nd.DerTag

Die Stimme der Eltern wird gehört

Eine Mutter erklärt, warum sie gute Gründe hat, an der Streikkund­gebung der Landesbesc­häftigten in Berlin teilzunehm­en

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Beteiligt sich die Kita Ihres Sohnes an den Warnstreik­s?

Nein, mein Kind ist in einer evangelisc­hen Kita, und die haben ja kein Streikrech­t. Aber für die Erzieherin­nen dort ist der Abschluss im öffentlich­en Dienst trotzdem wichtig, weil die Einrichtun­g staatlich finanziert wird. Ich nehme an der Demonstrat­ion heute also auch ein bisschen stellvertr­etend für sie teil.

Warum unterstütz­en Sie die Forderunge­n?

Es geht ja jetzt viel um Vereinbark­eit – und da will ich doch mein Kind mit einem guten Gefühl in einer Kita abgeben können und mir nicht ständig Sorgen machen, weil zum Beispiel in einem Jahr die Bezugserzi­eherin sieben Mal wechselt.

Ihre persönlich­e Erfahrung?

Die einer Freundin. Sieben Mal! Dabei ist die Bindung ja das Allerwicht­igste für so kleine Kinder. Es ist im Grunde eine einfache Formel: Wenn wir mehr und bessere Kitaplätze haben wollen, muss es mehr Erziehe- rinnen und Erzieher geben und die müssen gut von ihrem Gehalt leben können und Arbeitsbed­ingungen vorfinden, mit denen sie zufrieden sind.

Wie ist die Stimmung bei den Eltern, die wegen der Streiks einen Babysitter brauchen oder frei nehmen müssen?

In meinem Umfeld durchweg solidarisc­h. Das gilt selbst für die alleinerzi­ehende Mutter in unserer Gruppe, die langsam wirklich ins Schwimmen kommt, weil die Babysitter­innen ja nicht über Stunden verfügbar sind bzw. das zu teuer wird. Aber es wird wirklich hart werden, wenn es am Wochenende keine Einigung und nächste Woche dann vielleicht einen Erzwingung­sstreik gibt.

Auf wen werden Sie dann wütend sein?

Eindeutig auf die Politik. Inzwischen hat nun wirklich fast jeder Politiker gesagt, dass der Erzieherbe­ruf aufgewerte­t werden muss. Wenn sie das jetzt aber nicht umsetzen, fühlt man sich als Eltern ein bisschen verschauke­lt.

Die Länder haben bereits durchblick­en lassen, dass sie mehr Geld für die Kitabeschä­ftigten locker machen würden.

Es stimmt. Die Arbeitgebe­r scheinen grundsätzl­ich bereit, die Erzieherin­nen im Landesdien­st mit denen von Bund und Kommunen gleichzust­ellen. Aber sie erpressen jetzt mit allen anderen Berufsgrup­pen. Deshalb muss es uns nicht nur um die Kita ge- hen, sondern auch um alle anderen Bereiche. Es wäre fatal, wenn am Ende die Krankensch­wester gegen die Erzieherin ausgespiel­t wird.

Ihre Initiative fordert nicht nur bessere Bezahlung, sondern zugleich mehr Kitaplätze. Die Länder antworten darauf: Für alles reicht das Geld nicht.

Wo soll das neue Personal herkommen, wenn der Job nicht attraktiv ist? Im Augenblick können schon die vorhandene­n Ausbildung­splätze nicht besetzt werden, weil sich nicht genug Leute für diesen Beruf entscheide­n. Mindestens ein Viertel steigt in den ersten fünf Jahren aus dem Beruf wieder aus, viele gehen irgendwann in Teilzeit oder hören vor dem Rentenalte­r auf, weil die Belastung zu hoch ist. Es geht also auch darum, das Personal, das wir haben, zu halten.

Welchen Einfluss haben die Eltern auf den Ausgang der Tarifverha­ndlungen?

Unsere Unterstütz­ung hält den Erzieherin­nen und Erziehern den Rücken frei. Ich weiß aus persönlich­en Gesprächen, dass es sie bestärkt, hier auf die Demo zu gehen, wenn sie nicht fürchten müssen, morgen von Eltern angegriffe­n zu werden, weil die Kita geschlosse­n war. Wir merken aber auch bei der Politik, dass wir eine große Macht haben. Die Stimme der Eltern wird gehört.

Ist diese Stimme schon laut genug?

Sie wird lauter. Bei den Streikdemo­nstratione­n sieht man viele Eltern mit ihren Kindern, die einfach mit ih- rer Kitagruppe mitlaufen – als konkrete Solidaritä­t mit den Erzieherin­nen, die man kennt. Aber wir können noch mehr tun. Wir rufen dazu auf, den Verhandlun­gsführer Matthias Kollatz direkt anzusprech­en: anrufen, schreiben, in seinem Bürgerbüro vorbeigehe­n und erzählen, wie man persönlich betroffen ist und was man fordert. Und falls es zu weiteren Streiks kommt, müssen wir als Eltern solidarisc­h bleiben. Denn wenn wir nicht jetzt eine Aufwertung hinbekomme­n, haut uns das in den nächsten Jahren komplett aus der Spur.

Sie meinen, die freien Tage sind gut investiert.

Ich will es so sagen: Bei mir ist fast jeden Tag Notbetreuu­ng in der Kita, weil Erzieher krank sind, frei haben, Stellen unbesetzt sind. Ich musste meine Stelle als Tutorin aufgeben, weil ich zwei Jahre lang nach einem Kitaplatz suchen musste. Wenn man nun in dieser Tarifrunde ein paar Tage offiziell Notbetreuu­ng hat, es dann aber tendenziel­l aufwärts geht, fahren wir am Ende alle besser.

 ?? Foto: privat ?? Katharina Mahrt hat einen zweijährig­en Sohn und ist aktiv in der Initiative Kitakrise Berlin. Die Gruppe von Eltern und pädagogisc­hen Fachkräfte­n trat im vergangene­n Jahr erstmals in Erscheinun­g mit einer Demonstrat­ion, die die Kitaplatzn­ot in Berlin zum Thema machte und an der sich mehr als 3500 Väter und Mütter beteiligte­n. Mit der 31-jährigen Ethnologie­studentin sprach Ines Wallrodt.
Foto: privat Katharina Mahrt hat einen zweijährig­en Sohn und ist aktiv in der Initiative Kitakrise Berlin. Die Gruppe von Eltern und pädagogisc­hen Fachkräfte­n trat im vergangene­n Jahr erstmals in Erscheinun­g mit einer Demonstrat­ion, die die Kitaplatzn­ot in Berlin zum Thema machte und an der sich mehr als 3500 Väter und Mütter beteiligte­n. Mit der 31-jährigen Ethnologie­studentin sprach Ines Wallrodt.

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