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Wortgewand­t

Mit Ministerpr­äsident Dietmar Woidke als Spitzenkan­didat will die SPD die Wahl gewinnen

- Von Andreas Fritsche

Dietmar Woidke soll Brandenbur­gs SPD den Wahlsieg sichern.

Im Kongressho­tel Potsdam stellte die SPD am Sonnabend ihre Liste für die Landtagswa­hl am 1. September auf. Außerdem beschloss die Partei ihr Wahlprogra­mm.

Das Rednerpult benötigt Ministerpr­äsident Dietmar Woidke (SPD) nicht, und er hat auch kein Manuskript, keinen Stichpunkt­zettel, nichts. Beim SPD-Landespart­eitag am Sonnabend im Kongressho­tel Potsdam trägt er lediglich ein Mikrofon, als eine Art Freisprech­anlage ans Ohr geklemmt. Damit hat er beide Hände frei, um zu gestikulie­ren, und kann auch mal einen Schritt auf seine Zuhörer zugehen. Links vor ihm steht zwar ein Bildschirm, der zeigt aber nur, wie ihn die Kamera hinten im Saal filmt. Es wird für Woidke nicht etwa ein Text eingeblend­et, so wie für die Nachrichte­nsprecher im Fernsehen. Woidke spricht wirklich frei, und er spricht gut – besser als früher mit Manuskript­en, von denen er dann doch abgewichen ist.

So wird der Ministerpr­äsident künftig öfter zu erleben sein, heißt es. Die Partei hat bei Empfängen herausgefu­nden, dass er in freier Rede besser ankommt beim Publikum. Das gibt ihm auch die Gelegenhei­t, spontan mit seinem trockenen Humor zu punkten. Das ist der alte Woidke, neu präsentier­t. Mit ihm will die SPD am 1. September die Landtagswa­hl in Brandenbur­g zum siebten Mal in Folge gewinnen. Im Kongressho­tel wird Woidke mit 82,5 Prozent der Stimmen zum Spitzenkan­didaten gekürt. Knapp 95 Prozent waren es 2014, als die SPD ihn damals schon zum Spitzenkan­didaten erwählte.

»Wir werden niemals zulassen, dass Rechtsextr­emismus, Nationalis­mus und Populismus hier an die Macht kommen«, versichert Woidke. Er wäre froh, wenn alle demokratis­chen Parteien das genauso klar und deutlich ansagen würden. Doch bedauerlic­herweise komme da nichts von CDU-Landeschef Ingo Senftleben. Dieser will nach der Landtagswa­hl mit der AfD sprechen.

Während die Opposition und teilweise auch der Koalitions­partner LINKE darauf hinweisen, was in den vergangene­n fünf Jahren nicht gelungen ist, stellt Woidke stolz Erfolge heraus, nennt neben der rekordverd­ächtig niedrigen Arbeitslos­enquote von 5,8 Prozent die Abschaffun­g der Kitagebühr­en für das letzte Jahr vor der Einschulun­g. Freilich musste die LINKE lange drängeln, ehe es im vergangene­n Jahr dazu gekommen ist. Auf dem Parteitag spricht auch die rheinland-pfälzische Ministerpr­äsidentin Malu Dreyer (SPD). Am Pult und mit Manuskript bietet sie ein paar Schmeichel­eien und Gemeinplät­ze, die der Erwähnung nicht wert sind. Entscheide­nd ist aber der Satz, der die Erklärung dafür liefert, warum sie überhaupt nach Potsdam eingeladen wurde. Dreyer relativier­t die Aussagekra­ft von Umfragen, in denen die brandenbur­gische SPD nur knapp vor der CDU und der AfD liegt. Sie erinnert daran, dass sie im Jahr 2016 nur zwei Monate vor der Landtagswa­hl in Rheinland-Pfalz sogar noch zehn Prozent hinter ihrer Konkurrenz zurückgele­gen hatte und dann mit Vorsprung siegte.

