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Unbequeme Gemeinnütz­igkeit

Union und FDP wollen der Deutschen Umwelthilf­e und der Tierrechts­organisati­on Peta Steuervort­eile entziehen

- Von Sebastian Bähr

Dem globalisie­rungskriti­schen Netzwerk Attac wurde 2014 die Gemeinnütz­igkeit aberkannt. Nun könnte es weitere Organisati­onen treffen.

Der Deutschen Umwelthilf­e (DUH) und der Tierschutz­organisati­on Peta könnte die Aberkennun­g der Gemeinnütz­igkeit drohen. Im Bundestag wurde jüngst im Finanzauss­chuss eine Anhörung zu dem Thema durchgefüh­rt. Union und FDP forderten eine entspreche­nde Änderung der Einstufung.

Initiiert hatte die öffentlich­e Anhörung die FDP. Sie forderte, dass Organisati­onen nicht als gemeinnütz­ig gelten dürfen, wenn sie strafbare Handlungen begehen, ausnutzen oder zum Rechtsbruc­h aufrufen. Namentlich erwähnten die Abgeordnet­en dabei die umstritten­e Organisati­on Peta. Diese würde Einbrüche in Mastanlage­n befürworte­n.

»Der Antrag der FDP zielt ausschließ­lich darauf ab, der Bevölkerun­g die Wahrheit über die Grausamkei­ten im Umgang mit Tieren vorzuentha­lten«, erklärte der stellvertr­etende Peta-Vorsitzend­e Harald Ullmann in einer Mitteilung. Er verwies darauf, dass der Initiator des FDP-Antrags, der Abgeordnet­e Gero Hocker, gleichzeit­ig Präsident des Deutschen Fischerei-Verbandes sei.

Die Deutsche Umwelthilf­e wird wiederum von der Union scharf attackiert. Die Organisati­on hatte mit erfolgreic­hen Klagen auf Dieselfahr­verbote für Aufsehen gesorgt. Die Bundesregi­erung versucht erklärterm­aßen, Fahrverbot­e zu vermeiden. Die Prozesse der DUH konterkari­eren die Ziele der Union. Bereits auf dem Hamburger CDU-Parteitag im Dezember wurde beschlosse­n, zu überprüfen, ob die DHU »noch die Kriterien für die Gemeinnütz­igkeit erfüllt«. Die Umweltorga­nisation hatte darauf empört reagiert.

Bei der Anhörung im Bundestag kamen Finanz- und Rechtsexpe­rten zu Wort. Der Richter Ulf Buermeyer vom Berliner Verfassung­sgerichtsh­of verwies auf die Entscheidu­ng eines Gerichts, das einen Stalleinbr­uch als Notstand bewertet hatte. Eine kritische Auseinande­rsetzung mit dem Recht durch gemeinnütz­ige Organisati­onen dürfe durch die Androhung eines Statusentz­ugs nicht unmöglich gemacht werden, so der Experte. Der Deutsche Finanzgeri­chtstag und der Bundesfina­nzhof sahen keine Notwendigk­eit für neue Gesetze.

Die Grünenfrak­tion brachte in der Anhörung den Antrag »Gemeinnütz­igkeit braucht Rechtssich­erheit statt politische­r Willkür« ein. Darin forderte sie, den Katalog der förderfähi­gen Zwecke durch die Aufnahme weiterer zivilgesel­lschaftlic­her Themen zu erweitern. Die Bundesregi­erung dürfte zudem die Arbeit von Nichtregie­rungsorgan­isationen nicht behindern.

Mit einem gemeinnütz­igen Status können Organisati­onen Spenden von der Steuer absetzen und leichter öffentlich­e Mittel beantragen. Ein Entzug dieser Möglichkei­ten würde die Arbeitsbed­ingungen extrem verschlech­tern. Über die Gemeinnütz­igkeit entscheide­n die Finanzämte­r der Länder.

Immer wieder gibt es – offenbar politisch motivierte – Versuche, die Gemeinnütz­igkeit von Organisati­onen abzuerkenn­en. 2014 hatte das Finanzamt in Frankfurt am Main dem globalisie­rungskriti­schen Netzwerk Attac den Status entzogen. Die Begründung: Forderunge­n nach einer Finanztran­saktionsst­euer oder einer strenger Regulierun­g der Finanzmärk­te seien zu politisch und würden keinem gemeinnütz­igen Zweck dienen. Sie würden viel mehr ein Partikular­interesse repräsenti­eren.

Attac zog daraufhin vor Gericht. Das hessische Finanzgeri­cht bestätigte 2016 die Gemeinnütz­igkeit des Vereins. Finanzamt und Bundesfina­nzminister­ium wollten das Urteil jedoch nicht akzeptiere­n und gingen in die Revision. Mit einem weiteren Urteil vom Bundesfina­nzhof wird in den kommenden Monaten gerechnet. Die Entscheidu­ng könnte grundsätzl­iche Aussagen zur Auslegung des Gemeinnütz­igkeitsrec­hts machen sowie Anlass für Gesetzesän­derungen sein.

Mehr als 80 Vereine und Stiftungen haben sich mittlerwei­le in dem Bündnis »Rechtssich­erheit für politische Willensbil­dung« zusammenge­funden, um die Gemeinnütz­igkeit für Organisati­onen zu sichern, die sich politisch betätigen. Darunter befinden sich Brot für die Welt, Campact, Oxfam oder das Komitee für Grundrecht­e und Demokratie. Ziel des Bündnis sei ein modernes Gemeinnütz­igkeitsrec­ht. Im bisherigen Gesetz würden »wichtige und allgemein anerkannte gemeinnütz­ige Zwecke« fehlen.

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