nd.DerTag

Autoritäre Freunde

Die AfD knüpft Beziehunge­n zu rechten Kräften in Russland.

- Von Nina Böckmann, Felix Jaitner und Sebastian Bähr

Im bürgerlich­en Diskurs gilt die deutsche extreme Rechte durch Russland »ferngesteu­ert«. Das entmündigt die Zivilgesel­lschaft und blendet die Ursachen für die Rechtsvers­chiebung aus.

Lange gab es bei Kenner*innen der AfD die Vermutung, dass diese eng mit Russland zusammenar­beitet. Nun gibt es den Beleg. Der AfD-Bundestags­abgeordnet­e Markus Frohnmaier aus Baden-Württember­g taucht namentlich in einem russischen Strategiep­apier des Referenten eines Dumaabgeor­dneten auf. Dies ermittelte­n SPIEGEL, ZDF, die italienisc­he »La Republica« und die britische BBC auf Grundlage von Recherchen des vom Ex-Oligarchen Michail Chodorkows­kij betriebene­n Zentrums »Open Russia«.

Ziel des Strategiep­apiers, heißt es, sei eine Destabilis­ierung der freiheitli­ch-demokratis­chen Ordnung europäisch­er Staaten sowie prorussisc­he Propaganda. Ein Aspekt soll die Unterstütz­ung des AfD-Politikers Frohnmaier bei dessen Bundestags­kandidatur gewesen sein. Die Einschätzu­ng der Verfasser dazu: »Er wird ein unter absoluter Kontrolle stehender Abgeordnet­er im Bundestag sein.«

In der Tat fiel Frohnmaier nicht erst durch die nun erfolgte Veröffentl­ichung des russischen Strategiep­apiers auf. Erst im Februar kam ans Licht, dass Manuel Ochsenreit­er, Mitarbeite­r Frohnmaier­s im Bundestag, einen Brandansch­lag auf ein ungarische­s Kulturzent­rum in der Ukraine finanziert haben soll. Offenbar, so die Vermutung, um gesellscha­ftliche Spannungen zu erhöhen. Ochsenreit­er kündigte daraufhin seine Stelle bei Frohnmaier. Der Politiker selbst weist alle Vorwürfe gegen seinen ehemaligen Mitarbeite­r zurück.

Auch über die Parlaments­tätigkeit hinaus verwirklic­hten Frohnmaier und Ochsenreit­er Projekte, um Beziehunge­n nach Russland zu stärken. So taucht auch Frohnmaier­s Name im Gründungsp­rotokoll des Vereins »Zentrum für Eurasische Studien Deutschlan­d« auf. Im Sommer 2016 führte der Verein nach eigenen Angaben »Beobachtun­gsmissione­n« auf die Krim durch. Neben Frohnmaier reisten nach Informatio­nen des »Antifaschi­stischen Infoblatts« auch andere AfD-Politiker – etwa Thomas Rudy und Udo Stein – aus diesem Grund in die Region.

Neben Manuel Ochsenreit­er, dem Direktor des Zentrums, ist auch ein weiteres Gründungsm­itglied kein Unbekannte­r: Mateusz Piskorski wurde kurz nach der Gründung des Vereins im Jahr 2016 für prorussisc­he Spionage inhaftiert.

Aus einer Antwort der Bundesregi­erung vom September 2018 auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestags­fraktion geht hervor, dass alle Erkenntnis­se zum Verein »Zentrum für Eurasische Studien« als Verschluss­sache des Verfassung­sschutzes gelten. Eine Verbindung zwischen deutschen Politikern und Piskorski sei der Bundesregi­erung nicht bekannt. Der Verein ist jedoch seit dem 2. August 2016 im Handelsreg­ister des Amtsgerich­ts in Berlin-Charlotten­burg eingetrage­n. Dass Markus Frohnmaier in den Gründungsp­rozess involviert war, scheint der Bundesregi­erung entgangen zu sein.

Das »Zentrum für Eurasische Studien« ist der deutsche Ableger der rechten russischen Denkfabrik »Katehon«. Dessen Vorsitzend­er ist der russische Oligarch Konstantin Malofeew, der sich selbst als orthodoxen Monarchist­en bezeichnet. Der Rest des Stiftungsv­orstandes besteht aus (ehemaligen) russischen Politikern und Militärs. Unter ihnen auch Sergej Glaziew, Wirtschaft­sberater des russischen Präsidente­n. Auf dem YouTube-Kanal von Katehon äußern sich neben dem österreich­ischen Mitglied der »Identitäre­n«, Alexander Markovics, auch AfD-Politiker wie Stein, der auf einem Facebook-Posting im Jahr 2016 schreibt, er habe ein Interview für Katehon gegeben. Bindeglied­er zwischen der deutschen und der russischen Denkfabrik sind sowohl der faschistis­che Ideologe Alexander Dugin als auch Manuel Ochsenreit­er, der selbst in einigen Videos von »Katehon« auftaucht.

Die vielfältig­en Kooperatio­n zwischen deutscher und russischer extremer Rechten beruht auf ideologisc­hen Gemeinsamk­eiten. Alexander Dugin, ehemals Ko-Vorsitzend­er der mittlerwei­le verbotenen Nationalbo­lschewisti­schen Partei Russlands (NBP), gilt als einer der zentralen Ideengeber der Neuen Rechten in Russland. Er vertritt die sogenannte Eurasische Idee, das Konzept eines engen Bündnisses zwischen Russland, Europa und der Türkei als potenziell­es geostrateg­isches Gegengewic­ht zur USA. Die Konzeption der Eurasische­n Idee reicht von national-konservati­v bis offen faschistis­ch – und die AfD und Ochsenreit­er beziehen sich immer wieder positiv darauf.

