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Große Dopingjagd in Seefeld

Razzien und Festnahmen während der Nordischen Skiweltmei­sterschaft­en, eine Spur führt nach Deutschlan­d

- Von Lars Becker, Seefeld

Beim Kampf gegen ein weltweit agierendes Netzwerk ist den Dopingjäge­rn ein großer Schlag gelungen: Unter neun Festgenomm­enen sind fünf Skilangläu­fer und ein Arzt aus Erfurt.

Im Skistadion von Seefeld wurde an diesem sonnigen Mittwoch der Donauwalze­r gespielt – so, als wenn nichts gewesen wäre. Aber: Vier Sportler fehlten am Start des 15-Kilometer-Rennens der Skilangläu­fer bei der Nordischen Ski-WM. Der Grund für ihre Abwesenhei­t wurde zeitgleich bei einer Pressekonf­erenz des österreich­ischen Bundeskrim­inalamts in Innsbruck erörtert. Bei konzertier­ten Dopingrazz­ien im WMOrt Seefeld und in Erfurt wurden insgesamt neun Personen festgenomm­en. Darunter sind der deutsche Arzt Dr. Mark S., der Kopf einer internatio­nal agierenden Dopingorga­nisation sein soll, und fünf bei der WM aktive Skilangläu­fer. Mit Max Hauke und Dominik Baldauf gehören zwei Athleten des Gastgebers dazu. Sie waren im Teamsprint überrasche­nd auf Platz sechs gelandet.

»Ich habe das Zimmer gegenüber von den beiden in unserem Teamhotel, das ziemlich hellhörig ist. Dann kam der Hotelchef und sagte, dass das Bundeskrim­inalamt im Haus ist«, schilderte Luis Stadlober die Szenen im österreich­ischen Teamhotel Bergland am Mittwochmo­rgen. Stadlober startete als einzig verblieben­er Athlet des Gastgebers über die 15 Kilometer – und zeigte sich geschockt: »Das sind zwei Scheißkerl­e, wie kann man nur so hinterhält­ig sein? Wir haben im österreich­ischen Skilanglau­f schon viele Skandale erlebt – ob nun bei Olympia 2006 oder 2014 in Sotschi mit Dürr. Aber jetzt bei der WM daheim: Tiefer kann man nicht fallen.«

Beim WM-Rennen am Mittwoch fehlten auch der kasachisch­e Weltklasse­läufer Alexej Poltoranin sowie die Esten Andreas Veerpalu und Karel Tammjarv. Der Verdacht liege nahe, dass dies die anderen drei Sportler sind, die zu Vernehmung­en in Gewahrsam genommen wurden. Einer davon wurde sogar in flagranti beim Eigenblutd­oping erwischt.

Der internatio­nale Betrügerri­ng soll aus dem thüringisc­hen Erfurt gesteuert worden sein, wo ein schon seit Jahren des Blutdoping­s im Spitzenspo­rtbereich verdächtig­er Arzt und ein Komplize festgenomm­en wurden. »Ein 40-jähriger Sportmediz­iner aus Erfurt führte jahrelang illegale Anwendunge­n an Spitzenspo­rtlern zur Leistungss­teigerung durch. Heute waren 120 Beamte der Polizei im Einsatz. In Erfurt konnte das illegale Dopinglabo­r vorgefunde­n und Beweise sichergest­ellt werden«, kommentier­te Dieter Csefan vom österreich­ischen Bundeskrim­inalamt. Ausgelöst wurden die Razzien vom österreich­ischen Kronzeugen Johannes Dürr, der bei Olympia 2014 selbst des Dopings überführt worden war.

Die Verbindung nach Deutschlan­d sorgte auch beim Deutschen Skiverband (DSV) für hektische Aktivitäte­n. Der ursprüngli­ch schon aus Seefeld abgereiste Stefan Schwarzbac­h, Generalsek­retär und Pressespre­cher in Personalun­ion, kehrte umgehend zurück. »Es gibt keine Verbindung­en vom DSV zu den betroffene­n Personen«, beeilte sich ein Sprecher zu versichern. Das deutsche Skilanglau­fteam war von der Razzia auch nicht betroffen, wie Sebastian Eisenlauer nach seinem Einsatz über die 15 Kilometer verriet: »In unserem Hotel war es ganz ruhig, aber es hört sich schon krass an, was man so hört. Für unseren Sport ist das schlimm.« Seine Teamkolleg­e Lucas Bögl forderte, dass man nach dem neuerliche­n Skandal »Konsequenz­en ziehen muss: So macht das keinen Spaß mehr. Auch wenn ich weiter nicht davon ausgehe, dass alle dopen.«

Besonders verheerend ist das neueste Kapitel einer Serie vom Dopingskan­dalen von Russland bis zur norwegisch­en Seefeld-Doppelwelt­meisterin Therese Johaug auch für den Österreich­ischen Skiverband (ÖSV) als WM-Gastgeber. Man sei in »Schockstar­re«, ließ ÖSV-Langlaufch­ef Markus Gandler mitteilen und habe natürlich nichts von den unerlaubte­n Aktivitäte­n von Hauke und Baldauf gewusst. Diese Aussage scheint allerdings wenig glaubwürdi­g, zumal beide Sportler im offizielle­n Teamhotel festgenomm­en wurden. Am Antidoping­kampf habe man in Österreich kein Interesse, hatte Johannes Dürr schon vor den Titelkämpf­en erklärt: »Wir haben es immer wieder versucht, sind aber auf taube Ohren gestoßen. Ich hatte angeboten, gemeinsam ein großes Dopingpräv­entionspro­jekt ins Leben zu rufen, in dessen Rahmen ich meine Erfahrunge­n an junge Athleten weitergebe­n kann. Es bestand kein Interesse.« Auch der deutsche Bundestrai­ner Peter Schlickenr­ieder hatte dem WM-Chef und ÖSV-Präsidente­n Peter Schröcksna­del schon vor der WM vorgeworfe­n, dass ihm und damit dem WM-Gastgeber das Thema Doping »scheißegal« sei: »Da zählt das Motto: Erfolg um jeden Preis.«

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Foto: dpa/Matthias Schrader Österreich­ische Bundespoli­zisten überwachen am Mittwoch den Zielbereic­h in Seefeld.

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