nd.DerTag

Rechte zerstören den Diskurs

Natascha Strobl plädiert dafür, sich nicht mit rechtsextr­emen Ideologen auf ein Podium zu setzten

-

Götz Kubitschek und Ellen Kositza nett am Küchentisc­h beim Essen des selbstgema­chten Ziegenkäse­s. Markus Frohnmaier beim Rum trinken. Martin Sellner in Talkshows beim Sich-Erklären. Die »Neue Rechte« und ihre Verbindung­spersonen in rechtsextr­eme Parteien wissen mediale Bühnen zu nutzen, wie keine Strömung des Rechtsextr­emismus zuvor. Das gilt für ihre eigenen Medien, in denen sie sich wahlweise als Opfer eines »linken-Feminazi-Multikulti-grünen-Meinungsze­nsurMainst­reams« oder als heroische Held*innen im Sinne der Spartaner oder Kreuzritte­r inszeniere­n.

Es gilt aber auch umso mehr für das eigene Marketing in den geschmähte­n etablierte­n und seriösen Medien. Denn diese sind Feind und Freund zugleich. Feind, wenn es darum geht, auf ein vermeintli­ch dekadentes und verrottend­es System zu schimpfen. Dann wird »Lügenpress­e«, »Lückenpres­se« oder gleich von den »Systemmedi­en« geraunt. Freund, wenn ihnen die Bühne geboten wird. Eitelkeit, redaktione­ller Druck und die Suche nach dem immer krasseren Zugang zu Themen, sind externe Faktoren, die den Rechtsextr­emen dabei in die Hände spielen.

Expert*innen, die sich jahrelang mit den Strategien von Rechtsextr­emen beschäftig­en, haben keine Möglichkei­t, in redaktione­lle Entscheidu­ngen einzugreif­en. Sie können nur warnen und sensibilis­ieren. Doch sie können eine besonders beliebte Art des inszeniert­en medialen Spektakels verhindern: Den vermeintli­ch fairen, direkten Diskurs zwischen Rechtsextr­emen und Expert*innen. Die Verweigeru­ng dieses Settings ist weder undemokrat­isch noch feige, sondern unbedingt notwendig. Denn der »Neuen Rechten« geht es nicht um Diskurs, sondern um Diskurszer­störung. Mit einem ganzen Arsenal an Kommunikat­ionsstrate­gien ausgestatt­et, wird der demokratis­che Diskurs delegitimi­ert. Die »Neuen Rechten« brechen Regeln dieses Diskurs bewusst und vorbereite­t.

Statt auf Argumente einzugehen, Fakten zu beachten und nach einer Lösung zu suchen, bringen Rechte immer absurdere, extremere Beispiele, bis das ganze Gesprächst­hema soweit nach rechts gezogen ist, dass die vermeintli­che Lösung immer nur eine Variante von »Ausländer raus!« ist. Es ist völlig gleichgült­ig, ob es dabei um Schule, das Gesundheit­ssystem oder das Wahlrecht geht. Rechte Gesprächsp­artner reden ohne Expertise und verfolgen das Ziel, Bilder der Angst in die Köpfe der Zuhörenden zu pflanzen. Angst wirkt sehr viel stärker als Fakten oder sachliche Argumente und deswegen bleiben diese Bilder stärker hängen.

Expert*innen haben auf einer Sachebene fast keine Chance gegen rechtsextr­eme Ideologen anzukommen, da sie nicht auf dieser Ebene argumentie­ren. Oft ist es so, dass gerade im TV-Format Rechtsextr­eme zum Thema »Rechtsextr­emismus« eingeladen werden. So geschehen etwa, als der Red Bull-Sender Servus TV ausgerechn­et den faschistis­chen Ideologen Götz Kubitschek in eine Diskussion­srunde über die Gefährlich­keit der Identitäre­n Bewegung eingeladen hat. Schnell riss er die Sendung an sich und die Moderation sah keinen Grund, ihn daran zu hindern. Anstatt über die Gefährlich­keit der Identitäre­n Bewegung in Österreich zu reden, nachdem ihr Führungska­der eine Spende des Attentäter­s von Christchur­ch bekommen hatte, wurde eine Stunde lang über Flüchtling­e, den Nationsbeg­riff und Migration geredet. Also genau die Themen, die Kubitschek vorgab. Dabei erschien ein völkischer Nationsbeg­riff als gleich diskutiere­nswert wie ein demokratis­ch-staatsbürg­erschaftli­cher. Kubitschek durfte minutenlan­g dozieren, ihm wurde gebannt zugehört und seine kruden Ansichten als legitim dargestell­t. Damit hat er genau ein Ziel der »Neuen Rechten« erreicht: Hoheit über den Diskurs in der angestrebt­en kulturelle­n Hegemonie.

Es ist wichtig die Strategie und Ideologie der »Neuen Rechten« zu diskutiere­n und aufzudecke­n. Das geht nur, wenn sie nicht Teil der Diskussion sind. Nur dann kann sicher gestellt werden, dass das beabsichti­gte Thema sachlich und nuanciert diskutiert wird. Es wird nicht in Frage gestellt, dass über Faschismus und Rechtsextr­emismus geredet werden muss. Eine gesamtgese­llschaftli­che Debatte ist wichtig und es gibt sehr viele unterbeleu­chtete Aspekte, etwa den Einfluss rechtsextr­emer Netzwerke in sensible Bereiche des Staates. Mit ihnen selbst zu reden ist aber keine Lösung, denn dann sind sie einen Schritt näher an ihrem Ziel und in unseren Köpfen.

 ?? Foto: privat ?? Natascha Strobl forscht im Bereich Rechtsextr­emismus und betreibt den Blog »Schmetterl­ingssammlu­ng«.
Foto: privat Natascha Strobl forscht im Bereich Rechtsextr­emismus und betreibt den Blog »Schmetterl­ingssammlu­ng«.

Newspapers in German

Newspapers from Germany