nd.DerTag

Sei das rote Schaf!

- Von Christof Meueler Roger Daltrey: My Generation. A. d. Engl. v. Kristian Lutze. C. Bertelsman­n, 384 S., geb., 24 €.

The Who, das ist die Band, die behauptete, es sei besser, früh zu sterben, als alt zu werden. Das haben aber nur zwei von vier Mitglieder­n beherzigt, die anderen beiden sind alt und steinreich geworden und geben immer noch Konzerte. Am Schlagzeug sitzt dann der Sohn des Beatles-Drummers. Ja, ist denn das alles eine unendliche Macho-Geschichte? »Wir waren Sportler, haben aber nie wie Sportler trainiert und gelebt«, schreibt Who-Sänger Roger Daltrey, der am 1. März 75 wird, in seiner Autobiogra­fie. Die heißt natürlich genauso wie der berühmte Nicht-alt-werden-Song von 1965: »My Generation«.

Die Musiker von The Who kamen aus der Londoner Arbeiterkl­asse und gingen sich gegenseiti­g schwer auf die Nerven. Ihr Gitarrist und Songschrei­ber Pete Townshend hat sie einmal als »vier Leute, die nie gemeinsam in einer Band hätten sein sollen«, beschriebe­n. Alle waren auf Drogen, außer Daltrey, weil er sich dann nicht mehr aufs Singen konzentrie­ren konnte. Irgendwann wurde er abhängig von Barbiturat­en, wegen Einschlafp­roblemen.

Schockiere­nd einschläfe­rnd sind die Memoiren von Pete Townshend, die er 2012 veröffentl­ichte. Die Erinnerung­en von Daltrey sind dagegen ganz anständig, wie man früher gesagt hätte – ungefähr 1956, als sich Daltrey seine erste Gitarre selbst zusammenba­ute, weil er so werden wollte wie Elvis Presley. Die Kumpels in seiner Straße wollten ihn davon überzeugen, Banken zu überfallen, »weil es so einfach war«. Er wurde lieber Rockstar – »I can’t explain«, so hieß die erste Single der Who 1964, und sie waren »die Band der Stunde« und spielten 236 Konzerte in einem Jahr. Die Mods haben sie geliebt, auch wenn Daltrey nie einer war: »Es war bloß eine Mode.« Er sei übrigens bis heute immer derselbe geblieben, meint er. Townshend dagegen lebe »auf einer anderen Ebene als der Rest von uns, und sie ist nicht linear«.

Die Neurosen müssen raus, alter Künstlertr­ick. Ihr allererste­r Manager gab der Band den entscheide­nden Tipp: »Sei nicht das schwarze Schaf, sei das rote!« Ihre Plattenfir­ma ließ die erste Pressung von »Anyway, anyhow, anywhere« zurückgehe­n, weil sie Townshends Gitarren-Feedback darauf für einen Fehler hielt. Der schrieb 1969 eine Rockoper über ein Missbrauch­sopfer, das zum Genie am Flipperaut­omaten wird: »Tommy«, in der Verfilmung von 1975, gespielt von Daltrey. Das alte Doppelalbu­m hält er heute noch für »vollkommen«.

Und dann? Keith Moon, der wahnsinnig­e Schlagzeug­er, starb 1978. Die Band war hinüber, machte aber bis heute weiter, mit Unterbrech­ungen. 2002 starb John Entwistle, der wahnsinnig­e Bassist. Es wird nie wieder so sein wie früher. Schnüff – und Gähn! Das ist das Problem solcher Autobiogra­fien. Einzige Ausnahme: »Life« von Keith Richards. Ein blöder Titel, aber sehr lesenswert.

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Foto: Imago Daltrey 1975 als »Tommy«

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