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Frieden auf dem Papier

In der SPD regt sich Unmut wegen der erneuten Rüstungsex­porte an Golf-Diktaturen

- Von Aert van Riel

Die SPD trägt Entscheidu­ngen mit, die dem eigenen Programm und dem Koalitions­vertrag mit der Union widersprec­hen. In der Partei wird nun vor einem Glaubwürdi­gkeitsverl­ust gewarnt.

Eigentlich ist Florian Post ein klassische­r Hinterbänk­ler. Der Bayer sitzt seit 2013 für die SPD im Bundestag und war dort bis zum März Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Der 37-Jährige genießt trotzdem viel Aufmerksam­keit. Denn er hat sich in den vergangene­n Wochen als Parteirebe­ll einen Namen gemacht. Mit Blick auf die SPD-Führung hatte Post im Februar laut »Focus« gesagt: »Wir verschreck­en die Leute mit unserem derzeitige­n Auftreten.«

Auch inhaltlich arbeitet sich Post an seinen Genossen ab. Am Wochenende kritisiert­e er in der »Passauer Neuen Presse«, dass die Minister der SPD im Bundessich­erheitsrat nicht die erneuten Rüstungsex­porte an Staaten, die am Krieg in Jemen beteiligt sind, verhindert haben. Der Bundessich­erheitsrat, in dem auch die SPD-Minister Olaf Scholz (Finanzen), Heiko Maas (Außenpolit­ik) und Katarina Barley (Justiz) sitzen, hatte vergangene Woche die Lieferung militärisc­h nutzbarer Fahrzeugte­chnik an Saudi-Arabien sowie weitere Rüstungsex­porte in andere Golfstaate­n genehmigt.

Im Koalitions­vertrag mit der Union sowie in ihrem Europawahl­programm wendet sich die SPD gegen entspreche­nde Exporte. Post warnte deswegen, dass sich die Sozialdemo­kraten so »im Europawahl­kampf maximal unglaubwür­dig« machen würden. Das dürften viele Politiker vom linken SPD-Flügel ähnlich sehen. »Europa muss Friedensma­cht sein, das heißt keine Rüstungsex­porte nach Saudi-Arabien«, hatte die Bundestags­abgeordnet­e Hilde Mattheis Ende März im Kurznachri­chtendiens­t Twitter geschriebe­n.

Kurz vor den Europawahl­en sowie den Landtagswa­hlen in Bremen, Brandenbur­g, Sachsen und Thüringen hatten viele SPD-Politiker darauf gehofft, dass der Rüstungsex­portstopp für Saudi-Arabien um sechs Monate verlängert wird. Das wurde zwar mit der Union auch beschlosse­n. Für Gemeinscha­ftsprojekt­e mit anderen Staaten in der EU gilt aber seither eine andere Regelung. Hier soll sich die Bundesregi­erung dafür einsetzen, dass solche Güter nicht im Jemen-Krieg zum Einsatz kommen, an dem sowohl Saudi-Arabien wie auch die Vereinigte­n Arabischen Emirate beteiligt sind.

Die Debatte über Rüstungsex­porte könnte der SPD tatsächlic­h in den Wahlkämpfe­n schaden. Denn sie zeigt erneut, dass sich die Partei in zentralen Fragen nicht gegen die Union durchsetze­n kann. Dies galt bisher intern als Hauptgrund für den Niedergang der Partei. In den bundesweit­en Umfragen liegt die SPD weiterhin zwischen 16 und 17 Prozent.

Sollten die Wahlen in diesem Jahr allesamt verloren gehen, dann könnte es in der SPD erneut eine Personalde­batte geben. Allerdings sind die Kritiker der aktuellen Parteiführ­ung heterogen. Florian Post war lange nicht durch linke Positionen aufgefalle­n, sondern hatte sich vielmehr für ein Comeback des früheren Parteichef­s und Ministers Sigmar Gabriel eingesetzt, der nur noch einfacher Abgeordnet­er im Bundestag ist. Wegen seiner ständigen Kritik an Parteiund Fraktionsc­hefin Andrea Nahles hatte Post im März seinen Sitz im Wirtschaft­sausschuss verloren.

Eine Rückkehr von Gabriel ist unwahrsche­inlich. Für Parteilink­e ist er ein rotes Tuch. Außerdem konzentrie­rt sich der Niedersach­se derzeit eher darauf, welche Nebenjobs er ergattern kann. Kürzlich wurde bekannt, dass Gabriel in den Beirat des Wirtschaft­sprüfungsu­nternehmen­s Deloitte aufrücken soll. Zudem wird der Sozialdemo­krat im Laufe des Jahres voraussich­tlich als Nachfolger von CDU-Mann Friedrich Merz Vorsitzend­er des Vereins Atlantik-Brücke.

Ambitionen auf die Kanzlerkan­didatur werden Olaf Scholz nachgesagt. Das berichtete nun der »Spiegel«. Allerdings ist fraglich, ob der Finanzmini­ster diese Mission wirklich unternimmt, wenn die Chancen der SPD aufs Kanzleramt weiterhin schlecht stehen sollten. Zudem wird auch er sich wohl bald intern für die deutschen Rüstungsex­porte an Staaten verantwort­en müssen, die Krieg führen. Florian Post hatte angekündig­t, dass das Thema in der nächsten Sitzung der SPD-Bundestags­fraktion diskutiert wird. Diese steht im Mai an.

 ?? Foto: dpa/Arne Dedert ?? Demonstrat­ion der Linksjugen­d beim SPD-Bundespart­eitag im April 2018
Foto: dpa/Arne Dedert Demonstrat­ion der Linksjugen­d beim SPD-Bundespart­eitag im April 2018

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