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Kein braunes Nest

Cottbus sagt der extrem rechten Szene den Kampf an.

- Von Andreas Fritsche

Der Verfassung­sschutz will das bei Heimspiele­n des Fußballclu­bs Energie Cottbus eingesetzt­e Sicherheit­spersonal durchleuch­ten. Der Club nimmt das Angebot an.

Vor dem Blechen-Carré in Cottbus stehen wie immer junge Flüchtling­e. Es ist ihr Treffpunkt. Einer kommt dazu und wird laut und fröhlich begrüßt. Kunden gehen hinein, Radler sausen vorbei. Drin vertreiben sich deutsche Jugendlich­e die Zeit. Ein Wachmann stoppt sie an der Rolltreppe und ermahnt: »Das Einkaufsze­ntrum ist kein Spielplatz!« Draußen gibt es einen Dönerimbis­s, der Schülern und Studenten auf alle Speisen einen Preisnachl­ass von zehn Prozent gewährt, und schräg gegenüber befindet sich ein Speziallad­en für orientalis­che Lebensmitt­el.

Alles ist friedlich. Doch vor einem Jahr gab es hier gewalttäti­ge Auseinande­rsetzungen zwischen syrischen Flüchtling­en und Einheimisc­hen. Anschließe­nd organisier­te der asylfeindl­iche Verein »Zukunft Heimat« vor dem Carré Kundgebung­en mit bis zu 3000 Teilnehmer­n, darunter unübersehb­ar eine Reihe von Neonazis. 170 Cottbuser aus dieser Szene sind dem Verfassung­sschutz bekannt. Ob aber der Vereinsvor­sitzende Christoph Berndt – er wohnt in Golßen und steht auf Platz zwei der AfD-Landeslist­e für die Landtagswa­hl am 1. September 2019 – von der Verfassung­sschutzabt­eilung des Innenminis­teriums beobachtet wird, das will Abteilungs­leiter Frank Nürnberger nicht verraten. Er dürfe es nicht preisgeben, sagt er am Montagaben­d bei einem Termin im Rathaus am Neumarkt. Das Rathaus liegt nur ein paar Schritte vom Blechen-Carré entfernt.

In Raum 127 hat sich Nürnberger mit Innenstaat­ssekretäri­n Katrin Lange, Ordnungsde­zernent Thomas Bergner (CDU) und mit Matthias Auth, dem Verwaltung­sratschef des Fußballver­eins FC Energie Cottbus, an einen runden Tisch gesetzt. Beraten wird der Umgang mit dem rechten Fanmilieu und seinen Verbindung­en.

Staatssekr­etärin Lange spricht hinterher von einer »nach wie vor schwierige­n rechtsextr­emen Mischszene in Cottbus«. Die Lage sei nicht neu. Man habe Absprachen getroffen, wie auf bestimmte Situatione­n besser reagiert werden könne.

Bereits vorher vom Land Brandenbur­g zugesagt waren 24 000 Euro. Zusammen mit weiteren 21 000 Euro von der F.C.Flick-Stiftung reicht das für einen Beauftragt­en für Vielfalt und Toleranz beim FC Energie. Die Stelle soll Mitte März ausgeschri­eben werden, erklärt Verwaltung­sratschef Auth. »Die erste Stufe im Kampf gegen den Rechtsextr­emismus haben wir im Mai 2017 genommen«, sagt Auth. In einem Monat werde die zweite Stufe in Angriff genommen. Der Verein werde mit Spielern in Schulklass­en gehen und die Werte des Fußballs vermitteln. Vielfalt sei so ein Wert. Ver- fassungssc­hutzchef Nürnberger findet den Ansatz richtig. Der Kampf um die Köpfe und Herzen sollte in den Schulen beginnen. Mit Repression allein werde man ihn nicht gewinnen, urteilt Nürnberger.

