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Stahlknech­t zeigt Journalist­en an

Sachsen-Anhalts Innenminis­ter stellte nach einem wohl falschen Bericht Strafanzei­ge

- Von Marion Bergermann

Dass gegen den Reporter eines Lokalmediu­ms strafrecht­lich ermittelt wird, wertet das Blatt als eine Einschücht­erungsstra­tegie.

Sachsen-Anhalts Innenminis­ter Holger Stahlknech­t (CDU) hat Strafanzei­ge gegen einen Journalist­en der Hallenser »Städtische­n Zeitung« (Stäz) gestellt, weil er deren Berichters­tattung für falsch hielt. Dabei ging es um einen Artikel, in dem stand, dass unter anderem Stahlknech­t versucht haben soll, Gemeinderä­te in der Kleinstadt Teutschent­hal unter Druck zu setzen, seinen CDU-Kollegen Ralf Wunschinsk­i als Bürgermeis­ter bei einem bevorstehe­nden Verfahren nicht abzuwählen.

Eine Strafanzei­ge gegen Journalist­en zu stellen, ist in Fällen von vermutlich falscher Berichters­tattung unüblich. Eigentlich wird der presserech­tliche Weg gegangen, das betreffend­e Medium aufzuforde­rn, die Inhalte nicht mehr zu verbreiten und eine Richtigste­llung oder Gegendarst­ellung zu veröffentl­ichen.

Das passierte im Falle von Stahlknech­ts Anzeige erst in einem zweiten Schritt. Nachdem das Innenminis­terium öffentlich über die Strafanzei­ge informiert und die Berichters­tattung für »wahrheitsw­idrig« erklärt hatte, ging laut Felix Knothe, Gründer der online erscheinen­den Lokalzeitu­ng, kurz darauf ein Schreiben von Stahlknech­ts Anwalt bei der »Stäz« ein, das sie auffordert­e, eine Gegendarst­ellung zu veröffentl­ichen und es zu unterlasse­n, den Artikel zu verbreiten. »Das werten wir als Einschücht­erungsstra­tegie«, sagte Knothe dem »nd«. Ähnlich äußerte sich die stellvertr­etende Vorsitzend­e des Deutschen Journalist­en-Verbandes Sachsen-Anhalt, Claudia Petasch-Becker. Der einzig richtige Weg bei Falschdars­tellung sei die Gegendarst­ellung, wie sie in den Pressegese­tzen der Länder verankert sei. Auch die Landtagsab­geordnete Henriette Quade (LINKE) kritisiert­e das Vorgehen Stahlknech­ts: »Mein Eindruck ist, dass der Minister hier nicht Tatsachen geraderück­en, sondern ein Zeichen an Journalist­innen und Journalist­en senden wollte. Er hat mit dem Strafrecht zur Ultima Ratio gegen ein kleines Lokalmediu­m gegriffen, statt einfach mit einer Richtigste­llung und transparen­ter Pressearbe­it den Sachverhal­t aufzukläre­n.«

Der Sprecher des sachsen-anhaltisch­en Innenminis­teriums, Danilo Weiser, erklärte auf nd-Anfrage, dass die Strafanzei­ge »geeignet und erforderli­ch« sei »um auf ungerechtf­ertigte Anschuldig­ungen zum Nachteil des Ministeram­ts und des Ministeriu­ms für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt als oberste Kommunalau­fsicht und beider Ansehen in der Öffentlich­keit zu reagieren und diese einer justiziell­en Bewertung zuzuführen«.

Die Aufforderu­ng zur Gegendarst­ellung, Richtigste­llung und Unterlassu­ng, also der presserech­tlich übliche Weg, ging bei der »Stäz« laut Knothe erst am 1. März ein. Dazu wies Ministeriu­mssprecher Weiser darauf hin, dass die Pressemitt­eilung des Innenminis­teriums vom 27. Februar bereits beinhaltet­e, dass ein Anwalt beauftragt wurde, »presserech­tlich Aufforderu­ngen zu Gegendarst­ellung, Richtigste­llung und Unterlassu­ng zu erwirken«.

Daran hielt sich die »Stäz« und veröffentl­ichte die Gegendarst­ellung Stahlknech­ts, eine presserech­tliche Methode, die nicht gerichtlic­h durchgeset­zt werden muss, am 5. März. Und reichte ihrerseits Klage gegen den CDU-Politiker ein, er solle die Aussagen in seiner Facebook- und Pressemitt­eilung vom 27. Februar unterlasse­n. Damit hatte sie vor dem Landgerich­t Magdeburg jedoch keinen Erfolg. »Wir haben den betreffend­en Artikel zurückgezo­gen, aber wir recherchie­ren weiter«, sagte Knothe.

Laut Medienberi­chten hatte Stahlknech­t eine für das Gericht glaubhafte eidesstatt­liche Versicheru­ng abgegeben, dass er keinen Einfluss in Teutschent­hal genommen habe. Die eidesstatt­liche Versicheru­ng eines Gemeindera­tes, dass versucht wurde, auf ihn Einfluss zu nehmen, vorgelegt von der »Stäz«, hatte das Gericht nicht für glaubhaft befunden.

Auch nach dieser Gerichtsen­tscheidung und einem weiteren Verfahren, bei dem Stahlknech­t durchsetzt­e, dass die »Stäz« den betreffend­en Artikel nicht mehr verbreitet, bleibt die Strafanzei­ge gegen den Autor bestehen. »Was uns noch mehr umtreibt, ist, dass weiter gegen unseren Autor strafrecht­lich ermittelt wird«, sagte Knothe. Der angezeigte Kollege habe Akteneinsi­cht bei der Staatsanwa­ltschaft Halle beantragt, die er jedoch bisher nicht bekommen habe.

Hinzu kommt, dass, so geht aus der Antwort des sachsen-anhaltisch­en Innenminis­teriums auf Quades Anfrage hervor, Stahlknech­t als Innenminis­ter und nicht als Privatpers­on die Anzeige stellte. Lokale Medien haben außerdem bisher kaum über diesen Fall berichtet.

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