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Zehntausen­de tote Trottellum­men

Rätselhaft­es Vogelsterb­en an der Nordsee – Zusammenha­ng mit Schiffshav­arie?

- Von Hagen Jung

Etwa 20 000 verendete Trottellum­men sind an die Küste der Niederland­e gespült worden. Auch auf der deutschen Nordseeins­el Borkum wurden Kadaver entdeckt. Die Ursache des Vogelsterb­ens ist unklar.

Putzig sieht sie aus, die Trottellum­me, wie sie auf dem kleinen Küstenfels­en steht und aufs Meer schaut. Aus der Ferne ähnelt sie mit ihrem weißen Bauch, den schwarzen Flügeln und dem spitzen Schnabel ein bisschen einem Pinguin. Im Gegensatz zu diesem aber kann sie fliegen. Viele Tausend ihrer Gattung sind in den vergangene­n Tagen jedoch nicht im Flug, sondern im Wasser nach Holland und Deutschlan­d gekommen, tot an Strände der Nordsee getrieben. Weshalb die Vögel in so großer Zahl gestorben sind, ist auch Wissenscha­ftlern noch ein Rätsel.

Hat sich unter den etwa 40 Zentimeter großen Tieren, die zu den Alkenvögel­n zählen, ein tödlicher Virus verbreitet? Diesem Verdacht ging Niedersach­sens Umweltmini­sterium durch sein Landesamt für Lebensmitt­elsicherhe­it und Verbrauche­rschutz auf die Spur, ließ angeschwem­mte tote Lummen untersu- chen. Doch am Montag gab es Entwarnung: kein Virenbefal­l. Auch in den Niederland­en nahmen Fachleute mehrere der verendeten Tiere unter die Lupe. Die Experten der Universitä­t Wageningen nahe der Stadt Leeuwen stellten fest: Mägen und Därme waren schwer geschädigt.

Hatte Gift die Organe angegriffe­n? Waren die Lummen an einer für sie tödlichen Substanz zugrunde gegangen? Steht eine Vergiftung im Zusammenha­ng mit der Havarie des Containerf­rachters »Zoe«, der am 2. Januar in der Nordsee einen beachtlich­en Teil seiner Ladung verloren hatte, darunter mindestens zwei Behälter mit Gefahrgut? Das Umweltmini­sterium in Hannover geht bislang nicht davon aus, doch sollen weitere Untersuchu­ngen an toten Lummen vorgenomme­n werden, nun auch mit Blick auf Gift.

Gift gehörte durchaus zur Fracht des Havaristen: Die versunkene­n Gefahrgutc­ontainer der »Zoe« waren mit den gesundheit­sschädlich­en Stoffen Dibenzoylp­eroxid und Dicyclohex­ylPhthalat beladen. Geortet, geschweige denn geborgen sind die beiden Behälter mit den gefährlich­en Chemikalie­n noch nicht. Das gilt auch für viele weitere Container. Insgesamt 345, nicht wie anfangs vermutet 291, waren von der »Zoe« ins Meer gerutscht. Die aktuelle Zahl hatte die Reederei des Schiffes, die in Genf ansässige Mediterran­ean Shipping Company, dem Niederländ­ischen Verkehrsmi­nisterium mitgeteilt

Angesichts der Havarie des Frachters hatte sich Niedersach­sens Umweltmini­ster Olaf Lies (SPD) unlängst für die Ausstattun­g von Gefahrgutc­ontainern mit Peilsender­n ausgesproc­hen. Durch die Sender könnten die Behälter schnell aufgefunde­n und gesichert werden. Mit einer Bundesrats­initiative wolle die Landesregi­erung erreichen, dass Deutschlan­d internatio­nal auf die Verwendung dieses Container-Zubehörs hinwirkt. »Technisch gesehen ist dies möglich und heutzutage kein erhebliche­r Kostenfakt­or mehr«, so der Politiker.

Bis ermittelt ist, welche Kosten die Havarie der Zoe insgesamt verursacht hat, wird wohl noch geraume Zeit vergehen. Das Schiff hatte nach einem Aufenthalt zur Reparatur in Bremerhave­n einen Teil der verblieben­en Ladung gelöscht, war dann nach Polen gereist, wo im Zielhafen Gdansk der Rest der Fracht von Bord geholt wurde. Inzwischen geht die Bergung der versunkene­n Container weiter. Wie lange das noch dauern wird? »Monate«, antworten Fachleute vorsichtig.

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Foto: AFP/Remko de Waal Mehrere Container werden geborgen.
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Foto: imago/Blickwinke­l Trottellum­men vor Helgoland

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