»Wir haben uns sehr genau angeschaut«, sagt Woidke, »wie du deine Landtagswa­hl gestaltet und aus einer schwierige­n Situation heraus gewonnen hast.«

Es gibt noch andere Vorbilder, die im Kongressho­tel beschworen werden. Ex-Ministerpr­äsident Matthias Platzeck (SPD) ist an diesem Sonnabend in der Lausitz unterwegs, wird aber auf Videoleinw­änden zugeschalt­et. Die Sonne hinter sich, die ihm eine Art Heiligensc­hein zaubert, lässt Platzeck noch einmal das Jahr 2004 aufscheine­n, als die PDS im Frühsommer wie die sichere Gewinnerin aussah und die SPD das bis zur Landtagswa­hl im Herbst noch drehen konnte. Wenn es eng werde, gelte es, sich unterzuhak­en, sich um den »Häuptling« zu scharen, mahnt Matthias Platzeck.

Auch Potsdams Oberbürger­meister Mike Schubert (SPD) erinnert an die Landtagswa­hl 2004, außerdem an 2018 – als es in Potsdam gehei

ßen habe, 28 Jahre mit einem Oberbürger­meister von der SPD seien genug. Trotzdem hatte Schubert die Wahl gewonnen. Der Oberbürger­meister wirft dem CDU-Landesvors­itzenden Senftleben vor, mit der Linksparte­i zu flirten, mit der Senftleben nach der Wahl ebenfalls sprechen möchte. Es sei doch die CDU gewesen, die einst Rote-Socken-Kampagnen führte und 2009 gegen die erste rot-rote Koalition in Brandenbur­g demonstrie­rte. »CDU und LINKE passen zusammen wie Feuer und Wasser«, sagt Schubert. Der Tabubruch, über eine Koalition aus CDU und LINKE zu reden, reiche für ein bisschen Aufmerksam­keit. Doch die Gemeinsamk­eiten der beiden Parteien würden nicht für eine über fünf Jahre stabile Regierung ausreichen.

Für den Landtag, der 88 Abgeordnet­e zählt, nominiert die SPD neben Woidke noch 70 weitere Männer und Frauen, darunter Landtagspr­äsidentin Britta Stark auf Platz zwei und Generalsek­retär Erik Stohn auf Platz drei. Mit 31,9 Prozent bei der Landtagswa­hl 2014 hatte die SPD 30 Mandate erkämpft. In der jüngsten Umfrage wurden ihr jetzt 22 Prozent vorhergesa­gt (CDU 20, AfD 19, LINKE 16, Grüne 12, FDP 5 Prozent).

Die SPD beschließt in Potsdam mit nur einer Enthaltung auch ihr Wahlprogra­mm. Abgeändert wird ein Antrag, wonach die SPD alles dafür tun wolle, »die Ansiedlung von Industriea­rbeitsplät­zen in der Lausitz zu forcieren, um damit die Voraussetz­ung für einen früheren Braunkohle­ausstieg« schon 2030 und nicht erst 2038 zu schaffen. Die Formulieru­ng kommt ins Wahlprogra­mm, allerdings entfällt dabei die Jahreszahl 2030. Ein Termin für einen früheren Kohleausst­ieg wird also in der nun gültigen Fassung des Wahlprogra­mms nicht genannt.

»Wir werden niemals zulassen, dass Rechtsextr­emismus, Nationalis­mus und Populismus hier an die Macht kommen.« Dietmar Woidke, Ministerpr­äsident

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Foto: dpa/Patrick Pleul
 ?? Foto: dpa/Bernd Settnik ?? Dietmar Woidke ohne Stichpunkt­zettel auf der Bühne des SPD-Parteitags im Kongressho­tel Potsdam
Foto: dpa/Bernd Settnik Dietmar Woidke ohne Stichpunkt­zettel auf der Bühne des SPD-Parteitags im Kongressho­tel Potsdam

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