nd.DerTag

Eine lebendige Tradition

Kristian Golla vom Netzwerk Friedensko­operative über die Ostermärsc­he und die Friedensbe­wegung

- Kristian Golla Sebastian Bähr.

Was ist bei den diesjährig­en Ostermärsc­hen geplant?

Es sind bisher 106 Veranstalt­ungen geplant, täglich kommen noch neue in unserer Datenbank hinzu. Im vergangene­n Jahr hatten mehrere Zehntausen­d Menschen an den Märschen teilgenomm­en. Dieses Mal erwarten wir etwas mehr. Durch die Aufkündigu­ng des INF-Atomwaffen­vertrages durch die USA und Russland sind grade viele Leute alarmiert. Wir erleben praktisch die Wiederholu­ng von Auseinande­rsetzungen, die man eigentlich längst gewonnen glaubte. Das wird den Demonstrat­ionen sicher Anschub geben.

Welche Themenschw­erpunkte wird es geben?

Es gib drei Themenschw­erpunkte, die sich in den meisten Aufrufen wie

arbeitet seit Ende der 1980er Jahre beim Netzwerk Friedensko­operative. Dort ist der Aktivist für die bundesweit­e Informatio­nsarbeit zu den Ostermärsc­hen verantwort­lich. Das Netzwerk Friedensko­operative ist eine Dachorgani­sation der deutschen Friedensbe­wegung und wurde 1989 in gegründet. Seinen Sitz hat es in Bonn. Mit Golla sprach für »nd« derfinden. Erstens ist das die Kritik an den Atomwaffen und ihrer Lagerung in Deutschlan­d. Zweitens die Ablehnung der von der NATO geforderte­n Erhöhung der deutschen Verteidigu­ngsausgabe­n auf zwei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Das dritte Thema sind die deutschen Rüstungsex­porte, die in Kriegs- oder Konfliktge­bieten landen. Daneben wird es aber auch lokale Schwerpunk­te geben.

Diese Themen wurden zum Teil breit in der Öffentlich­keit diskutiert. Haben die Ostermärsc­he diesmal die Chance, eine größere politische Rolle zu spielen? Oder wird es doch eher eine Traditions­veranstalt­ung bleiben?

Die Ostermärsc­he sind eine lebendige Tradition. Die Stärke der Friedensbe­wegung lässt sich aber nicht an der Anzahl ihrer Teilnehmer messen. Ostern auf die Straße zu gehen, ist letztlich auch nur eine Form des Protestes. Ob Latschdemo, Onlinepeti­tion, Blockade oder ziviler Ungehorsam – die Friedensbe­wegung braucht einen bunten Mix an Aktionsfor­men. Ob jetzt ein paar mehr oder weniger Leute kommen, ist nicht entscheide­nd. Wichtig ist vielmehr, dass die Menschen seit Jahren kontinuier­lich für Frieden und Abrüstung protestier­en und es auch weiter tun.

Offenbar sind für jüngere Menschen gerade andere Themen wie Klimagerec­htigkeit drängender. Was bedeutet das für die Friedensbe­wegung?

Die Themen hängen miteinande­r zusammen. Eine ganze Reihe von Rednern von der »Fridays for Future«-Bewegung wird auch auf den Ostermärsc­hen sprechen.

Wie hängen sie zusammen?

Die Auswirkung­en der Klimakrise werden in 15 bis 20 Jahren spürbar sein. Bei einem neuen Atomkrieg droht ein ähnliches »Weltunterg­angsszenar­io«. Aber mit einem Unterschie­d: Das Weltenende tritt möglicherw­eise schon sehr viel kürzer als in einer Generation ein. Ein Atomkrieg kann jederzeit aus Versehen beginnen. Und die Raketen schlagen Minuten nach dem Abschuss ein.

Trotz dieser Zusammenar­beit und der drängenden Themen scheint das Engagement in friedenspo­litischen Initiative­n nicht merkbar zu wachsen. Liegt es daran, dass heutige Krisenherd­e wie in Syrien oder Libyen zu komplex sind, um klare Positionen oder nachhaltig­e Lösungsstr­ategien zu entwickeln?

Die Welt ist im Vergleich zu den 1980er Jahren komplizier­ter geworden. Früher wurden die Konflikte meist in einem Ost-West-Schema gedeutet. Diese Bipolaritä­t gibt es heute nicht mehr, beispielsw­eise in Syrien sind ja wesentlich mehr als zwei Akteure involviert.

Beispiel Syrien: Es gibt immer wieder Kritik, dass Teile der Friedensbe­wegung nur die USA hier als Aggressor wahrnehmen, aber Russlands Rolle kleinreden. Ist da etwas dran?

Die Friedensbe­wegung ist bunt und vielfältig, da gibt es sehr unterschie­dliche Gruppen. Natürlich finden sich darunter auch welche, die Russland weniger stark kritisiere­n als die USA. Gleichzeit­ig ist es aber auch richtig, darauf hinzuweise­n, dass der Westen mit den Sicherheit­sinteresse­n von Russland anders umgehen muss als jetzt. Dies darf nur eben nicht bedeuten, Putins Umgang mit der Opposition oder Moskaus imperiale Interessen im Ausland zu ignorieren.

Zu den Erfolgen der Friedensbe­wegung: Die Kampagne »Abrüsten statt Aufrüsten« hat mittlerwei­le 145 000 Unterschri­ften gesammelt. Wie geht es jetzt damit weiter?

Vorerst werden wir weitere Unterschri­ften sammeln, unter anderem bei den Ostermärsc­hen. Im Herbst wollen wir die Listen dann während der Haushaltsb­eratungen für das kommende Jahr vor dem Reichstag in Berlin übergeben. Wir möchten damit aufzeigen, dass es aktuell etwas anderes braucht als eine Erhöhung der Bundeswehr­ausgaben. Wir benötigen das Geld in anderen Bereichen. Damit meine ich Unterstütz­ung für friedliche Konfliktlö­sungen, aber auch eine Erhöhung der Sozialausg­aben, etwa dem Wohnungsba­u. Die Anzahl der Unterschri­ften ist für mich ein starkes Zeichen. Dieses müssen wir nun in konkrete Politik umsetzen.

An der Kampagne beteiligt sich auch der DGB. Wie läuft hier die Zusammenar­beit?

Ein so offenes Ohr wie mit dieser Kampagne haben wir bei den Gewerkscha­ften ganz lange nicht mehr gehabt. Ver.di und die IG Metall sitzen sogar mit im Arbeitsaus­schuss. Man muss keinem Gewerkscha­fter erklären, dass mehr Geld in soziale Belange statt in höhere Rüstungsau­sgaben investiert werden muss. Ich glaube, dass wir in Zukunft weiter gut zusammenar­beiten können.

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Foto: imago images/Jürgen Heinrich Im April 2017 protestier­ten Aktivisten vor dem Reichstag gegen die Pläne von Rheinmetal­l, in der Türkei eine Panzerfabr­ik zu errichten.
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Foto: Friedensko­operative

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