Rekordjahr für Aktionäre
Konzerne aus Deutschland schütten für das abgelaufene Geschäftsjahr insgesamt 50 Milliarden Euro aus
Einmal im Jahr ist Zahltag für Anteilseigner von »Dividenden-Aristokraten« wie Bayer. Die Konzerne wollen offenbar auch die schwache Entwicklung beim Aktienkurs vergessen machen.
70 Cent Dividende bekommen Anleger pro Aktie von Beiersdorf Ende April ausgezahlt – so viel wie im Jahr zuvor. Dies verkündete der neue Firmenchef Stefan De Loecker bei der Bilanzpressekonferenz am Mittwoch und kündigte dabei gleich auch noch eine neue Strategie an. Angetrieben durch gute Geschäfte rund um die Hausmarke »Nivea« hat der Kosmetikkonzern die Erlöse 2018 um 5,4 Prozent auf über 7,2 Milliarden Euro gesteigert. Doch die Aktie des Hamburger DAX-Konzerns läuft unrund.
Die 70 Cent kommen auf den ersten Blick wie Kleingeld daher – bei 252 Millionen Aktien, die im Umlauf sind, summieren sie sich auf rund 200 Millionen Euro. Andere schütten noch weit höhere Beträge aus. Aktiengesellschaften aus Deutschland werden laut DZ Bank 2019 über 50 Milliarden Euro an ihre Aktionäre überweisen. Ein Rekordwert.
Schon in der Vergangenheit trugen Dividenden bei den Aktien der 30 Unternehmen im Deutschen Aktienindex »rund 50 Prozent zur Wertentwicklung bei«, hat die Anlegerzeitschrift »Finanztip« ermittelt. In diesem Jahr eröffnete den großen Dividendenreigen der Technologiekonzern Siemens auf seiner Hauptversammlung in München. Die Aktionäre stimmten dort unter anderem über die Höhe der an sie zu zahlenden Dividende ab. Im Fall von Siemens sind dies 3,80 Euro je Aktie, nach 3,70 Euro im Vorjahr.
Aktiengesellschaften schütten einen Teil ihres Gewinns an ihre Aktionäre aus. Den früheren »Couponschneidern« fließt die Dividende am ersten Börsenhandelstag nach der Hauptversammlung zu. Da die Aktionärstreffen bis ins Frühjahr laufen, sind einige der angekündigten Beträge noch unbestätigt.
Am meisten dürften in diesem Jahr neben Siemens die Allianz, Daimler und Telekom ausschütten, jeweils drei bis vier Milliarden Euro. BASF, Volkswagen, BMW dürften je über zwei Milliarden Euro überweisen. Chemiemulti Bayer zahlt in diesem Jahr den eigenen Rekordwert von 2,6 Milliarden an Dividende aus. Die konzernkritische Coordination gegen BayerGefahren kritisiert dies: »Bayer befindet sich in einer ernsten Krise«, sagt Vorstand Axel Köhler-Schnura. Damit dies nicht die Aktionäre zu spüren be- kommen, sollen 12 000 Arbeitsplätze gestrichen werden.
Aus Sicht der einzelnen Aktionäre ist die absolute Summe der Gewinnausschüttung eigentlich uninteressant. Bei Bayer verteilt sich diese auf über 932 Millionen Wertpapiere. Für die Eigentümer zählt die Dividendenrendite, also, wie hoch die Zahlung im Verhältnis zum Kaufpreis der Aktie ist. Legt man den aktuellen Aktienkurs als Maßstab an, dann schnei- den Bayer-Aktionäre mit zwei bis drei Prozent Dividendenrendite im Vergleich etwa zu Riester-Rentnern oder Sparbuchbesitzern, deren Zinsen gegen null streben, gut ab.
Der Chemiekonzern aus Leverkusen gehört zum kleinen Kreis von »Dividenden-Aristokraten« in Deutschland. Das sind Unternehmen, die in den vergangenen zehn Jahren ihre Gewinnausschüttung immer gehalten oder sogar erhöht haben.
Noch höher dürften in diesem Jahr die Renditen bei RWE, Daimler, Allianz, Telekom und BMW mit fünf Prozent plus X ausfallen. Das Bankhaus Metzler schätzt die durchschnittliche Dividendenrendite der deutschen Börsenwerte auf vier Prozent.
Angesichts des schon seit Anfang 2018 eher fallenden Börsenkurse – der Leitindex DAX sackte von über 13 000 auf aktuell rund 11 500 Punkte – werden Dividendenzahlungen immer wichtiger, um die Aktionäre bei Laune zu halten. So werden zwei Drittel der großen Aktiengesellschaften 2019 ihre Dividende erhöhen.
Von den Rekordausschüttungen profitieren vor allem institutionelle Investoren wie Versicherungen, Pensions- und Investmentfonds sowie reiche Familien und Unternehmen, die in großem Stil in Aktien aus Deutschland investieren. Soweit es sich dabei um »deutsche« Institutionen handelt, halten diese sich oft auch im Ausland schadlos. So dürften die Gewinne, die 2019 in Europa (ohne Bundesrepublik) ausgeschüttet werden, etwa 300 Milliarden Euro und in Nordamerika umgerechnet über 400 Milliarden Euro erreichen.
Die Zahl der privaten kleinen und großen Aktionäre ging in Deutschland nach dem Platzen der DotcomBlase im Jahr 2000 deutlich zurück. Erst in den vergangenen Jahren stieg mit dem rasanten Anstieg der Börsenkurse auch wieder deren Zahl. Zuletzt zählte das Deutsche Aktieninstitut dennoch kaum fünf Millionen Aktionäre: Von 15 Bundesbürgern besitzt nur einer Aktien direkt.