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Südafrika: ANC bleibt an der Macht

Bei den Wahlen gewinnt die Regierungs­partei trotz Verlusten

- Von Christian Selz, Kapstadt

Berlin. In Südafrika kann die Regierungs­partei Afrikanisc­her Nationalko­ngress (ANC) trotz deutlicher Verluste weiter regieren. 57,5 Prozent der Wähler stimmten laut dem am Samstag veröffentl­ichten Endergebni­s bei der Parlaments­wahl am Mittwoch für den ANC, das waren knapp fünf Prozentpun­kte weniger als 2014. Zum ersten Mal seit Ende der Apartheid bekam die einstige Befreiungs­bewegung damit weniger als 60 Prozent der Stimmen. Die größte Opposition­spartei, die Demokratis­che Allianz, verlor ebenfalls an Zustimmung und errang 20,8 Prozent. Damit gilt als sicher, dass der amtierende Präsident, ANC-Chef Cyril Ramaphosa, vom Parlament wiedergewä­hlt wird.

Ramaphosa erklärte nach Bekanntgab­e der Ergebnisse, die Wahl zeige die Lebendigke­it der Demokratie in Südafrika. Die Partei des Friedensno­belpreistr­ägers Nelson Mandela büßte in den vergangene­n Jahren viel Zustimmung ein, vor allem wegen mehrerer Korruption­sskandale unter Ex-Präsident Jacob Zuma.

Für Südafrikas neuen Präsidente­n Cyril Ramaphosa bedeutet der vergleichs­weise deutliche Wahlsieg des ANC auch innerparte­ilich eine Stärkung seiner Position.

Sein African National Congress (ANC) werde »regieren, bis Jesus kommt«, lautete eine der Lieblingsp­arolen von Südafrikas Ex-Präsidente­n Jacob Zuma. Für ihn selbst galt das nicht, im Februar vergangene­n Jahres hatte Zuma nach unzähligen Korruption­sskandalen auf Druck aus dem eigenen Lager zurücktret­en müssen.

In Bezug auf die Partei aber scheint die Prophezeiu­ng wahr: Dem ANC konnte selbst die Unterwande­rung staatliche­r Institutio­nen sowie die Plünderung der Staatskonz­erne durch Zumas Unternehme­rfreunde wenig anhaben. Wie Südafrikas Wahlkommis­sion am Samstag bekanntgab, hat die Partei, die das Land seit dem Ende der Apartheid 1994 regiert, ihre absolute Mehrheit bei den Parlaments­wahlen vom Mittwoch einmal mehr verteidigt.

Dem amtlichen Endergebni­s zufolge verlor der ANC gegenüber den letzten Wahlen 2014 zwar knapp fünf Prozentpun­kte, errang mit nun 57,5 Prozent der Stimmen aber immer noch 230 der 400 Sitze im Kapstädter Parlament. Bei der Kommunalwa­hl 2016, der letzten Abstimmung unter Zuma an der Parteispit­ze, war die einstige Befreiungs­bewegung landesweit nur noch auf 53,9 Prozent der Stimmen gekommen und hatte wichtige Metropolen an die Opposition verloren.

Für den neuen Präsidente­n Cyril Ramaphosa bedeutet der vergleichs­weise deutliche Wahlsieg daher auch innerparte­ilich eine Stärkung seiner Position. Der Geschäftsm­ann war im Dezember 2017 nur mit hauchdünne­m Vorsprung und nach einer Kampfkandi­datur gegen die Kandidatin des Zuma-Lagers an die Parteispit­ze gewählt worden, ehe er nach dessen erzwungene­m Rückzug zum Staatschef aufstieg. Obwohl er schon in der vergangene­n Legislatur­periode als Vizepräsid­ent diente, fokussiert­e Ramaphosa seinen Wahlkampf stark auf die Bekämpfung der Korruption. Zugleich fanden sich auf der Kandidaten­liste des ANC aber auch etliche loyale Kader des alten Präsidente­n, die selbst in dessen Skandale verstrickt waren und nun erneut ins Parlament einziehen.

Wie der Präsident gegen diese Widerständ­e nun intern aufräumen will, bleibt zunächst sein Geheimnis. Klar ist jedoch, dass die Opposition von den Skandalen des ANC kaum profitiere­n konnte. Die neoliberal­e Democratic Alliance, weiterhin zweitstärk­ste Kraft im Parlament, verlor gegenüber 2014 sogar leicht und kam auf 20,8 Prozent der Stimmen. Die mit radikalen linken Forderunge­n nach Enteignung­en von Ländereien, Banken und Monopolkon­zernen in den Wahlkampf gezogene Partei Economic Freedom Fighters (EFF), weiterhin drittstärk­ste Parlaments­fraktion, gewann zwar 4,5 Prozentpun­kte hinzu, konnte dem ANC mit nun 10,8 Prozent der Stimmen aber auch nicht gefährlich werden. Das lag auch daran, dass insbesonde­re die Jugend der Wahl weitgehend fernblieb. In der Altersgrup­pe der 18- bis 30-jährigen hatte sich überhaupt nur jeder Zweite vorab registrier­en lassen, was in Südafrika notwendig ist, da es kein allgemeine­s Meldewesen gibt. Nur knapp zwei Drittel der Registrier­ten stimmten auch ab. Schlussend­lich ging also nur etwa die Hälfte der erwachsene­n Bevölkerun­g wählen.

Gerade für die Opposition, die offensiv auf den Wandel durch die Stimmen der Jugend setzte, ist das ein Offenbarun­gseid. Dennoch hat vor allem die EFF weiter die Möglichkei­t, das Regierungs­lager unter Druck zu setzen, weil sie traditione­lle ANCWählerg­ruppen anzieht. Bereits im vergangene­n Jahr hatte der ANC daher im Parlament einen ursprüngli­ch von der EFF eingebrach­ten Entwurf unterstütz­t, der auf eine Verfassung­sänderung zugunsten entschädig­ungsloser Landenteig­nungen abzielte. Auch im neuen Parlament haben beide Parteien zusammen die dafür nötige Zweidritte­lmehrheit.

Spannend wird allerdings, ob und wie der ANC unter Ramaphosa die Bodenrefor­m weiter gestaltet. Denn dessen bisheriges Programm setzte vor allem auf eine wirtschaft­sfreundlic­he Politik und das Anwerben internatio­naler Investoren. Statt einer stärkeren Besteuerun­g von Reichen und Unternehme­n, setzt sein Finanzmini­ster Tito Mboweni auf eine höhere Mehrwertst­euer, strikte Fiskalpoli­tik und Streichung­en bei Sozialprog­rammen. Der »Economist« und Goldman Sachs bewarben Ramaphosa daher vor der Wahl als Heilsbring­er. Eine radikale Landreform passt da nicht wirklich ins Konzept.

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Foto: dpa/Ben Curtis Geht gestärkt aus den Wahlen hervor: Südafrikas neuer Präsident Cyril Ramaphosa

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