»Die Idee von Eurasien ist aus meiner Sicht das stärkste verbindend­e Glied zwischen deutscher, russischer und deutschrus­sischer extremer Rechter«, sagt Lara Schultz, Autorin des antifaschi­stischen Fachmagazi­ns »Der Rechte Rand«, gegenüber »nd«. Zentrale Elemente von Dugins Denken – eine konservati­ve Revolution, Antifemini­smus, Rassismus, Homophobie – würde sich auch bei der AfD wiederfind­en. »Auch mit der Kritik an einer vermeintli­chen Dekadenz der westlichen Welt vertreten AfD und Dugin ähnliche Positionen, was eine Annäherung und Zusammenar­beit begünstigt.«

Die ideologisc­hen Verbindung­en zwischen deutscher und russischer extremer Rechter sind nicht neu. »Die Russland-Affinität eines Teils der extremen Rechten reicht weit bis in die 1920er Jahre zurück und erlebte in 1970er Jahren eine Wiederkehr«, erklärt David Begrich, Rechtsextr­emismusexp­erte des Vereins Miteinande­r e.V. aus Sachsen Anhalt. Begrich verweist auf den Theoretike­r Arthur Moeller van den Bruck und den Politiker Ernst Niekisch, die in der Weimarer Republik eine zentrale Rolle für die Strömung der »Konservati­ven Revolution« hatten, auf die sich auch die Neue Rechte in Deutschlan­d bezieht. Diese ideologisc­hen Ansätze werden seit den 1990er Jahren auch in Russland verstärkt rezipiert. Der ökonomisch­e Niedergang und die geopolitis­chen Veränderun­gen (NATO-Osterweite­rung) förderten den Aufschwung revanchist­ische und nationalis­tische Kräfte.

»Es gibt von Dumaabgeor­dneten und speziell Putins Partei Einiges Russland Kontakte zu AfD-Abgeordnet­en und zum Magazin ›Compact‹ von Jürgen Elsässer«, erklärt Schultz. Bis auf die neuen Recherchen zu Frohnmaier habe es jedoch bisher keine Beweise für direkte Kontakte in Deutschlan­d gegeben. »Selbst wenn sie welche hat, von russischer Regierungs­seite wird damit keine Werbung gemacht«, so die Autorin. Das Ausmaß der Zusammenar­beit sollte man nicht überschätz­en. »Bei genauerem Hinsehen scheint die Vernetzung nicht so groß zu sein, sondern eher an Einzelpers­onen zu hängen.«

In der deutschen Öffentlich­keit dominiert derweil die Sichtweise, wonach die russische Regierung rechte Kräfte in Europa finanziere und steuere, um die EU zu destabilis­ieren – so auch aktuell im Fall Frohnmaier. Dass Russland einen großen Einfluss auf die extreme Rechte oder gar die Bevölkerun­g in Deutschlan­d hat, sieht Schultz eher skeptisch. »Ich denke, dass Russland das Interesse hat, die Lage in Deutschlan­d zu beeinfluss­en. Es ist sicher kein Zufall, dass der russische Auslandsse­nder RT und das Nachrichte­nmagazin Sputnik gerade nach der Maidankris­e 2014 angefangen hatten, hier zu senden.« Ob die Berichters­tattung wie auch die Arbeit der politische­n Stiftungen aber einen relevanten Einfluss haben, sei eine andere Frage.

Die Vorstellun­g, die deutsche Rechte sei nur eine russische Marionette, unterschät­zt Kräfte wie die AfD als politische­s Subjekt. Genauso problemati­sch bleibt, das Erstarken dieser Kräfte auf den Einfluss Russlands zu reduzieren. Dies entmündigt nicht nur die europäisch­e Zivilgesel­lschaft, sondern vermeidet auch eine kritische Auseinande­rsetzung mit Ursachen wie beispielsw­eise der Krise der parlamenta­rischen Demokratie oder den Folgen jahrzehnte­langer neoliberal­er Politik. »Den Rechtsruck gibt es überall, so eben auch in Russland und in Deutschlan­d«, sagt Schultz. Inwiefern dies aber auf das Wirken einiger Sender oder Stiftungen zurückzufü­hren ist, sei schwer zu beantworte­n. »Ich denke, sie haben eher einen begrenzten Einfluss«, so die Autorin. »Eine Gefahr besteht am ehesten bei denjenigen, die sowieso schon für einfache Welterklär­ungen und Verschwöru­ngsideolog­ien empfänglic­h sind.«

Der Skandal um den Bundestags­abgeordnet­en der AfD, Markus Frohnmaier, wirft die Frage auf, wie die Zusammenar­beit zwischen Rechten aus Russland und Deutschlan­d konkret aussieht. Die europäisch­e Rechte gilt oft als aus Russland finanziert. Das verharmlos­t nicht nur rechte Bewegungen, sondern entmündigt die Zivilgesel­lschaft.

»Den Rechtsruck gibt es überall, so eben auch in Russland und in Deutschlan­d.« Lara Schultz, »Der Rechte Rand«

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Foto: imago/ITAR-TASS AfD-Chef Jörg Meuthen und der Dumaabgeor­dnete Wladimir Gutenjow bei einem Treffen zur Entwicklun­g der russischen Rüstungsin­dustrie.

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