Andere Bedürfnisse als in Delhi
Am zweiten Wahltag der indischen Parlamentswahlen wird auch in Tamil Nadu und Karnataka gewählt, die wie der gesamte Süden medial oft ignoriert werden. Dagegen wehrt sich Dhanya Rajendran mit ihrer Nachrichtenwebseite
Frau Rajendran, Sie konzentrieren sich nur auf Südindien. Wie kam es dazu?
Geschehnisse werden hier erst wahrgenommen, wenn auch das Fernsehen berichtet. Südindien ist in allgemeinen Nachrichten unterrepräsentiert. Auch wenn es gute lokale und nationale Zeitungen gibt, fehlt ihnen die Aufmerksamkeit. Und das unabhängig davon, ob sie in der jeweiligen Landessprache oder auf Englisch berichten.
Wie sehen Sie ihre Rolle?
The News Minute fungiert als Brücke. Wir stärken die Aufmerksamkeit in den sozialen Medien, so dass es keine Möglichkeit mehr gibt, Südindien wie bei der Flutkatastrophe in Kerala im vergangenen Jahr zu ignorieren.
Warum ist das wichtig für Sie?
Wir sind zwar ein Land, doch wir sprechen verschiedene Sprachen, haben eine unterschiedliche Geografie und damit Bedürfnisse. Delhi ist das Zentrum der Politik, wo auch die meisten Fernsehkanäle sitzen. Im Süden haben wir unser eigenes Nachrichten-Ökosystem. Bangalore beispielsweise ist Tech-Zentrum, deshalb sind hier digitale Medien stark. Doch es ist nicht genug, dass Nachrichten innerhalb eines Staates verbleiben. Denn so reichen sie nicht die zentralen Ministerien in Delhi, die politisch über das Land entscheiden.
Sie sind seit über zehn Jahren als Journalistin tätig. Wie haben sich ihre Arbeitsbedingungen verändert?
stattung abgehalten. Doch im Oktober war eine meiner Reporterinnen für zwei Wochen im Krankenhaus, nachdem sie auf einem Tempel-Protest verletzt wurde. Vor zehn Jahren betrachtete die Bevölkerung Medien noch als Verbündete.
Gibt es dafür einen Schuldigen?
Zu zwanzig Prozent würde ich die Medien selbst verantwortlich machen, andererseits können viele Leute nicht unterscheiden, was Nachrichten sind und was Meinung. Sie sind wütend und das manchmal ohne Grund. Mittlerweile hat sich eine Haltung etabliert, in der sich Hindus bedroht fühlen, dabei stellen sie in Indien die Mehrheit der Bevölkerung dar.
Steht diese Polarisierung in Zusammenhang mit den Parlamentswahlen?
In meinen Kreisen beobachte, dass diese Tendenz in den letzten zwei Jahren zugenommen hat. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die Regierungspartei mit ihrer pro-hinduistischen Agenda einen größeren Gewinn daraus erzielen wird. Dennoch wurde ein großer Teil der Bevölkerung, für die Religion bisher kein wichtiger Teil ihres Lebens war, aktiv religiös.
Diversität ist eines Ihrer Arbeitsprinzipien, doch Sie kritisieren auch die unsensible Berichterstattung über Frauen in indischen Medien.
Die Vielfalt an Mitarbeiter*Innen in unserem Newsroom – was Geschlecht, Religion oder Kaste angeht – hat einen großen Einfluss auf Geschichten über die LGBTQ-Community oder sozial benachteiligte Gruppen. Sie hat die Art und Weise verändert, wie andere und auch ich, die aus privilegierten Familien kommen, berichten. Unser Bewusstsein ist nicht nur geschärft, wir verfolgen die Themen langfristig. Dazu gehört auch, sich von geschlechterspezifischer Befangenheit zu distanziert.
Was macht Sie wütend?
Es gibt viele Tage, an denen ich fast meinen Glauben an die Menschheit verliere. Zum Beispiel als eine Reporterin einen Beitrag über ein zehnjähriges Mädchen schickte, das von ihrem 70-jährigen Nachbarn vergewaltigt wurde. Als bekannt wurde, dass sie in der 20. Woche schwanger war, hätte eine Abtreibung sofort durchgeführt werden müssen. Stattdessen schikanierte die Polizei die Familie des Mädchens. Warum reagiert unsere Justiz nicht rechtzeitig?
Wie im Rest der Welt wird das Klima uns gegenüber feindlicher. Kampagnen verschiedener politischer Gruppen, wie der Rechten, versuchen, Medien ihre Glaubwürdigkeit abzusprechen. Ich hoffe, dass sich das in der Zukunft ändert, sonst wird es schwer diesen Beruf auszuüben. Persönlich wurde ich nicht von der Berichter
Und Sie machen trotzdem weiter?
Heute bin ich viel zufriedener im Vergleich zu meiner Zeit beim Fernsehen. Für mich sind die großen Geschichten jene, die direkten Einfluss auf das Leben einer Person haben. Ich wünsche mir mehr Journalismus, der etwas bewirken kann und dass am liebsten in allen vier südindischen Sprachen, doch bisher berichten wir nur auf Englisch. Wir werden sehen, ob wir eine Finanzierung dafür bekommen.