Leichte Rollatoren und Hightech-Prothesen
Das aktualisierte Hilfsmittelverzeichnis der Gesetzlichen Krankenversicherung stärkt Verbraucherrechte
Kassenpatienten sollen künftig bessere Informationen über Hilfsmittel bekommen – und teils modernere Produkte. Das Verzeichnis der Hilfs- und Pflegehilfsmittel wurde generalüberholt.
32 500 Hilfsmittel hat der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) gelistet. Das Spektrum reicht von Verbrauchsmaterialien wie Windeln über Bandagen Hörgeräte, Rollatoren und Blindenhunde bis hin zu Innovationen wie computergesteuerte Exoskelette. Jetzt wurde diese Liste überarbeitet. Die Generalüberholung dauerte mehr als drei Jahre und wurde im Dezember 2018 abgeschlossen, wie Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes, am Dienstag in Berlin mitteilte. Mit der Aktualisierung stünden den Versicherten Hilfs- und Pflegehilfsmittel in höherer Qualität zur Verfügung, sie bekämen zudem Zugang zu innovativen Produkten. Neu ist auch der Anspruch auf eine umfassende Beratung durch die sogenannten Leistungserbringer. Diese müssen in Zukunft zuerst über Möglichkeiten informieren, welche ihrer Produkte auch ohne Zuzahlungen die geforderte, von den Kassen finanzierte Qualität haben. Neu ist dabei außerdem, dass die Leistungserbringer, etwa Sanitätshäuser, diese Information auch dokumentieren müssen.
Mit diesen Anforderungen reagiert der Spitzenverband auf die Tatsache, dass Anbieter die Versicherten häufig zu Produkten überreden, bei denen sie nicht nur eine Zuzahlung, sondern auch noch eine »wirtschaftliche Aufzahlung« leisten müssen. Ansonsten bekämen sie halt nur ein schlechteres Produkt. Genauere Zahlen dazu erwartet der Spitzenverband für Mitte des Jahres. Eines der Sorgenkinder bisher waren zum Beispiel die Rollatoren. Offenbar wurden diese Gehhilfen in der Mehrzahl nur in Ausführungen abgegeben, die teurer sind als von den Kassen finanziert. Damit soll jetzt Schluss sein, zumindest dann, wenn die Patienten nur eine Grundausstattung wollen.
Wie alle 41 Produktgruppen der Liste wurde die der Gehhilfen überarbeitet, wozu die Rollatoren gehören. In Zukunft sind sie auf ein maximales Eigengewicht von zehn Kilogramm begrenzt, vorgeschrieben sind nunmehr auch bessere Hilfen zum An- kippen, anatomische Handgriffe und Reflektoren an allen Seiten. Für übergewichtige Menschen können weiterhin die Kosten für schwerere Rollatoren übernommen werden. Erhöhtes Körpergewicht spielt auch bei anderen Neuerungen eine Rolle, etwa bei entsprechend verstärkten Rollstühlen oder Pflegebetten.
Aktualisiert wurde das Hilfsmittelverzeichnis auch in Bezug auf Dienstleistungsanforderungen. Dazu gehören nicht nur Beratung und Auswahl des Hilfsmittels, sondern auch die Einweisung in den Gebrauch und der Service, wie die telefonische Erreichbarkeit und Einsatzbereitschaft der Anbieter von elektronisch gesteuerten Hilfsmitteln. Letzteres betrifft auch etliche der Innovationen im Verzeichnis, etwa kleinste Messgeräte, die kontinuierlich die aktuelle Glukosekonzentrationen bei Diabetikern anzeigen und angepasst Insulin ausschütten. Die eingangs erwähnten Exoskelette werden durch einen Motor betrieben und ermöglichen Menschen mit einer relativ neuen Querschnittslähmung das Aufstehen, Hinsetzen, Stehen und Gehen. Weitere Innovationen finden sich bei Arm- und Beinprothesen.
Bei dem Hilfsmittelverzeichnis handelt es sich nicht um einen Katalog für die Endverbraucher, die umfangreiche Liste dient vor allem den gesetzlichen Kassen und den Herstellern oder Anbietern zur Orientierung. Außerdem ist das Verzeichnis keine Positivliste, denn auch darüber hinaus können Hilfsmittel nach einer Einzelfallprüfung von einer gesetzlichen Krankenkasse finanziert werden. In solchen Fällen müssten allerdings die Mindestbedingungen für das jeweilige Produkt auch erfüllt sein. Im Rahmen der jetzt abgeschlossenen Überarbeitung wurden mehrere Tausend veraltete Produkte aus dem Verzeichnis gestrichen.
An dem Erneuerungsprozess waren zahlreiche Akteure beteiligt, neben Organisationen der Hersteller auch Patientenvertretungen und die Medizinischen Dienste der Krankenkassen.
Im Jahr geben die gesetzlichen Kassen rund acht Milliarden Euro für Hilfs- und Pflegehilfsmittel aus. Das waren zuletzt knapp vier Prozent der Gesamtausgaben. Zwischen 2008 und 2017 stiegen die Ausgaben um 41 Prozent. Der GKV-Spitzenverband hält das bei einer älter werdenden Bevölkerung und der Entwicklung neuer, teils innovativer Produkte jedoch für einen normalen Prozess.
Das Verzeichnis ist keine Positivliste, denn auch darüber hinaus können Hilfsmittel nach einer Einzelfallprüfung finanziert werden.