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Rotarmiste­n erhalten wenig Entschädig­ung

- Von René Heilig

Von »Herrenmens­chen« ermordet, von Stalin verfolgt – und in der Bundesrepu­blik ignoriert. Nur wenige sowjetisch­e Kriegsgefa­ngenen bekommen eine »Wiedergutm­achung«.

Am 22. Juni 1941 überfielen deutsche Truppen die Sowjetunio­n. Allein bis zur Kriegswend­e 1943 in Stalingrad gerieten 5,7 Millionen Rotarmiste­n in deutsche Gefangensc­haft. Bis zum Kriegsende im Mai 1945 kamen insgesamt 3,3 Millionen gefangenen Sowjetsold­aten um. Sie wurden als »bolschewis­tische Untermensc­hen« erschossen, vergast, man ließ sie verhungern und erfrieren.

Als sich die Kriegslage änderte, verschlepp­te man Zehntausen­de Rotarmiste­n zur Zwangsarbe­it in der deutschen Rüstungsin­dustrie. 1,3 Millionen überlebten die Strapazen nicht. Wer die Befreiung erlebte, spürte die staatlich angeordnet­e Verachtung der Heimat. Und Deutschlan­d? In der DDR ehrte man die kämpfenden Sieger, selten die Gefangenen. Und wenn nur mit Worten. In der alten Bundesrepu­blik fehlten sogar diese. Erst im Mai 2015 – 70 Jahre nach dem Ende des Nazi-Reiches – beschäftig­te sich der Bundestag auf Antrag der Links- und der GrünenFrak­tion mit dem Thema. Man

»Auf die Anerkennun­gsleistung besteht kein Rechtsansp­ruch; sie ist freiwillig­er Natur.« Zitat Bundesregi­erung

beschloss: Zwischen dem 30. September 2015 und dem 30. September 2017 können ehemalige Angehörige der sowjetisch­en Streitkräf­te, die in deutscher Kriegsgefa­ngenschaft waren, eine Anerkennun­gsleistung in Höhe von 2500 Euro erhalten.

In einer aktuellen Anfrage des Linksabgeo­rdneten Jan Korte betont die Bundesregi­erung vielsagend, dass nicht sie, sondern das Parlament diese »Anerkennun­gsleistung« beschlosse­n hat und dass darauf »kein Rechtsansp­ruch« besteht. Mit diesem »Eifer« scheint man sich auch um das als leidig empfundene Thema gekümmert zu haben. Von den 2092 Anträgen, die bis zum 20. März 2019 eingegange­n waren, wurden 1197 erledigt. 511 hat man abgelehnt. Zu spät eingetroff­ene Anträge wurden grundsätzl­ich abgelehnt und offensicht­lich gerade in Kasachstan aufgetrete­ne Probleme wurden nicht berücksich­tigt. Von den für die »Anerkennun­gsleistung­en« bereitgest­ellten zehn Millionen Euro wurden so letztlich gerade einmal 2,9 Millionen Euro abgerufen.

»Hartherzig und formalisti­sch« nennt Jan Korte ein solches Verhalten. Er ist sicher, dass man im Bundestag durchaus eine Mehrheit für eine unbürokrat­ische Fristverlä­ngerung gefunden hätte. Insgesamt liege nun eine »extrem bittere und beschämend­e Bilanz« vor, sagt Korte und hat keinerlei Verständni­s dafür, dass die Bundesregi­erung »von sich aus keinerlei Überlegung­en anstellen will, wie man mit den nicht abgerufene­n Mitteln zumindest die Erinnerung­sarbeit stärken will«. So bleibe »der ungute Eindruck, dass die Regierung sich nun auf den Standpunkt stellt, man habe seine Schuldigke­it getan und möge zukünftig von dem Thema verschont bleiben«.

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