Kahlschlag bei ThyssenKrupp
Nach Absage der Fusion mit Tata will Konzern 6000 Jobs streichen
Berlin. Für Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) ist das, was sich am Wochenende in der Essener Zentrale von ThyssenKrupp abspielte, »gelebte Sozialpartnerschaft und Mitbestimmung in der heutigen Zeit«. Dort einigten sich die IG Metall und die Unternehmensspitze auf eine Grundlagenvereinbarung für einen radikalen Konzernumbau. Den will das Management haben, nachdem die lange geplante Fusion der Stahlsparte mit dem indischen Tata-Konzern am Freitag abgeblasen wurde. Als Grund für das Platzen der Fusion wurde das Veto von EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager genannt.
Nun soll die profitable Aufzugsparte des Stahlkochers an die Börse gehen; 6000 Stellen sollen wegfallen – allein 4000 davon in Deutschland. Betriebsbedingte Kündigungen will man zwar vermeiden, schließt sie aber als »Ultima Ratio« ausdrücklich nicht aus. Ein Großteil der Stellenstreichungen dürfte die Stahlsparte mit ihren 27 000 Mitarbeitern treffen. Weltweit beschäftigt der Konzern mehr als 160 000 Mitarbeiter.
Bei der Gewerkschaft gibt man sich tapfer. »Der Umbau von ThyssenKrupp ist leider unvermeidbar«, sagte Markus Grolms von der IG Metall, der auch im Aufsichtsrat des Konzerns sitzt. Das werde »ein schwerer, aber leider notwendiger Weg für das Unternehmen und die Beschäftigten«. Die Arbeitnehmer seien »bereit, dafür Schmerzen zu ertragen, aber nicht, um Aktionäre mit Sonderdividenden zu beglücken«. So hat man der Konzernspitze vorerst abgerungen, dass Gewinne aus dem Börsengang im Konzern verbleiben und nicht an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Ob dies alles so kommt, muss allerdings noch der Aufsichtsrat am 21. Mai entscheiden. Der Großaktionär Cevian fordert unterdessen eine Neuausrichtung des Konzerns »ohne Tabus«.
Wegen Bedenken der EU-Kommission ist die Fusion der ThyssenKrupp-Stahlsparte mit Tata Steel gescheitert. Das Management kündigt nun eine Aufspaltung des Konzerns an, die 6000 Stellen kosten soll.
Vor fast zwei Jahren hatte ThyssenKrupp stolz verkündet, dass seine Stahlsparte mit der Europasparte des indischen Tata-Konzerns fusionieren werde. Die Zusammenlegung sollte einen Stahlgiganten schaffen. Zusätzlich wollte der Essener Konzern die verbliebenen Geschäftsfelder in einen Industrie- und einen Werkstoffkonzern aufteilen. Für das Marketing hatte man sich das Sprüchlein »Best for both« ausgedacht. ThyssenKruppVorstandschef Guido Kerkhoff wurde nicht müde zu betonen, dass zwei starke Unternehmen entstünden.
Diese Pläne sind nun hinfällig. Am Freitag meldeten zuerst Insider und dann auch der Konzern selbst, dass die Fusion gescheitert ist. Zu viele Bedingungen hatte die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager gestellt, um die absehbare Marktmacht des neuen Konzerns zu begrenzen. ThyssenKrupp und Tata Steel fehlte es daraufhin an »Synergieeffekten«. Der Zusammenschluss sollte 2000 Stellen kosten, beinhaltete allerdings auch eine Beschäftigungsgarantie bis 2026.
Nun stellt ThyssenKrupp einen komplett anderen Plan zum Konzernumbau vor. Die hochprofitable Aufzugsparte soll an die Börse gehen und der Rest des Konzerns in eine Holdingstruktur überführt werden, die effizienter arbeiten soll. Dafür will die Konzernspitze die Verwaltungskosten auf weniger als 200 Millionen Euro halbieren und 6000 Arbeitsplätze abbauen – 4000 alleine in Deutschland.
An der Börse jubelte man ob der Meldung. Die ThyssenKrupp-Aktie stieg am Freitag um mehr als zehn Prozent. Lars Förberg, Gründer der schwedischen Investmentgesellschaft Cevian, die 18 Prozent am Konzern hält, erklärte, nun dürfe es keine »historischen oder politischen Tabus« beim Umbau des Konzerns mehr geben. Die Abspaltung des Aufzugsgeschäfts soll Millionen in die Konzernkassen spülen.
Doch was des einen Freud ist, ist des anderen Leid. Bei den neuen Plänen zum Konzernumbau schließt der ThyssenKrupp-Vorstand auch betriebsbedingte Kündigungen nicht aus. »Betriebsbedingte Kündigungen wollen wir vermeiden, sind aber in Ausnahmen (Ultima Ratio) möglich«, verlautbarte Konzern-Personalvorstand Oliver Burkhard über den Kurznachrichtendienst Twitter.
Am Samstag unterzeichneten Gewerkschaft, Betriebsrat und Unternehmensführung eine Vereinbarung. »Obwohl das kein guter Tag für das Unternehmen und die Beschäftigten ist, haben wir mit der Grundlagenvereinbarung die notwendigen Leitplanken gesetzt«, sagte der Konzernbetriebsratsvorsitzende Dirk Sievers. »Diese ermöglichen uns, die anstehenden Veränderungsprozesse aktiv mitzugestalten.« Wann immer Unternehmensteile verkauft werden, sollten »Best/Fair-Owner-Regelungen« gelten.
Die IG Metall forderte, dass Gewinne aus dem Börsengang nicht in die Taschen der Investoren wandern. »Das Geld, das ein möglicher Börsengang der Aufzugssparte in die Kasse von ThyssenKrupp spült, muss für die Stabilisierung des Konzerns eingesetzt werden«, sagte der IG-Metall-Bezirksleiter für Nordrhein-Westfalen, Knut Giesler. »Dies betrifft alle Bereiche des Konzerns. Eine Ausschüttung an die Aktionäre darf es nicht geben.« Das Zusammengehen mit Tata sei immer mit Risiken verbunden gewesen. Der im Rahmen der Fusionspläne geschlossene Tarifvertrag habe langfristige Sicherheiten für die Mitarbeiter beinhaltet, solche Sicherheiten müsse es jetzt auch geben.
»Das Konzept, das mir Vorstand und Gewerkschaften gemeinsam vorgestellt haben, ist überzeugend. Es bietet Zukunftschancen für ThyssenKrupp und für Arbeitsplätze in Nordrhein-Westfalen«, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet am Samstag nach einem Gespräch mit der Unternehmensspitze und Arbeitnehmervertretern in der Konzernzentrale. Laut dem CDU-Mann sollte die IG-Metall-Forderung, dass die Gewinne durch den Börsengang im Konzern verbleiben, erfüllt werden.
Bei der LINKEN in NordrheinWestfalen ist man unterdessen der Meinung, dass die jüngsten Ereignisse bei ThyssenKrupp ein guter Grund seien, die Eigentumsfrage zu stellen. »Die Debatte über Vergesellschaftung von Großkonzernen ist auf der Höhe der Zeit«, so Landessprecher Christian Leye. Es könne nicht sein, dass die Beschäftigten die Zeche für Fehlkalkulationen des Managements zahlten. Leye erneuerte die LINKE-Forderung nach einer Industriestiftung, mit der die Produktion unter »öffentliche Kontrolle« gestellt und Arbeitsplätze gerettet werden könnten.