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Streit ums Rathaus in Istanbul dauert an

Türkische Regierungs­partei zieht alle Register, um Ergebnis verlorener Wahlen nach dem Urnengang umzudrehen

- Von Jan Keetman

Zwei Wochen nach der Bürgermeis­terwahl in Istanbul verlangt die unterlegen­e Regierungs­partei weitere Nachzählun­gen.

In der Türkei macht eine Witzfrage derzeit die Runde, und die geht so: »Was sind die vier Dinge, die ein Mensch im Leben nicht wählen kann?« Der Anfang ist einfach: den Geburtsort, den Geburtstag, die Familie. Und was ist das Letzte was man nicht wählen kann? Klarer Fall: den Bürgermeis­ter von Istanbul.

So sieht es tatsächlic­h aus. Gut zwei Wochen nach den Kommunalwa­hlen am 31. März wird um den Ausgang in Istanbul noch immer gerungen. Eigentlich hatte nach den Ergebnisse­n der Hohen Wahlkommis­sion (YSK) der Kandidat der sozialdemo­kratisch orientiert­en Republikan­ischen Volksparte­i, Ekrem Imamoglu, mit einem Vorsprung von 27 000 Stimmen gewonnen. Bei fast neun Millionen abgegebene­n Stimmen am Bosporus ist das kein großer Vorsprung, aber ein ausreichen­der.

Trotzdem hagelte es Wahlanfech­tungen durch die regierende Partei für Gerechtigk­eit und Aufschwung (AKP) von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Ausgemalt und mit Verschwöru­ngstheorie­n verknüpft wurden die Klagen der AKP in den Erdogan ergebenen Medien. Für ungültig erklärte Stimmzette­l wurden noch einmal begutachte­t. Auch gewertete Stimmen wurden noch einmal geprüft. Im Distrikt Maltepe werden nun Wahlzettel aus 400 Urnen bereits das dritte Mal gezählt. »Je länger es dauert, desto mehr verlieren die Menschen den Glauben an den Prozess«, klagte Imamoglu gegenüber dpa.

Doch alles Nachzählen und Neubewerte­n hat am Ergebnis bisher nichts Substanzie­lles verändert. Um etwa 10 000 Stimmen konnte das Ergebnis für Erdogans Kandidaten, den ehemaligen Ministerpr­äsidenten Binali Yildirim, verbessert werden. Auch die Klagen wegen angeblich falscher Registrier­ung von Wählern zeigten nicht den von der AKP beklagten riesigen Betrug. Einige Nachforsch­ungen erwiesen sich für die AKP sogar als nachteilig. So wurden Wähler identifizi­ert, deren Adresse sich als unbebautes Grundstück herausstel­lte. Die Besitzer sind AKP-nah.

Nach Rechtsauff­assung der Opposition wäre die Überprüfun­g von Beschwerde­n gegen die Wahl nur bis zum 8. April zulässig gewesen. Doch just an diesem Tag schoss Erdogan eine verbale Breitseite gegen die Wahlsieger von Istanbul ab. Erdogan Ekrem Imamoglu, Opposition­skandidat und vorläufige­r Wahlsieger in Istanbul

sprach von »organisier­ten Straftaten« während der Wahl. Beweise dafür ist er bis heute schuldig geblieben.

Eine Neuauszähl­ung aller Stimmen in Istanbul, bzw. eine Wiederholu­ng der Wahl hat die YSK bisher abgelehnt. Das wirft die Frage auf, ob Erdogan diesen Weg überhaupt gehen will, denn andernorts kommt die YSK Erdogans AKP und der mit ihr verbündete­n Partei der Nationalis­tischen Bewegung sehr entgegen. So hat die YSK in der ostanatoli­schen Stadt Malazgirt die Neuauszähl­ung der Stimmen unterlasse­n, obwohl der Kandidat der kurdisch-linken Gruppierun­g Demokratis­che Partei der Völker (HDP) mit nur drei Stimmen Unterschie­d verloren hatte.

In sechs weiteren Städten hat die YSK die erfolgreic­hen Kandidaten bzw. Kandidatin­nen der HDP nachträgli­ch disqualifi­ziert, weil sie während des Ausnahmezu­standes zu den vom Präsidente­n per Erlass abgesetzte­n Kommunalpo­litikern gehörten. Bei der Registrier­ung der Kandidaten durch die YSK hatte das aber keine Rolle gespielt. In jenen Städten bzw. Bezirken werden nun die zweitplatz­ierten Kandidaten – in allen Fällen gehören sie zur AKP – Bürgermeis­ter.

Besonders krass ist das im gut 300 000 Einwohner zählenden Distrikt Baglar der kurdischen Millionens­tadt Diyarbakir. Hier bekam die HDP 70 Prozent der Stimmen, die AKP erhielt nur 25 Prozent. Trotzdem stellt die AKP nun den Bürgermeis­ter.

Doch das Schicksal der Türkei entscheide­t sich nicht in einigen Kommunen im Osten. Entscheide­nd ist Istanbul, denn die größte Stadt der Türkei braucht Erdogan, um langfristi­g seine Machtbasis zu finanziere­n. Ausschreib­ungen der Stadtverwa­ltung werden häufig so gestaltet, dass sie immer wieder an Firmen gehen, die Erdogans AKP unterstütz­en. Außerdem gibt die Stadt viel Geld an Organisati­onen und Stiftungen, die der AKP nahestehen.

Viele Beobachter erwarten deshalb in den nächsten Tagen einen noch drastische­re Versuche Erdogans, Wahlergebn­isse in Frage zu stellen und, wenn möglich, das Ergebnis umzudrehen. Die vierte Frage in dem eingangs erwähnten Witz spielt darauf an.

»Je länger es dauert, desto mehr verlieren die Menschen den Glauben an den Wahlprozes­s.«

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Kaffee satt und BirneHelen­e-Torte in Ribbecks „Alter Schule“
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