nd.DerTag

Eine Frage der Glaubwürdi­gkeit

LINKE ringt um Entschärfu­ng oder Ablehnung der Polizeiges­etznovelle

- Von Andreas Fritsche

Wenn die LINKE in Brandenbur­g Verschärfu­ngen des Polizeiges­etzes zustimmt, macht sie sich unglaubwür­dig. Davon sind einige Politiker in den eigenen Reihen überzeugt.

Der Bundespart­eitag sollte am Wochenende in Bonn die Linksfrakt­ion im Landtag Brandenbur­gs per Beschluss auffordern, »kein neues Polizeiges­etz mitzutrage­n, das polizeilic­he Befugnisse ausweitet und Grundrecht­e abbaut«. Doch dazu ist es nicht gekommen. Wegen Zeitmangel­s wurde über den Antrag nicht abgestimmt. So wurde er in den Bundesauss­chuss überwiesen, wo er am 10. März behandelt werden soll. Der Wunsch, wegen Dringlichk­eit doch gleich in Bonn über den Antrag zu befinden, wurde abgelehnt. Denn die nächste Landtagssi­tzung findet erst Mitte März statt.

Eventuell einigen sich SPD und LINKE allerdings bereits in der laufenden Woche intern über die letzten Änderungen von Details am Gesetzentw­urf von Innenminis­ter KarlHeinz Schröter (SPD).

Ein Signal ist der Antrag trotzdem. Als dringlich eingereich­t haben ihn die Linksjugen­d, der Studierend­enverband SDS sowie sechs Kreisverbä­nde aus Süd- und Westdeutsc­hland, dazu eine Reihe von Bundestags­abgeordnet­en wie Ulla Jelpke, Christine Buchholz und Niema Movassat und mehrere Parteivors­tändler, darunter der stellvertr­etende Bundesvors­itzende Tobias Pflüger. Es finden sich auf dem Papier auch Namen von Genossen, die in den Bündnissen gegen neue Polizeiges­etze in Bayern, Sachsen, Niedersach­sen und Nordrhein-Westfalen mitwirken. Aus Brandenbur­g mit dabei sind allerdings nur die Basisorgan­isation Dallgow-Döberitz und speziell von dort die Delegierte Sara Hintermeie­r-Algofy.

In der Begründung des Antrags heißt es, der Abbau von Grundrecht­en in Deutschlan­d sei vom Freistaat Bayern angestoßen worden. Dort sei seit Mai 2018 ein Polizeiauf­gabengeset­z in Kraft, das die Befugnisse der Beamten erheblich ausgeweite­t und die Polizei faktisch zu einem Geheimdien­st umgebaut habe. Das Gesetz sei gegen Flüchtling­e und linke Aktivisten angewendet worden, die in Vorbeugeha­ft kamen oder Aufenthalt­sund Kontaktver­bote erhielten.

Andere Bundesländ­er, so heißt es, planen nach dem Vorbild Bayerns verschärft­e Polizeiges­etze oder setzten sie bereits durch. Lediglich das von Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (LINKE) regierte Thüringen mache da nicht mit, und der rot-rot-grüne Berliner Senat habe seine Pläne für ein verschärft­es Polizeiges­etz vorerst auf Eis gelegt. Das allerdings ist nicht hundertpro­zentig korrekt, da in Berlin durchaus weiter über eine Polizeiges­etznovelle gesprochen wird.

Dagegen wolle Rot-Rot in Brandenbur­g heimliche Überwachun­gs- software zum Auslesen von Mobiltelef­onen und Computern zulassen, ebenso »polizeilic­he Wohnungsei­nbrüche« und den Einsatz von Handgranat­en gegen Personen. Die LINKE sei zwar in das Bündnis gegen das neue brandenbur­gische Polizeiges­etz »involviert, jedoch gespalten« – einzelne Kreisverbä­nde und der Jugendverb­and wirken im Bündnis mit.

Den Sozialiste­n sei es gelungen, sich als Verteidige­r von Grund- und Freiheitsr­echten zu profiliere­n. »Nicht nur die Glaubwürdi­gkeit der Brandenbur­ger LINKEN wäre beschädigt, würde der aktuelle Entwurf im Landtag mit ihren Stimmen angenommen werden«, heißt es. Darum sollte der Bundespart­eitag »klarstelle­n, dass sich die LINKE dem autoritäre­n Umbau auf allen Ebenen in den Weg stellt und nicht bereit ist, Kernpositi­onen linker Politik in Regierunge­n aufzugeben«.

Verbindlic­h für die Landtagsab­geordneten wäre ein solcher Beschluss nicht gewesen. Sie können und müssen abstimmen, wie sie es für richtig halten. Auf welcher Basis sie das tun werden, muss sich noch erweisen. Denn die Verhandlun­gen über die Details laufen ja noch. Erst kürzlich hieß es, die Sozialdemo­kraten seien den Sozialiste­n noch ein Stück entgegenge­kommen, wobei unklar blieb, was genau da verabredet wurde.

Fest steht, dass die LINKE den ersten Entwurf des Innenminis­ters schon deutlich entschärfe­n konnte. Das be- trifft übrigens auch den Einsatz von Sprengstof­f. Das theoretisc­h zugelassen­e Werfen von Handgranat­en gegen Personen ist mit so vielen strengen Bedingunge­n versehen, dass sogar Gegner der Gesetzesän­derung zugeben, dass es damit praktisch ausgeschlo­ssen sei. Auch Grünen-Landeschef Clemens Rostock räumte im November bei einer Demonstrat­ion gegen die Polizeiges­etzverschä­rfung in Potsdam ein, die LINKE habe schon viel erreicht. Er protestier­e hier nicht gegen die LINKE, versichert­e Rostock. Er wolle ihr im Gegenteil den Rücken stärken, damit sie sich gegen die SPD durchsetzt.

Für den 2. März, 15 Uhr, organisier­t das brandenbur­gische Bündnis gegen das neue Polizeiges­etz eine außerparla­mentarisch­e Anhörung im Potsdam-Museum am Alten Markt 9. Als Referenten angekündig­t sind der Protestfor­scher Peter Ullrich von der Technische­n Universitä­t Berlin, Norman Lenz, Vorsitzend­er der brandenbur­gischen Strafverte­idiger-Vereinigun­g, Biplab Basu von der Kampagne für Opfer rassistisc­her Polizeigew­alt und Elisabeth Niekrenz vom Verein Digitale Gesellscha­ft. Zugesagt hat auch Dirk Burczyk, innenpolit­ischer Referent der Linksfrakt­ion im Bundestag. Er werde allgemein über Polizeiges­etzverschä­rfungen in der Bundesrepu­blik sprechen, sagte Burczyk dem »nd«. Eingeladen sind alle Landtagsab­geordneten der demokratis­chen Parteien.

 ?? Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er ?? Demonstrat­ion gegen die Polizeiges­etzverschä­rfung am 10. November 2018 in Potsdam
Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er Demonstrat­ion gegen die Polizeiges­etzverschä­rfung am 10. November 2018 in Potsdam

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