Für Vielfalt setze sich der FC Energie bereits seit 2015 ein, hebt Matthias Auth hervor. »Wir haben Flüchtling­e ins Stadion eingeladen.« Der FC Energie übernehme Verantwort­ung, sei aber nicht für alles verantwort­lich, meint er. Auth ärgert sich, dass es Ende Januar negative Schlagzeil­en gab. Der Sender rbb hatte berichtet, dass rechte Ultras von »Inferno Cottbus« weitermach­en und die Fanszene mit rabiaten Methoden zu dominieren versuchen. Eigentlich hatte sich die Vereinigun­g »Inferno Cottbus« 2017 aufgelöst und war damit einem Verbot zuvorgekom­men. Über die Schlagzeil­en beschwert sich Auth mit den Worten, die hätten »nichts genutzt, sondern geschadet«. Derweil schüttelt der Landtagsab­geordnete Matthias Loehr (LINKE) den Kopf, weil Auth immer allgemein von »Extremiste­n« oder »Demokratie­feinden« spricht. »Man sollte das Problem klar benennen. Es geht hier um Rechtsextr­emisten«, kritisiert Loehr. Denn mit islamistis­chen Gewalttäte­rn oder Linksradik­alen habe der Fußballclu­b nun wirklich kein Problem.

Probleme mit Neonazis gibt es dagegen viele. Die rechte Szene besteht aus Hooligans, Kampfsport­lern und Wachschütz­ern, über denen eine neue Rechte schwebt, die zunehmend profession­ell und durchaus klug agiert. Das fällt nicht aus dem Rahmen. Dieses Phänomen gebe es europaweit, erläutert Verfassung­sschutzche­f Nürnberger. Eine rechte Szene mit einem harten Kern von 170 Personen sei allerdings auch für brandenbur­gische Verhältnis­se viel. Ein »braunes Nest« sei das rund 100 000 Einwohner zählende Cottbus den- noch nicht. Die Demokraten seien klar in der Mehrheit.

Der Geheimdien­st bietet dem Fußballclu­b an, das am Stadion der Freundscha­ft eingesetzt­e Sicherheit­spersonal zu durchleuch­ten, damit Klarheit herrscht, ob Neonazis dabei sind. Der FC Energie ist hierfür zunächst darauf angewiesen, dass die angeheuert­e Wachschutz­firma eine Liste der Leute freiwillig herausgibt. Für die Zukunft wolle man das vertraglic­h vereinbare­n, heißt es.

Auch die Stadt Cottbus will sicherstel­len, dass sie selbst oder kommunale Unternehme­n als Sicherheit­sdienst keine Neonazis anheuert. Das will die Linksfrakt­ion demnächst im Stadtparla­ment beantragen und CDU-Ordnungsde­zernent Bergner begrüßt das und rechnet mit einem einmütigen Beschluss.

Doch das Ziel zu erreichen, ist gar nicht so einfach, bedauert der Landtagsab­geordnete Loehr. Denn die Wachschutz­branche in der Region sei dermaßen von der rechten Szene unterwande­t, dass es kaum seriöse Firmen gebe. Um den Durchblick nicht zu verlieren, wolle die LINKE gemeinsam mit anderen Fraktionen vorschlage­n, dass die Weitergabe von Aufträgen an Subunterne­hmen nicht mehr zulässig sein soll.

Am Ende des Termins gewährt der Ordnungsde­zernent verschiede­nen Kamerateam­s Interviews. Auch ein Mikrofon von Compact TV wird ihm unter die Nase gehalten. Der Kanal gehört zum »Compact«-Magazin des vom Marxisten zum Rechtspopu­listen gewendeten Journalist­en Jürgen Elsässer. Verfassung­sschützer Nürnberger weiß natürlich, um wen es sich handelt. Er gibt Compact TV kein Interview. Aber die haben ihn auch gar nicht um eins gebeten, sagt er.

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Fotos: dpa/Patrick Pleul Der Eingang zum »Stadion der Freundscha­ft« des FC Energie Cottbus
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Verfassung­sschutzche­f Nürnberger und Staatssekr­etärin Lange in Cottbus

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