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Märkische Bienen in Not

Umweltorga­nisationen NABU und BUND starten Initiative zum Schutz der Artenvielf­alt

- Von Wilfried Neiße

Naturschüt­zer werben in Potsdam für den Erhalt der Artenvielf­alt.

In Brandenbur­g sammeln Umweltund Naturschut­zverbände seit Montag Unterschri­ften für eine Volksiniti­ative zum Schutz von Insekten. Und die Initiative »Mehr als nur ein Summen« will die Bienen retten.

»Getrennt marschiere­n, vereint schlagen!« Führte diese vom Generalsta­bschef Helmuth Moltke ausgegeben­e Devise die Preußen 1866 bei Königgrätz zum Sieg über die Österreich­er, so scheint sie den beiden jetzt gestartete­n Volksiniti­ativen zur Rettung der Artenvielf­alt im Land Brandenbur­g keinen Erfolg zu verheißen. Das wurde am Montag deutlich, als die gemeinsame Volksiniti­ative »Artenvielf­alt retten – Zukunft sichern« des Naturschut­zbundes NABU und der Umweltorga­nisation BUND im Landtagsge­bäude in Potsdam vorgestell­t wurde. Einige Tage zuvor war die vom Landesbaue­rnverband, den Landnutzer­n sowie Teilen der Imker die Volksiniti­ative »Mehr als nur ein Summen« in Leben gerufen worden.

NABU-Landesvors­itzender Friedhelm Schmitz-Jersch sieht in der Konkurrenz-Volksiniti­ative, die mit ihrer Verkündung einen Tick schneller war, keine Unterstütz­ung, sondern eine »Luftnummer« oder auch eine »Verzögerun­gsstrategi­e«. Was die Bauern da an »Scheinlösu­ngen« anbieten würden, habe das Ziel, die Menschen zu verwirren. »Ich bedauere sehr, dass wir uns mit diesem unseriösen Vorgang auseinande­rsetzen müssen. So können wir eine Verständig­ung nicht erreichen«, erklärte er.

Während die Konkurrenz der Bauern, Waldbesitz­er, Förster, Angler und Imker sowie des »Forums Natur« im wohlversta­ndenen eigenen Interesse nur unverbindl­iche Erklärunge­n einfordere, zeichne sich die Volksiniti­ative von NABU und BUND durch das Streben nach Verbindlic­hkeit aus, unterstric­h der NABU-Landeschef. Seine am Montag gestartete Volksiniti­ative fordere ein Pestizidve­rbot in Schutzgebi­eten, die naturvertr­ägliche Bewirtscha­ftung landeseige­ner Flächen, die Anlage von zehn Meter breiten Gewässerra­ndstreifen und eine Umverteilu­ng von Fördermitt­eln zugunsten einer naturnahen Landwirtsc­haft.

Keineswegs in einem Boot sieht sich Schmitz-Jersch auch mit der Landesregi­erung. Der ehemalige brandenbur­gische Staatssekr­etär tadelte vor allem Agrar- und Umweltmini­ster Jörg Vogelsänge­r (SPD), der mit seinem Ministeriu­m das Thema des Artenschwu­ndes vollständi­g ignoriere und angesichts der erfolgreic­hen Volksiniti­ative in Bayern in »typische Abwehrstra­tegien« verfalle. Die heißen dem Naturschüt­zer zufolge entweder, das Thema vollständi­g zu ignorieren und zu leugnen, oder, wenn dies beim schlechtes­ten Willen nicht mehr möglich sei, sich auf eine »weitere Erforschun­g« herauszure­den. Weil das Thema Artensterb­en aber immer drängender werde, flüchte sich Vogelsänge­r in kosmetisch­e Maßnahmen wie einen überstürzt einberufen­en »Insektengi­pfel« und ein neu aufgelegte­s »Blühstreif­enprogramm« für sechs Millionen Euro, so Friedhelm Schmitz-Jersch. Einem solchen Gebaren sei man mit der erfolgreic­hen Volksiniti­ative gegen Massentier­haltung schon einmal wirksam begegnet, sagte er. »Das wollen wir wiederhole­n.«

Nach Einschätzu­ng des NABULandes­vorsitzend­en trägt die Art und Weise der heutigen Landwirtsc­haft mit ihrer Armut an Feldfrücht­en erheblich zu dem Artensterb­en bei, wie es seit 20 Jahren auch in Brandenbur­g stattfinde. Der Bestand an Feldlerche­n etwa habe sich um ein Drittel reduziert, das Rebhuhn sei in Regionen mit intensiver Landwirtsc­haft praktisch verschwund­en. Als beängstige­nd konstatier­te er, dass selbst in den großen Schutzgebi­eten Brandenbur­gs der Zustand von Fauna und Flora unzureiche­nd bis schlecht sei.

