Rot-schwarze Abschiebezentrale
Niedersachsen plant Landesbehörde zum Umsetzen des »Rückführungsvollzugs«
Flüchtlinge in Niedersachsen sollen nicht mehr von den Kommunen abgeschoben werden, sondern durch eine zentrale Landesbehörde. Den Plan der SPD/CDU-Regierung kritisiert nicht nur der Flüchtlingsrat.
In Deutschland möglichst viele Schutz suchende Menschen rasch wieder loswerden: Beschäftigte in Niedersachsens Städten und Landkreisen beherrschen diesen Job offenbar nicht so richtig. Da müssen Könner ran, die den amtlich verfügten Rauswurf perfekt beherrschen und die es verstehen, die Zahl der im zweitgrößten Bundesland misslungenen Abschiebungen von 4000 – so viele waren es im vergangenen Jahr – deutlich zu senken. Womöglich haben solche Gedanken die rot-schwarze Regierung in Hannover, allen voran Innenminister Boris Pis- torius (SPD), dazu bewogen, den sogenannten »Rückführungsvollzug« in die Hand einer noch zu schaffenden, zentralen Landesbehörde zu legen und den Kommunen die entsprechenden Aufgaben zu entziehen.
Voraussichtlich nahe der Grenze zu Nordrhein-Westfalen, in Osnabrück, wird die Dienststelle eingerichtet, von der sich der Innenminister mehr Effizienz erhofft, dass »Abschiebungen konsequenter umgesetzt werden«. Im laufenden Jahr sollen vorerst 50 Planstellen geschaffen werden für die neue Behörde.
Ein deutliches Nein dazu kommt von Niedersachsens Flüchtlingsrat. Dessen Geschäftsführer Kai Weber hat den Eindruck, dass die Landesregierung in puncto Abschiebung »den Rechtspopulisten hinterherläuft«, und er mahnt: Immer wieder komme es zu haarsträubenden Szenen, wenn Menschen nachts ohne Ankündigung zur Abschiebung abgeholt werden, obwohl schwere Krankheiten attestiert wurden und Gerichtsverfahren anhängig sind. Auch sei es mehrfach zu rechtswidrigen Abschiebungen und Abschiebungsversuchen gekommen, weil die örtlichen Behörden über den aktuellen Stand nicht informiert waren. Eine solche Entwicklung werde sich durch eine Abschiebungszentrale weiter verschärfen. Denn eine Ausländerbehörde vor Ort, so Weber, werde über aktuelle Entwicklungen stets besser informiert und näher an den Betroffenen dran sein als eine weit entfernte Landesdienststelle.
Vor gerade einmal vier Jahren, so der Geschäftsführer des Flüchtlingsrates, habe Boris Pistorius eine grundsätzliche Abkehr von der Abschiebungspolitik seines Vorgängers Uwe Schünemann (CDU) verkündet. Die Landesregierung, so des Ministers Credo 2014, wolle mehr Menschlichkeit in der Ausländer- und Flüchtlingspolitik an den Tag legen und bei Abschiebungen stärker »humanitäre Gesichtspunkte« beachten. Doch der Umgang mit den betroffenen Menschen habe sich inzwischen radikal geändert, berichtet Kai Weber. Die 2014 als Ausdruck von Fairness und Menschlichkeit gefeierte Ankündigung des Abschiebungstermins wurde gesetzlich untersagt, Abschiebungen zur Nachtzeit seien zur Regel geworden, und auch in Niedersachsen mehrten sich Abschiebungen, bei denen Familien getrennt werden.
Wie Weber erinnert sich auch der migrationspolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion an das Agieren des früheren Innenministers Schünemann und stellt fest: Es werde immer deutlicher, dass Boris Pistorius in seinem CDU-Amtsvorgänger »einen neuen Ideengeber« gefunden habe. Wenn der SPD-Innenminister mit Blick auf die geplante Behörde von einer effizienteren Abschiebepraxis spreche, sei das mehr als zynisch. »Für die Betroffenen bedeutet diese vermeintliche Effizienz noch mehr Beschränkungen und eine Vernachlässigung ihres berechtigten Schutzinteresses«, rügt Belit Onay. Er meint, der Landesregierung gehe es nicht mehr um einzelne Menschen und ihre Schicksale, sondern um größtmögliche Abschiebezahlen im bundesweiten Vergleich.
Auch in Niedersachsen mehren sich Abschiebungen, bei denen Familien getrennt werden.