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Der vorerst letzte seiner Art

Der größte Windpark vor der deutschen Ostseeküst­e geht diesen Dienstag offiziell in Betrieb

- Von Jörg Staude

Der Offshore-Windpark Arkona zwischen Rügen und Bornholm liefert bereits seit einigen Monaten Strom. Jetzt wird die Inbetriebn­ahme mit Politpromi­nenz gefeiert. Die Kritik an dem Projekt ist geblieben.

Großer Bahnhof diesen Dienstag in Sassnitz-Mukran auf Rügen: Zum offizielle­n Start des Offshore-Windparks Arkona haben sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpr­äsidentin Mecklenbur­gVorpommer­ns, Manuela Schwesig (SPD), angekündig­t. Auch Norwegens Energiemin­ister Kjell-Børge Freiberg und der französisc­he Umweltmini­ster François de Rugy sollen zugesagt haben. Beim erwarteten Drücken roter Buttons werden viele schöne Worte zum Thema Energiewen­de und Klimaschut­z fallen. Die Kanzlerin selbst ließ es sich nicht nehmen, in ihrem jüngsten Podcast das bereits Bekannte zu bekräftige­n: dass die Bundesregi­erung bis zum Jahresende die »rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen« dafür setzen wolle, um das Klimaziel für 2030 zu erreichen. Mit ihrem Besuch auf Rügen wolle sie deutlich machen, wie sehr ihr am Ausbau der Erneuerbar­en gelegen sei.

Tatsächlic­h aber wird der Windpark Arkona für einige Zeit der letzte seiner Art sein, der vor den deutschen Küsten in Betrieb geht. Seit dem Baubeginn 2016 ließen der Essener Energiekon­zern E.on und der norwegisch­e Gas- und Ölkonzern Statoil, heute Equinor, mit einem Aufwand von 1,2 Milliarden Euro 35 Kilometer nordöstlic­h von Rügen insgesamt 60 Windräder in den Meeresbode­n rammen. Schon seit September 2018 speist Arkona bis zu 385 Megawatt Windstrom ins Netz ein.

Das Projekt ist durchaus umstritten. So erscheint der Standort Arkona aus Sicht des Naturschut­zbundes Nabu ungeeignet. Der Windpark liege direkt zwischen den Schutzgebi­eten »Adlergrund« und »Westliche Rönnebank«, die beide für ihre Riffe und Schweinswa­lvorkommen bekannt sind. Auch innerhalb des Windparks Arkona selbst wurden großräumig­e Riffe nachgewies­en. »Werden Riffe durch einen Windpark überbaut, gehen sie dauerhaft verloren«, betont Anne Böhnke-Henrichs, Meeresschu­tzexpertin beim Nabu. »Zwar argumentie­ren Windparkbe­treiber häufig, dass ihre Anlagen rasch von Organismen besiedelt würden und damit ein künstliche­s Riff darstellte­n.« Naturschut­zfachlich sei das aber abzulehnen, »da hier künstliche­s Material besiedelt wird, das zudem strukturar­m ist«, sagt die Expertin. Der Nabu hält darüber hinaus den ökologisch­en Zustand der Ostsee für so schlecht, dass das Binnenmeer vom weiteren Ausbau der Offshore-Windenergi­e ausgenomme­n werden sollte.

Mit der Inbetriebn­ahme von Arkona steigt die installier­te Windkraftk­apazität in der deutschen Ostsee auf knapp über 1000 Megawatt, in der deutschen Nordsee sind es derzeit rund 5300 Megawatt. Damit ist die im Erneuerbar­e-Energien-Gesetz (EEG) für die Offshore-Windenergi­e als Ziel bestimmte Gesamtkapa­zität von 6500 Megawatt so gut wie erreicht.

Für 2030 werden bisher auf See 15 000 Megawatt avisiert. Wie die erreicht werden sollen, steht allerdings auf ziemlich wackligen Fundamente­n. In den jüngsten Ausschreib­ungen 2017 und 2018 wurden Projekte mit zusammen 3100 Megawatt in der Nord- und Ostsee auf den Weg gebracht. Sie sollen alle spätestens 2025 in Betrieb gehen. Dann beträgt die Offshore-Kapazität aber erst knapp 11 000 Megawatt. Es fehlen also über 4000 Megawatt zum 2030er Ziel.

Auch das ist, wie die Windbranch­e anmerkt, noch viel zu wenig, wenn die Bundesregi­erung ihr Vorhaben umsetzen will, im Jahr 2030 65 Prozent erneuerbar­e Quellen im Strommix zu haben. Dazu müssten dann mindestens 20 000 Megawatt in Nord- und Ostsee installier­t sein. Zumindest wirtschaft­lich scheint dies machbar, weil schon einige große Offshore-Projekte in den 2020er Jahren ganz ohne EEG-Zuschüsse auskommen wollen.

E.on und Equinor müssen sich über die künftigen Einnahmen aus dem Windpark Arkona nicht so sehr den Kopf zerbrechen. Ihr Projekt lief noch nicht über Ausschreib­ungen, sondern wurde klassisch nach alten EEG-Konditione­n genehmigt. Die Betreiber entschiede­n sich dabei für das sogenannte Stauchungs­modell. Dabei erhält der Windpark in den ersten acht Jahren eine Förderung von 19,4 Cent je Kilowattst­unde – normalerwe­ise gibt es 15,4 Cent in den ersten zwölf Jahren. Weil der Arkona-Windpark aber mehr als zwölf Seemeilen von der Küste entfernt ist und auch in größerer Wassertief­e als 20 Meter errichtet wurde, können sich E.on und Equinor nach den acht Jahren weitere sechs Jahre lang an einem Zuschuss von 15,4 Cent erfreuen. Erst ab dem 15. Jahr – also weit nach 2030 – sinkt die auf 20 Jahre angelegte EEG-Förderung auf 3,9 Cent je Kilowattst­unde.

Wie viel davon wirklich in den Kassen der Betreiber klingelt, hängt allerdings vom Börsenstro­mpreis und anderen Faktoren ab, denn OffshoreWi­ndparks befinden sich in der sogenannte­n Direktverm­arktung. Auch um Abregelung­en, durch die zeitweise kein Strom abgenommen wird, kommt man nicht gänzlich herum. Weil Arkona aber am Hochspannu­ngsnetz hängt, hofft E.on, von Netzengpäs­sen weniger betroffen zu sein als zum Beispiel Windkraft an Land. Und bis 2030 sollen ja auch einige der großen Trassen, die Windstrom aus dem Norden in den Süden bringen, fertiggest­ellt sein. Das jedenfalls ist auch der Kanzlerin Wille.

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Foto: dpa/Stefan Sauer Blick auf den Offshore-Windpark »Arkona« in der Ostsee vor der Insel Rügen

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