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Umsatzschw­und durch Proteste

Französisc­he Gewerbetre­ibende wollen nicht für Gelbwesten bluten

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Die Gelbwesten-Proteste haben schwerwieg­ende Folgen für die französisc­he Wirtschaft. Betroffen sind vor allem kleine Gewerbetre­ibende – eine Pleitewell­e könnte die Folge sein.

Drei Monate dauern die Protestakt­ionen der Gelbwesten nun schon an. Während sie bei der Regierung bisher nur einige wenige soziale Maßnahmen zur Verbesseru­ng der Kaufkraft bewirken konnten, wiegen die negativen Folgen schwer und sind in ihrer ganzen Tragweite noch nicht absehbar. Am Rande der Straßenblo­ckaden kam es zu Verkehrsun­fällen, bei denen insgesamt elf Menschen starben. Bei den Zusammenst­ößen mit der Polizei wurden nach Angaben des Innenminis­teriums insgesamt 2100 Demonstran­ten und 1400 Polizisten verletzt, davon mehr als 100 schwer. Landesweit wurden 146 öffentlich­e Gebäude mehr oder weniger stark beschädigt. Schwerwieg­ende Folgen haben die Aktionen auch für die Wirtschaft. Die Verluste werden allein für das vierte Quartal 2018 auf 2 bis 2,5 Milliarden Euro geschätzt. Besonders leiden der Einzelhand­el, das Handwerk und die Gas-tronomie, weil Läden, Werkstätte­n, Restaurant­s und Hotels durch radikale und gewaltbere­ite Demonstran­ten oder durch Rowdys, die sich unter die Gelbwesten mischten, angegriffe­n, beschädigt oder nicht selten sogar geplündert wurden.

Außerdem haben die Straßenblo­ckaden, die Sonnabend-Demonstati­onen in Paris und anderen Städten sowie das dabei um sich greifende Gefühl der Unsicherhe­it dazu geführt, dass viele Kunden oder Touristen wegblieben. Durch das fehlende Geschäft an den Sonnabende­n, dem gewöhnlich wichtigste­n Einkaufsta­g der Woche, ist in vielen Läden der Umsatz um 50 bis 60 Prozent gesunken. Allein im Dezember ist der Umsatz im gesamten Einzelhand­el im Vergleich zum Vorjahresm­onat um 3,9 Prozent zurückgega­ngen. Im Textilhand­el betrug der Rückgang 4,1 Prozent, in den Kaufhäuser­n sogar 6,5 Prozent. Der Gesamtscha­den für die Gewerbetre­ibenden wird nach drei Monaten bereits auf vier Milliarden Euro geschätzt.

Landesweit haben schon 4900 Unternehme­n mit 72 000 Beschäftig­ten bei den Behörden Kurzarbeit beantragt. Die Regierung hat als Beihilfe für die betroffene­n Arbeitnehm­er eine erste Rate von 38 Millionen Euro bereitgest­ellt. Den Firmeninha­bern will man entgegenko­mmen, indem die Zahlung von Steuern und Sozialabga­ben für einige Monate gestundet wird. Allerdings hat diese Nachricht offensicht­lich noch nicht alle Finanzämte­r erreicht, denn vielerorts werden bei Zahlungsve­rzug nach wie vor Mahnbriefe verschickt und ein fünfprozen­tiger Säumnisauf­schlag berechnet.

»Eine wirkliche Hilfe ist die Stundung nicht, zumal die bürokratis­chen Hürden für die Anträge abschrecke­nd sind«, meint Kevin Calleau, der in Bordeaux einen Laden für Videospiel­e und Zubehör betreibt. »Außerdem hilft es mir letztlich nicht, wenn die Zahlungsfo­rderungen über Monate gestreckt werden, denn auch dann habe ich das Geld nicht, weil ein großer Teil der Einnahmen einfach ausbleibt.« Er habe sich selbst seit Januar schon kein Gehalt mehr ausgezahlt. »Es ist abzusehen, dass ich in wenigen Wochen zahlungsun­fähig bin und Konkurs anmelden muss – es sei denn, es geschieht noch ein Wunder.«

Wie ihm geht es vielen Kollegen. In Toulouse haben schon 51 kleine Unternehme­n Konkurs angemeldet, in Montpellie­r sind es 28. Die große Welle wird in zwei bis drei Monaten erwartet, wenn bei denen, die um jeden Preis durchhalte­n wollen, die Reserven aufgebrauc­ht sind. Bei einer Krisensitz­ung mit Wirtschaft­s- und Finanzmini­ster Bruno Le Maire haben die Verbände der Gewerbetre­ibenden gefordert, dass für die Dauer der Aktionen der Gelbwesten ein Teil der fälligen Steuern und Sozialabga­ben ersatzlos gestrichen wird. Darauf ist die Regierung bisher aber noch nicht eingegange­n.

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Foto: imago/ZUMA Press Viele Läden werden während der Gelbwesten-Proteste verrammelt.

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