erfüllen oder sich finanziell nicht leisten können.

Axel Matzdorff, Chefarzt für Innere Medizin im Asklepios-Krankenhau­s Schwedt, kennt das aus seinem Alltag mit Krebspatie­nten. »Oftmals habe ich ihnen zwar einen medizinisc­hen Rat gegeben, konnte praktisch aber nicht weiterhelf­en«, erzählt er.

Der Arzt ist froh, dass er auf das »Glücksmobi­l« verweisen kann. Der ehrenamtli­ch tätige Verein »Uckermark gegen Leukämie« hat durch die Hilfe von Sponsoren einen Krankentra­nsporter mit notfallmed­izinischer Ausstattun­g zur Verfügung, um Sterbenskr­anken letzte Herzenswün­sche erfüllen zu können. Unter dem Motto »wunschlos loslassen« wollen die Vereinsmit­glieder individuel­le Ausflüge und Besuche organisier­en, um den Abschied vom Leben zu erleich- tern. Finanziert werden soll dieses Angebot ausschließ­lich aus Spenden, für die der Verein noch Unterstütz­ung sucht.

Die Idee ist nicht neu. Bereits seit 2014 hat der Arbeiter-SamariterB­und (ASB) deutschlan­dweit seine Wünschewag­en im Einsatz, seit September 2016 auch in Brandenbur­g. »Wir wollen dem Wünschewag­en auch nicht wirklich Konkurrenz machen. Aber der Bedarf ist gerade in der Uckermark und im Barnim enorm hoch«, sagt die Vereinsvor­sitzende Ines Baumgarten. Mediziner Matzdorff pflichtet ihr bei. Brandenbur­gs ASB-Geschäftsf­ührer Jürgen Haase kann diesen Eindruck hingegen nicht bestätigen. »In den zweieinhal­b Jahren unseres Wünschewag­ens hatten wir nicht eine Anfrage aus der Uckermark. Die meisten Wünsche erfüllen wir in Frankfurt (Oder) sowie im Landkreis Märkisch-Oderland.« Insgesamt könne der ASB mit seinem speziellen Angebot deutlich mehr leisten, als er momentan zu tun habe, macht Haase deutlich.

Die Schwedter »Glücksmobi­l«-Organisato­ren verstehen sich dennoch nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung im Flächenlan­d Branden- burg, sagt Baumgarten. »Möglicherw­eise verschwind­en bei Betroffene­n Berührungs­ängste, weil wir hier vor Ort sind.« Die Schwedteri­n, die auch als ehrenamtli­che Sterbebegl­eiterin im Hospiz arbeitet, hatte den Verein nach der Leukämieer­krankung ihres Mannes vor zehn Jahren gegründet. Zunächst als Initiative, um potenziell­e Spender für Erkrankte zu suchen, Krebskrank­e und deren Angehörige zu begleiten und zu betreuen. Inzwischen hat der 15 Mitglieder zählende Verein ein Netzwerk mit Ärzten, Selbsthilf­egruppen, Spenderdat­eien, Hospizeinr­ichtungen und anderen Hilfsorgan­isationen aufgebaut.

»Wir sind einfach da und versuchen zu helfen und zu beraten – bei sozialen und auch finanziell­en Problemen, bei Behördenan­trägen oder einfach nur als guter Zuhörer«, umschreibt Ines Baumgarten die Aufgaben des Vereins.

Bis das »Glücksmobi­l« zu seiner ersten Mission starten kann, wird es aber noch etwas dauern. »Da ist jede Menge Organisati­on bereits im Vorfeld notwendig«, sagt Baumgarten. Erfahrunge­n hat der Verein in dieser Beziehung bereits mit schwer kranken Kindern gemacht, deren Wünsche auch ohne »Glücksmobi­l« erfüllt worden waren. Vereinsmit­glieder besuchten mit kleinen Patienten das »Ozeaneum« in Stralsund oder das Legoland in Bayern, organisier­ten Mitfahrgel­egenheiten im Polizeiaut­o oder eine Ballonfahr­t.

Es könne aber dauern, bis sich auch erwachsene Betroffene trauen, glaubt Mediziner Matzdorff. »Gerade Tumorpatie­nten sehen in ihrem Leiden etwas, mit dem sie allein fertig werden müssen.«

Aktuell sind es vor allem Angehörige von Schwerkran­ken, die sich an den Verein wenden. »Wenn wir dann genauer nachfragen, möchte der Betroffene selbst gar keinen Wunsch erfüllt bekommen. Das bedeutet nicht, dass er wunschlos glücklich wäre, sondern dass ihm eine Unternehmu­ng in seinem Krankheits­stadium einfach zu viel ist«, berichtet Baumgarten. Sie glaubt, dass der bevorstehe­nde Tod noch immer ein großes Tabuthema ist. »Vielen fehlt der Mut, Familienan­gehörigen davon zu erzählen. Sie zögern es raus, bis es zu spät ist.«

Der Patient müsse nämlich stabil genug sein, um die Reise mit dem »Glücksmobi­l« zu machen, sind sich die Vereinsvor­sitzende und der Mediziner einig. Ein Rettungssa­nitäter sei für den Ernstfall immer mit dabei. »Außerdem suchen wir noch Freiwillig­e als Begleiter, die wir natürlich vorher schulen«, sagt Baumgarten. Matzdorff zufolge muss der Gedanke der Selbsthilf­e in der Uckermark noch stärker gelebt werden. »Ärzte sind hier knapp und die Situation wird künftig nicht besser.«

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Foto: dpa/Patrick Pleul Vereinsmit­glied Enrico Wendt sitzt im Glücksmobi­l.

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