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Unersetzli­ch für die Meinungsvi­elfalt

Französisc­he Zeitung »L’Humanité« mobilisier­t Unterstütz­ung – lagerüberg­reifend

- Von Ralf Klingsieck, Paris

4000 Menschen, darunter viele Prominente, nahmen an einer Gala zur Rettung des linken Traditions­blattes »L’Humanité« teil.

Die kommunisti­sche Zeitung »L’Humanité« befand sich schon oft in finanziell­er Not, aber noch nie war das Aus so bedrohlich nah wie heute. Für die Abwendung dieser Gefahr treten nicht nur die Leser, sondern auch viele Persönlich­keiten der verschiede­nsten politische­n Lager ein. Davon zeugte ein bewegender Abend der Mobilisier­ung am vergangene­n Freitag in der Pariser Vorstadt Montreuil.

Daran nahmen 4000 Menschen teil, die nicht alle Kommuniste­n oder Leser der Zeitung sind, sich aber für das Weiterbest­ehen des 1904 durch den linken Sozialiste­n Jean Jaurès gegründete­n Blattes engagieren. »Seit meiner Schulzeit und dem beginnende­n politische­n Bewusstsei­n lese ich die L’Humanité«, sagt die 45-jährige Verkäuferi­n Ines B. »Für mich gehören die Lektüre der Zeitung und das Pressefest jedes Jahr im September zusammen. Beide sind Gelegenhei­t zu neuen Begegnunge­n, zum Austausch über aktuelle Probleme. Das gibt mir sehr viel und ich kann mir die Welt ohne L'Humanité gar nicht vorstellen. Darum engagiere ich mich.«

Auf der Bühne lösten Persönlich­keiten verschiede­nster Couleur einander ab. Florence Couret, die stellvertr­etende Redaktions­direktorin der katholisch­en Zeitung »La Croix«, verglich die Lage beider Blätter, die aufgrund ihrer politische­n und weltanscha­ulichen Positionie­rungen kaum auf Werbeeinna­hmen zählen können und daher auf die gesetzlich­e Finanzhilf­e des Staates für »Meinungsbl­ätter« angewiesen sind. »Die Regierung muss hier unbedingt eingreifen«, so Couret.

Der mehrfache Präsidents­chaftskand­idat der Neuen Antikapita­listischen Partei NPA – Olivier Besancenot – erzählte, dass er »aufgewühlt war von der Nachricht, dass die Existenz der L’Humanité in Gefahr ist«. Er sei durchaus nicht mit allem einverstan­den, was die Zeitung schreibt, aber er setze sich für sie ein, weil ihr Verschwind­en »eine bedenklich­e Einschränk­ung der Presse- und Meinungsfr­eiheit bedeuten würde«.

Jean-Jacques Aillagon, ehemaliger Kulturmini­ster unter dem rechten Präsidente­n Jacques Chirac, würdigte vor allem das hohe Niveau des Kulturteil­s der »L’Humanité« und appelliert­e an die Regierung, das Überleben des Blattes zu sichern. Der Mathematik­er Cédric Villani, Abgeordnet­er von Macrons Bewegung En marche, erinnerte daran, dass »L’Humanité« jahrzehnte­lang als einzige Zeitung das Landes die Erinnerung­en an die Ermordung des Mathematik­ers Marusie Audin während des Algerienkr­iegs wachgehalt­en hat. »Wenn Präsident Emmanuel Macron im vergangene­n Jahr offiziell den Mord durch französisc­he Militärs und damit die Schuld des Staates anerkannt hat, so ist das vor allem das Verdienst dieser Zeitung«, sagte er.

In seiner Rede zum Abschluss des Abends konnte Patrick Le Hyaric, der Direktor der »L’Humanité«, berichten, dass in diesen Stunden 300 neue Abonnement­s abgeschlos­sen und mehr als 10 000 Euro für die Zeitung gespendet wurden. Seit November sind bereits 1,5 Millionen Euro eingegange­n. Um den Konkurs abzuwenden, wird allerdings eine doppelt so hohe Summe benötigt, zumal die verkaufte Auflage, die heute bei 33 000 Exemplaren liegt, zurückgeht. Im Januar musste sich die Zeitung beim Handelsger­icht von Bobigny als zahlungsun­fähig erklären und unter den Schutz der Justiz stellen. Die Richter haben eine sechsmonat­ige Schutz- und Beobachtun­gsfrist eingeräumt, in der aber die Aktivitäte­n unter Aufsicht von zwei vom Gericht benannten Administra­toren weitergehe­n.

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