Wortgewandt
Mit Ministerpräsident Dietmar Woidke als Spitzenkandidat will die SPD die Wahl gewinnen
Dietmar Woidke soll Brandenburgs SPD den Wahlsieg sichern.
Im Kongresshotel Potsdam stellte die SPD am Sonnabend ihre Liste für die Landtagswahl am 1. September auf. Außerdem beschloss die Partei ihr Wahlprogramm.
Das Rednerpult benötigt Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) nicht, und er hat auch kein Manuskript, keinen Stichpunktzettel, nichts. Beim SPD-Landesparteitag am Sonnabend im Kongresshotel Potsdam trägt er lediglich ein Mikrofon, als eine Art Freisprechanlage ans Ohr geklemmt. Damit hat er beide Hände frei, um zu gestikulieren, und kann auch mal einen Schritt auf seine Zuhörer zugehen. Links vor ihm steht zwar ein Bildschirm, der zeigt aber nur, wie ihn die Kamera hinten im Saal filmt. Es wird für Woidke nicht etwa ein Text eingeblendet, so wie für die Nachrichtensprecher im Fernsehen. Woidke spricht wirklich frei, und er spricht gut – besser als früher mit Manuskripten, von denen er dann doch abgewichen ist.
So wird der Ministerpräsident künftig öfter zu erleben sein, heißt es. Die Partei hat bei Empfängen herausgefunden, dass er in freier Rede besser ankommt beim Publikum. Das gibt ihm auch die Gelegenheit, spontan mit seinem trockenen Humor zu punkten. Das ist der alte Woidke, neu präsentiert. Mit ihm will die SPD am 1. September die Landtagswahl in Brandenburg zum siebten Mal in Folge gewinnen. Im Kongresshotel wird Woidke mit 82,5 Prozent der Stimmen zum Spitzenkandidaten gekürt. Knapp 95 Prozent waren es 2014, als die SPD ihn damals schon zum Spitzenkandidaten erwählte.
»Wir werden niemals zulassen, dass Rechtsextremismus, Nationalismus und Populismus hier an die Macht kommen«, versichert Woidke. Er wäre froh, wenn alle demokratischen Parteien das genauso klar und deutlich ansagen würden. Doch bedauerlicherweise komme da nichts von CDU-Landeschef Ingo Senftleben. Dieser will nach der Landtagswahl mit der AfD sprechen.
Während die Opposition und teilweise auch der Koalitionspartner LINKE darauf hinweisen, was in den vergangenen fünf Jahren nicht gelungen ist, stellt Woidke stolz Erfolge heraus, nennt neben der rekordverdächtig niedrigen Arbeitslosenquote von 5,8 Prozent die Abschaffung der Kitagebühren für das letzte Jahr vor der Einschulung. Freilich musste die LINKE lange drängeln, ehe es im vergangenen Jahr dazu gekommen ist. Auf dem Parteitag spricht auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Am Pult und mit Manuskript bietet sie ein paar Schmeicheleien und Gemeinplätze, die der Erwähnung nicht wert sind. Entscheidend ist aber der Satz, der die Erklärung dafür liefert, warum sie überhaupt nach Potsdam eingeladen wurde. Dreyer relativiert die Aussagekraft von Umfragen, in denen die brandenburgische SPD nur knapp vor der CDU und der AfD liegt. Sie erinnert daran, dass sie im Jahr 2016 nur zwei Monate vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz sogar noch zehn Prozent hinter ihrer Konkurrenz zurückgelegen hatte und dann mit Vorsprung siegte.
»Wir haben uns sehr genau angeschaut«, sagt Woidke, »wie du deine Landtagswahl gestaltet und aus einer schwierigen Situation heraus gewonnen hast.«
Es gibt noch andere Vorbilder, die im Kongresshotel beschworen werden. Ex-Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) ist an diesem Sonnabend in der Lausitz unterwegs, wird aber auf Videoleinwänden zugeschaltet. Die Sonne hinter sich, die ihm eine Art Heiligenschein zaubert, lässt Platzeck noch einmal das Jahr 2004 aufscheinen, als die PDS im Frühsommer wie die sichere Gewinnerin aussah und die SPD das bis zur Landtagswahl im Herbst noch drehen konnte. Wenn es eng werde, gelte es, sich unterzuhaken, sich um den »Häuptling« zu scharen, mahnt Matthias Platzeck.
Auch Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) erinnert an die Landtagswahl 2004, außerdem an 2018 – als es in Potsdam gehei
ßen habe, 28 Jahre mit einem Oberbürgermeister von der SPD seien genug. Trotzdem hatte Schubert die Wahl gewonnen. Der Oberbürgermeister wirft dem CDU-Landesvorsitzenden Senftleben vor, mit der Linkspartei zu flirten, mit der Senftleben nach der Wahl ebenfalls sprechen möchte. Es sei doch die CDU gewesen, die einst Rote-Socken-Kampagnen führte und 2009 gegen die erste rot-rote Koalition in Brandenburg demonstrierte. »CDU und LINKE passen zusammen wie Feuer und Wasser«, sagt Schubert. Der Tabubruch, über eine Koalition aus CDU und LINKE zu reden, reiche für ein bisschen Aufmerksamkeit. Doch die Gemeinsamkeiten der beiden Parteien würden nicht für eine über fünf Jahre stabile Regierung ausreichen.
Für den Landtag, der 88 Abgeordnete zählt, nominiert die SPD neben Woidke noch 70 weitere Männer und Frauen, darunter Landtagspräsidentin Britta Stark auf Platz zwei und Generalsekretär Erik Stohn auf Platz drei. Mit 31,9 Prozent bei der Landtagswahl 2014 hatte die SPD 30 Mandate erkämpft. In der jüngsten Umfrage wurden ihr jetzt 22 Prozent vorhergesagt (CDU 20, AfD 19, LINKE 16, Grüne 12, FDP 5 Prozent).
Die SPD beschließt in Potsdam mit nur einer Enthaltung auch ihr Wahlprogramm. Abgeändert wird ein Antrag, wonach die SPD alles dafür tun wolle, »die Ansiedlung von Industriearbeitsplätzen in der Lausitz zu forcieren, um damit die Voraussetzung für einen früheren Braunkohleausstieg« schon 2030 und nicht erst 2038 zu schaffen. Die Formulierung kommt ins Wahlprogramm, allerdings entfällt dabei die Jahreszahl 2030. Ein Termin für einen früheren Kohleausstieg wird also in der nun gültigen Fassung des Wahlprogramms nicht genannt.
»Wir werden niemals zulassen, dass Rechtsextremismus, Nationalismus und Populismus hier an die Macht kommen.« Dietmar Woidke, Ministerpräsident