Stahlknecht zeigt Journalisten an
Sachsen-Anhalts Innenminister stellte nach einem wohl falschen Bericht Strafanzeige
Dass gegen den Reporter eines Lokalmediums strafrechtlich ermittelt wird, wertet das Blatt als eine Einschüchterungsstrategie.
Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) hat Strafanzeige gegen einen Journalisten der Hallenser »Städtischen Zeitung« (Stäz) gestellt, weil er deren Berichterstattung für falsch hielt. Dabei ging es um einen Artikel, in dem stand, dass unter anderem Stahlknecht versucht haben soll, Gemeinderäte in der Kleinstadt Teutschenthal unter Druck zu setzen, seinen CDU-Kollegen Ralf Wunschinski als Bürgermeister bei einem bevorstehenden Verfahren nicht abzuwählen.
Eine Strafanzeige gegen Journalisten zu stellen, ist in Fällen von vermutlich falscher Berichterstattung unüblich. Eigentlich wird der presserechtliche Weg gegangen, das betreffende Medium aufzufordern, die Inhalte nicht mehr zu verbreiten und eine Richtigstellung oder Gegendarstellung zu veröffentlichen.
Das passierte im Falle von Stahlknechts Anzeige erst in einem zweiten Schritt. Nachdem das Innenministerium öffentlich über die Strafanzeige informiert und die Berichterstattung für »wahrheitswidrig« erklärt hatte, ging laut Felix Knothe, Gründer der online erscheinenden Lokalzeitung, kurz darauf ein Schreiben von Stahlknechts Anwalt bei der »Stäz« ein, das sie aufforderte, eine Gegendarstellung zu veröffentlichen und es zu unterlassen, den Artikel zu verbreiten. »Das werten wir als Einschüchterungsstrategie«, sagte Knothe dem »nd«. Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes Sachsen-Anhalt, Claudia Petasch-Becker. Der einzig richtige Weg bei Falschdarstellung sei die Gegendarstellung, wie sie in den Pressegesetzen der Länder verankert sei. Auch die Landtagsabgeordnete Henriette Quade (LINKE) kritisierte das Vorgehen Stahlknechts: »Mein Eindruck ist, dass der Minister hier nicht Tatsachen geraderücken, sondern ein Zeichen an Journalistinnen und Journalisten senden wollte. Er hat mit dem Strafrecht zur Ultima Ratio gegen ein kleines Lokalmedium gegriffen, statt einfach mit einer Richtigstellung und transparenter Pressearbeit den Sachverhalt aufzuklären.«
Der Sprecher des sachsen-anhaltischen Innenministeriums, Danilo Weiser, erklärte auf nd-Anfrage, dass die Strafanzeige »geeignet und erforderlich« sei »um auf ungerechtfertigte Anschuldigungen zum Nachteil des Ministeramts und des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt als oberste Kommunalaufsicht und beider Ansehen in der Öffentlichkeit zu reagieren und diese einer justiziellen Bewertung zuzuführen«.
Die Aufforderung zur Gegendarstellung, Richtigstellung und Unterlassung, also der presserechtlich übliche Weg, ging bei der »Stäz« laut Knothe erst am 1. März ein. Dazu wies Ministeriumssprecher Weiser darauf hin, dass die Pressemitteilung des Innenministeriums vom 27. Februar bereits beinhaltete, dass ein Anwalt beauftragt wurde, »presserechtlich Aufforderungen zu Gegendarstellung, Richtigstellung und Unterlassung zu erwirken«.
Daran hielt sich die »Stäz« und veröffentlichte die Gegendarstellung Stahlknechts, eine presserechtliche Methode, die nicht gerichtlich durchgesetzt werden muss, am 5. März. Und reichte ihrerseits Klage gegen den CDU-Politiker ein, er solle die Aussagen in seiner Facebook- und Pressemitteilung vom 27. Februar unterlassen. Damit hatte sie vor dem Landgericht Magdeburg jedoch keinen Erfolg. »Wir haben den betreffenden Artikel zurückgezogen, aber wir recherchieren weiter«, sagte Knothe.
Laut Medienberichten hatte Stahlknecht eine für das Gericht glaubhafte eidesstattliche Versicherung abgegeben, dass er keinen Einfluss in Teutschenthal genommen habe. Die eidesstattliche Versicherung eines Gemeinderates, dass versucht wurde, auf ihn Einfluss zu nehmen, vorgelegt von der »Stäz«, hatte das Gericht nicht für glaubhaft befunden.
Auch nach dieser Gerichtsentscheidung und einem weiteren Verfahren, bei dem Stahlknecht durchsetzte, dass die »Stäz« den betreffenden Artikel nicht mehr verbreitet, bleibt die Strafanzeige gegen den Autor bestehen. »Was uns noch mehr umtreibt, ist, dass weiter gegen unseren Autor strafrechtlich ermittelt wird«, sagte Knothe. Der angezeigte Kollege habe Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft Halle beantragt, die er jedoch bisher nicht bekommen habe.
Hinzu kommt, dass, so geht aus der Antwort des sachsen-anhaltischen Innenministeriums auf Quades Anfrage hervor, Stahlknecht als Innenminister und nicht als Privatperson die Anzeige stellte. Lokale Medien haben außerdem bisher kaum über diesen Fall berichtet.