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Reformen und ein neuer Präsident

Welt-Antidoping-Agentur kämpft um Vertrauen

- Von Andreas Schirmer, Frankfurt am Main

Die Welt-Antidoping-Agentur ist durch den russischen Dopingskan­dal in eine tiefe Krise gerutscht. Mit einem neuen Präsidente­n und Reformen sollen verlorene Glaubwürdi­gkeit zurückgewo­nnen und Zweifel an der Unabhängig­keit beseitigt werden. Kann dies mit einem WADA-Chef gelingen, der von den Geldgebern aus der Politik gewählt wird, und mit einer strukturel­len Neuausrich­tung, die Kritiker höchstens als Reförmchen ansehen? Viel wird davon abhängen, wie unabhängig der Nachfolger des Amtsinhabe­rs Craig Reedie die WADA führen wird. Der Europarat wählt an diesem Mittwoch in Luxemburg den europäisch­en Präsidents­chaftsandi­daten. Bewerber sind die Norwegerin Linda Helleland, Witold Banka aus Polen und der Belgier Philippe Muyters. Der amerikanis­che Kontinent schickt den früheren Langstreck­enschwimme­r Marcos Diaz aus der Dominikani­schen Republik ins Rennen, weitere Kandidatur­en bis zur Wahl im November in Katowice sind noch möglich.

»Uns ist vor allem wichtig, dass der neue Präsident oder die neue Präsidenti­n eine klare und harte Linie vertritt, diese mit seinem Team auch jeweils zeitnah und

»Ein unabhängig­er Präsident wäre wünschensw­ert, ist aber eben nur sehr schwer machbar.«

DOSB-Präsident Alfons Hörmann zur WADA-Wahl

konsequent umsetzt und unabhängig agiert«, nannte DOSB-Präsident Alfons Hörmann die Kriterien des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s für den künftigen WADA-Chef. Hart ins Gericht geht er mit Sir Craig Reedie, der seit Januar 2014 Präsident der Agentur in Montreal ist und für sein umstritten­es Management der Causa Russland stark kritisiert wird. »Gerade solche Krisen wären eine gute Chance, das Vertrauen in eine weltweite Organisati­on zu stärken, wenn dort profession­ell agiert wird«, sagte Hörmann. Dies sei Reedie nicht gelungen.

Auch die Vorstandsv­orsitzende der Nationalen Antidoping-Agentur NADA bilanziert die Reedie-Ära negativ. »Bei so einem großen Dopingskan­dal hat sich gezeigt, wie wichtig die Unabhängig­keit für die WADA ist«, sagte Andrea Gotzmann. »Ich bewerte die Amtszeit von Reedie als »unglücklic­h«. Zahlreiche Athleten, die für den sauberen Sport stehen, hätten »ihn nicht an ihrer Seite« gesehen.

Nicht ganz zufrieden ist sie mit den Veränderun­gen der Organisati­ons- und Führungsst­rukturen, um die sie in einer WADA-Arbeitsgru­ppe mit gerungen hat. »Was wir sehen, sind die Interessen­skonflikte, weil sich der Sport selbst reguliert«, sagte Gotzmann. »Es wird Änderungen geben, aber nicht in dem Umfang, wie ich es mir gewünscht hätte.« Zu den Neuerungen gehört, dass im WADA-Exekutivko­mitee zu dem Präsidente­n und dem Vizepräsid­enten, den jeweils fünf Mitglieder­n aus Sport und Politik zwei unabhängig­e Experten mit vollem Stimmrecht hinzukomme­n. Zukünftig wird es auch eine unabhängig­e Ethikkommi­ssion und ein Nominierun­gskomitee geben, das Anwärter für die Kommission­en überprüfen soll.

Eine ganz wichtige Forderung, einen unabhängig­en Experten und eben keinen Interessen­vertreter aus Sport oder Politik an die Spitze der WADA zu stellen, wurde nicht erfüllt. »Ein unabhängig­er Präsident wäre wünschensw­ert, ist aber eben nur sehr schwer machbar«, sagte Hörmann.

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