Paukenschläger
Gleich die erste Rede von Choe Ryong Hae als Nordkoreas nominelle Nummer eins war ein Paukenschlag und eine Kampfansage an die Nachbarn im Süden. Denn Choe verlautete darin den neuesten Titel von Kim Jong Un, der formell nur Nummer zwei ist: Kim lässt sich von nun an »oberster Repräsentant des gesamten koreanischen Volkes« nennen – eine überraschende und klare Ansage, dass Pjöngjang eine Wiedervereinigung der koreanischen Halbinsel unter Kims Führung anstrebt, die bisher vermieden wurde.
Mit Choe Ryong Hae kann sich ein Vertrauter Kims – es kursieren Berichte, wonach einer von Choes Söhnen mit Kims einflussreicher Schwester Kim Yo Jong verheiratet ist – auf einer der wichtigsten Positionen des Landes festigen. Der 1950 geborene Choe wurde auf der konstituierenden Sitzung der vor einem Monat neu gewählten Obersten Volksversammlung am Donnerstag zum Vorsitzenden des Parlamentspräsidiums gewählt. Sein Vorgänger, der 91-jährige Kim Yong Nam ab, war 21 Jahre lang als nominelles Staatsoberhaupt das außenpolitische Gesicht des Landes. Ob Choe, der laut nordkoreanischen Medien bei der Sitzung auch zum ersten Stellvertreter Kim Jong Uns in die Kommission für Staatsangelegenheiten gewählt worden sein, dem wichtigsten Entscheidungsgremium des Landes, allerdings außenpolitisch aktiv wird, ist ungewiss.
Erst im Dezember war Choe mit drei weiteren Nordkoreanern wegen des Atomwaffenprogramms auf eine Sanktionsliste der USA gesetzt worden. US-Finanzminister Steven Mnuchin warf ihm damals vor, für »brutale staatliche Zensur, Menschenrechtsverletzungen und Missbrauch« verantwortlich zu sein.
Dass der Paukenschlag von Choe die Nachbarn in Seoul nicht verschreckt hat, zeigte am Montag Präsident Moon Jae In, der Kim zu einem vierten innerkoreanischen Gipfel einlud. Die Gespräche um eine Lösung des Atomstreits könnten also weitergehen, und Choe könnte eine wichtige Rolle spielen.