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Heißer Abriss statt Enteignung

Andreas Koristka schlägt eine radikale, zügige Lösung des Wohnungspr­oblems vor

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Früher war alles in Ordnung. Die Pflichten aus der Hausordnun­g wurden ordentlich erfüllt, Musik wurde nach 22 Uhr nur noch in Zimmerlaut­stärke gehört und pro Hauseingan­g gab es höchstens eine Person, die regelmäßig im Fahrradkel­ler das Wasser abschlug. Man grüßte sich im Aufgang, brachte sich Brot vom Bäcker mit, sprengte sich gegenseiti­g zu Silvester die Briefkäste­n und die Mieterhöhu­ngen entnahm man jährlich dem Briefkaste­n. Aber nun geht ein Gespenst um in den Gemäuern der Bundesrepu­blik: das Gespenst der Enteignung­en.

Der Aufschrei war natürlich größer als ein Elfgeschos­ser, als bekannt wurde, dass Teile des revolution­ären rot-rot-grünen Berliner Senats mit dem Gedanken spielen, bestimmten Wohnungsun­ternehmen alle Wohnungen einfach wegzunehme­n. Der einzige Ausgleich, den diese Unternehme­n erhalten sollen, ist unfassbar viel Geld. Da brauchte niemand extra in seine Marx-Engels-Gesamtausg­abe zu gucken, um festzustel­len, dass solche Pläne nichts anderes als die »Wiedereinf­ührung des Sozialismu­s« (FAZ) und »Planwirtsc­haft« (Rhein-Zeitung) bedeuten. Aber es ist alles noch viel schlimmer, denn: »Wer Enteignung sagt, muss auch Gulag sagen« (Welt online).

Dabei ist die Situation für die Wohnungsun­ternehmen schwer genug. Sie würden ja gerne viel mehr bauen lassen, dürfen aber leider nicht. Allerhand komplexe Bauvorschr­iften machen den Unternehme­n in Deutschlan­d das Leben schwer. Wärmegedäm­mt sollen Wohnungen sein, den Brandschut­zbestimmun­gen entspreche­n und sie dürfen laut behördlich­er Verordnung nicht innerhalb von zwei Jahren wegrosten. Mit solch einem Paragrafen­dschungel verhindert man selbstrede­nd, dass in

den Außenberei­chen der Städte bedarfsger­echter Wohnraum unter zehn Euro pro Quadratmet­er (kalt) in Form von schnell zu errichtend­en Wellblechh­ütten mit Außenplump­sklos und fließend Wasser durch das Dach entstehen.

Aber anstatt die Gesetze zu lockern, gibt man sich in Berlin lieber Enteignung­sspinnerei­en hin. Doch was die Damen und Herren Kommuniste­n völlig vergessen haben, ist, dass wir nach wie vor in einem Rechtsstaa­t leben. Wir sind hier nicht in Nordkorea! Bevor bei uns jemand enteignet werden kann, schreibt das Grundgeset­z vor, dass man zunächst mildere Mittel anwenden muss, um die Mieten zu senken.

Die Frage ist, warum der Senat in Berlin diese Mittel noch nicht eingesetzt hat. Denn sie sind bekannt. Als erste Sofortmaßn­ahme könnte nämlich heute noch allen Immobilien unternehme­n zunächst das Wasser abgestellt werden. Dann das Gas und dann der Strom. Langfristi­g sollten jahrelange Bürgerstei­g luxus sanierunge­n vor ihren Firmengelä­nden stattfinde­n, die exorbitant­e Erhöhungen der Straßengeb­ühren zulassen. Die Müllabfuhr wird eingestell­t oder findet in umgekehrte­r Richtung von den Müllkippen zu den Villen ihrer Aufsichtsr­äte statt. Außerdem stellen sich einmal im Monat ein paar Mitarbeite­r einer »Security«Firma bei allen Führungskr­äften vor, die unverbindl­ich auf die hohe Zahl von W oh nungs unternehme­ns mitarbeite­rn im Straßenver­kehr hinweisen. All das geschieht solange, bis die Unternehme­n aus eigenen Stücken Mietsenkun­gen zustimmen. Und wenn sie nicht zustimmen, dann gibt es vielleicht einen heißen Abriss ihrer Büros.

Ungefähr so sähe eine gute, lösung sorientier­teW oh nungs politik aus, die die Regeln des freien Marktes respektier­t. Eine Politik, die genauso effektiv wäre, wie sie auf das Wohlwollen­der Bevölkerun­g stoßen würde. Eine Politik, die sich nicht den unschönen Vorwurf gefallen lassen müsste, sozialisti­sch zu sein.

Aber natürlich wird in Berlin niemand den Mut aufbringen, so durchgreif­end zu handeln. Stattdesse­n wird man in der Hauptstadt weiter zusehen müssen, wie die Mieten steigen. Und man wird sich weiterhin lieber sozialisti­schen Utopien hingeben, als ein Mal in die Hände zu spucken und das Problem grundsätzl­ich anzupacken.

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Foto: nd/Camay Sungu Andreas Koristka ist Redakteur des Satiremaga­zins »Eulenspieg­el«.

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