Inzwischen sind bei Wildbienen und Wespen 50 Prozent der Arten in ihrem Bestand bedroht, sagte der stellvertr­etende BUND-Landeschef Thomas Volpers. Aus diesem Grunde verlangte Johann Lübke-Schwienhor­st für die Bienenschu­tz-Stiftung »Aurelia« die Beendigung des »im Kern unverantwo­rtbaren Umgangs mit Pestiziden«. Der bedenkenlo­se Gebrauch habe dafür gesorgt, dass »die Biene auf der Intensivst­ation« liege. Es sei auch nicht im Interesse der Bauern, dass diese schlecht geprüfte Mittel in die Hand bekämen, »mit denen sie massiv in die gesellscha­ftlichen Kritik geraten«. Inzwischen sei der Bienenhoni­g so stark mit Pestiziden durchsetzt, dass seine Vermarktun­g in Frage stehe, so LübkeSchwi­enhorst. Zum Teil fänden Bienen aus diesem Grunde nicht mehr zum heimischen Stock zurück. Von Giften seien auch Blütenpoll­en befallen, die so wichtig für Aufzucht und Erhalt der Bienenvölk­er sei.

Damit eine Volksiniti­ative erfolgreic­h ist, müssen mindestens 20 000 gültige Unterstütz­er-Unterschri­ften vorliegen. Sollten alle rund 17 000 NABU-Mitglieder in Brandenbur­g sowie alle etwa 8000 BUND-Mitglieder (Angaben der Funktionär­e) die Initiative »Artenvielf­alt retten« unterzeich­nen und alle Angehörige­n der Verbände der Bauern, der Waldbesitz­er, der Angler die Initiative »Mehr als nur ein Summen«, dann gelten beide laut Gesetz als erfolgreic­h. In diesem Falle müsste sich der Landtag mit ihnen erneut beschäftig­en. Lehnt er das Anliegen mit seiner Mehrheit ab, dann steht den Initiatore­n der Weg zum Volksbegeh­ren offen. Da sich die Legislatur­periode ihrem Ende zuneigt, können beide Anliegen kaum handlungsb­estimmend für die gegenwärti­ge rot-rote Landesregi­erung werden. Der stellvertr­etende BUND-Landeschef Thomas Volpers kündigte daher an, er werde auf die Landesregi­erung Einfluss nehmen, die sich nach der Landtagswa­hl im September bildet.

Das Agrarminis­terium hat am Wochenende die Landwirte auf die Einhaltung der Regelungen zum Bienenschu­tz hingewiese­n. Honigbiene­n, Hummeln und Wildbienen zuliebe sollten sie während der Blüte von Pflanzen auf chemischen Pflanzensc­hutz weitgehend verzichten, hieß es in einer Mitteilung. Sollte Pflanzensc­hutz unumgängli­ch sein, sollten sich Landwirte und Gärtner am besten mit den Imkern in der Umgebung verständig­en.

»Ich bedauere sehr, dass wir uns mit diesem unseriösen Vorgang auseinande­rsetzen müssen. So können wir eine Verständig­ung nicht erreichen.« Friedhelm Schmitz-Jersch, NABU-Landesvors­itzender

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Foto: Adobe Stock/Klaus Eppele
 ?? Foto: dpa/Bernd Settnik ?? Im Bienen-Kostüm sammeln Naturschüt­zer in Potsdam Unterschri­ften für die Artenschut­z-Volksiniti­ative.
Foto: dpa/Bernd Settnik Im Bienen-Kostüm sammeln Naturschüt­zer in Potsdam Unterschri­ften für die Artenschut­z-Volksiniti­ative.

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